Das wechselnde Format zeigt prominente Werke der Sammlung und in einem separaten Teil zeitgenössische Positionen. Aktuell tut dies der Niederländer Willem de Rooij.

Foto: Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien / Iris Ranzinger

"Der exotische Vogel killt das heimische Huhn. Eine spannende These, oder?", rätselt Sabine Folie, Kuratorin und Direktorin der Sammlungen der Akademie der bildenden Künste Wien. Sie steht in einem etwas düsteren, in kühles Blau getunkten Raum, umgeben von Bildnissen von Königsgeiern, mit knallrotem Hals und schwarz-weißem Gefieder, kurz nachdem sie in barbarischer Manier einem gewöhnlichen Haushuhn die Kehle aufgerissen haben. Doch etwas scheint hier nicht ganz zu stimmen: Anstatt einer goldenen Rahmung hängen viele Bilder gänzlich ohne diese, stattdessen sind am Bildrand Farbkarten zu sehen. (Auflösung folgt.)

Seit dem 8. März sind die ersten beiden Räume der Gemäldegalerie in der Akademie nicht mehr Teil der Sammlungspräsentation, sondern eines neuen Ausstellungskonzepts: "Die Sammlung betrachten & An Insert by …"verfolgt einen transhistorischen Ansatz und soll die Sammlung in einen zeitgenössischen Diskurs hieven. Ziel ist, dass sich Kunstschaffende mit dem Bestand auseinandersetzen und künstlerische Statements zu Aspekten von Werken oder der Galerie als Ort abgeben. Sie sind als "kritische Stellungnahme aus dem Blickwinkel der Gegenwart auf die Geschichte" zu lesen, heißt es im Begleittext.

Blick in die Ausstellung.
Foto: Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien / Iris Ranzinger

Kurz gesagt: Man setzt neue Arbeiten in Bezug zu alten Meisterwerken, lässt sie miteinander in Diskurs treten. Auch der Bestand wird fortan in immer wieder wechselnden Konstellationen in der Gemäldegalerie zu sehen sein – in der Auftaktschau des Formats, das sich ab nun über mehrere Jahre erstrecken soll, liegt der Schwerpunkt auf der romanischen Schule, der "Insert" fügt sich mit der Installation King Vulture des niederländischen Künstlers Willem de Rooij ein.

Kollaboration mit Kontext

So löst sich auch das Rätsel um die Farbkarten: De Rooij arbeitet konzeptuell, er beschäftigt sich mit Fragen nach Kopie, Ware, Globalisierung und Kolonialisierung. Daraus entstand King Vulture, wofür er unter anderem Arbeiten des niederländischen Barockmalers Jan Weenix im südchinesischen Dafen, bekannt für täuschend echte Kunstkopien, nachmalen ließ. Das repetitive Motiv des Königsgeiers, das sich in Weenix’ Bildern beinah identisch wiederholt, sowie eine Skulptur eines Blumenstraußes eingangs der Galerieräumlichkeiten sollen repräsentativ für Kolonialismus, Kollaboration und Kunstkopie stehen.

Ein dichtes Programm mit einer äußerst ambitionierten Intention – um diese vollständig zu erfassen, benötigt es umfangreiche Begleittexte, welche aber nur als Booklet und fragmentarisch als Wandtext zu Beginn der Ausstellung existieren. Daraus eröffnen sich zwar spannende Hintergründe, bedenkt man allerdings die Zeit und Muße, derer die Einarbeitung bedarf, bleibt die Schau wenig inklusiv und wohl eher Fachleuten und Auskennern vorbehalten. (Caroline Schluge, 17.3.2023)