Die vier Roboterarme werden vom Operateur mittels Konsole bedient.

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Unter dem Motto "Die Zukunft der Chirurgie hat schon begonnen" stellte der Wiener Gesundheitsverbund gestern den OP-Roboter Da Vinci Xi der Firma Intuitive Surgical Sàrl im Technischen Museum Wien vor. Er erlaubt minimalinvasive chirurgische Eingriffe und soll demnächst an Kliniken des Wiener Gesundheitsbunds (Wigev) zum Einsatz kommen. Der Roboter arbeitet hierbei aber nicht selbstständig: "Es bedarf weiterhin eines bestausgebildeten Operationsteams", betont Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ).

Insgesamt sechs Geräte für Wiener Spitäler

Die Spitäler des Gesundheitsverbunds sollen mit insgesamt sechs Da Vinci Xi ausgestattet werden. Drei davon sind bereits in Lieferung und werden "sehr bald" zum Einsatz kommen, sagt Michael Binder, medizinischer Direktor der Wigev. "Zwei Roboter gehen ans AKH. Ein OP-Roboter bleibt optional noch offen", so Binder. Die Kosten pro Roboter belaufen sich auf knapp zwei Millionen Euro.

Der Roboter für die Region Nord-Ost wird in der Klinik Donaustadt zum Einsatz kommen, für die Region Süd ist es die Klinik Favoriten, und in der Region West geht der Da Vinci Xi an die Klinik Ottakring. Für Chirurginnen und Chirurgen der jeweiligen Partnerspitäler soll es OP-Slots geben, um die Technologie für alle verfügbar zu machen.

Komplexere Manöver bei geringerer körperlicher Belastung

Die Vorteile liegen vor allem in einer "wesentlichen Verbesserung der technischen Möglichkeiten", sagt Gesundheitsstadtrat Hacker. Chirurgische Eingriffe würden so für Patientinnen und Patienten weniger belastend. Gleichzeitig seien komplexere Eingriffe als mit klassischen laparoskopischen Instrumenten möglich, erklärt Binder. Unter Laparoskopie versteht man Operationen, die mittels Schlüssellochchirurgie durchgeführt werden. Dabei werden – im Gegensatz zu offenen Operationen – fünf bis 15 Millimeter lange Schnitte im Bereich des Bauches gesetzt, durch die dann die notwendigen Instrumente und eine Kamera in den Bauchraum eingebracht werden.

Schlüssellochchirurgie dank roboterassistierten Systems verbessert

Beim Einsatz des Da Vinci Xi sind Operateur und Patient über eine Konsole verbunden, das entsprechende Bild stammt von einer Kamera am Operationsgebiet. Die Eingriffe werden letztendlich von den Roboterarmen durchgeführt, die aber vom Menschen gesteuert werden. Der Einsatz von OP-Robotern ermöglicht dabei nicht nur komplexere und präzisere Manöver, sondern gleicht auch die Unzulänglichkeiten der menschlichen Hand – beispielsweise ein Zittern – aus.

Nerven- und Gewebeschädigungen können so reduziert und der Blutverlust verringert werden. Für Patientinnen und Patienten bedeutet das letztendlich weniger Schmerzen nach einem Eingriff. Auch die funktionellen Ergebnisse würden verbessert, meint Martin Marszalek, Leiter der Urologie und Andrologie an der Klinik Donaustadt. Bei Prostata-Eingriffen könnte so eine Verbesserung der Potenz und der Kontinenz erzielt werden.

Mithilfe der Steuerelemente werden die Roboterarme bewegt. So kann ohne Zittern operiert werden.
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Einsatzmöglichkeiten vor allem in Urologie, Allgemeinchirurgie und Gynäkologie

Die Einsatzmöglichkeiten der Roboterchirurgie sind vielseitig: In der Urologie kommen OP-Roboter vor allem bei Krebserkrankungen zum Einsatz – beispielsweise bei Prostata-Entfernungen oder der Operation von Nierentumoren. Auch rekonstruktive Eingriffe wie Blasenersatzoperationen können mit roboterassistierten Systemen durchgeführt werden. Langfristig besteht die Möglichkeit, offene chirurgische Operationen durch minimalinvasive Eingriffe zu ersetzen.

Geringere Ausbildungszeiten, erste OP im April geplant

Roboterunterstütze Chirurgie ist außerdem wesentlich leichter zu erlernen: Die Ausbildungszeiten, die derzeit knapp 300 Operationen umfassen, könnten laut Marszalek auf ein Drittel reduziert werden. Knapp zwei Monate dauert es, bis man den Umgang mit der Technologie erlernt hat. Dabei wird – ähnlich wie bei einer Pilotenausbildung – erst am Simulator trainiert, um die Fingerfertigkeit mit dem Roboter zu erlernen. Ist die Handhabung einmal verinnerlicht, folgt in einem zweiten Schritt das Training an Gewebe – beispielsweise an Schweineorganen.

Abschließend führen die angehenden Chirurginnen und Chirurgen dann bereits – unter Aufsicht sogenannter Proktorinnen und Proktoren – Operationen am Menschen durch. "Der erste roboterunterstützte Eingriff an der Klinik Donaustadt steht bereits Mitte April am OP-Plan", erklärt Marszalek.

Eindrucksvolle Konstellation

Wie ein derartiges Training am Da Vinci Xi aussieht, konnte bei der aktuellen Präsentation auch von Nichtmedizinern getestet werden. Auf den ersten Blick mutet der Da Vinci Xi wie eine Requisite aus einem Science-Fiction Film an: Er besteht aus einer Steuerkonsole, an der später der Operateur Platz nimmt, einer vierarmigen Robotikeinheit mit den verschiedenen Instrumenten und einem Videoturm, über den die Kamera gesteuert wird. Die gesamte Konstellation ist gut zwei Meter hoch und auch sonst durchaus imposant.

Die Steuerkonsole des Da Vinci Xi ist die Verbindung zwischen Operateur und Patient.
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Umso sensibler und feiner gestaltet sich jedoch die Handhabung: Einmal hinter der Steuerkonsole, lässt sich das Pult und auch die Höhe des Kopfteils beliebig adjustieren, um auch bei längeren Eingriffen ein Verkrampfen zu verhindern. Mit Daumen und Mittelfinger greift man die Konsolen für die Roboterarme, mit dem Zeigefinger lässt sich das Blickfeld verstellen – womit in der Praxis die Kamera bei der Operationsstelle bewegt werden kann. Mit Fußpedalen können – ebenfalls nur für echte Operationen relevant – Stromschläge an den linken oder rechten Roboterarm gesendet werden, was zur Verödung von Gewebe dient.

Hier könnte Ihr Eingriff stattfinden: Sensible Roboterarme werden über eine Konsole gesteuert. Roboterunterstützte Eingriffe sind weniger belastend und verkürzen die Genesungsphase.
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"Ringespiel" als Simulationstraining für Neulinge

Für das robotikgestützte Motoriktraining gibt es mehrere Trainingsprogramme. Neulinge lernen anhand einer Art Ringespiel, mit den Roboterarmen farbliche Ringe auf die passenden Kegel zu manövrieren. Für Fortgeschrittene gibt es Simulationen, die vor allem die zusätzlichen Bewegungsgrade trainieren. Denn die Roboterarme haben mehr Bewegungsgrade als die menschliche Hand – was zusätzliche Möglichkeiten bietet, aber auch erst gelernt sein will, um in der Praxis am echten Gewebe keinen Schaden anzurichten.

So sieht der Blick auf die Operationsstelle für Chirurginnen und Chirurgen aus. Heute auf dem OP-Tisch: ein Ringespiel für die Feinmotorik.
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Objektive Auswertung verhindert Selbstüberschätzung

Ein zusätzlicher Vorteil der Trainingsprogramme ist die objektive Auswertung am Ende eines Moduls. Dabei werden verschiedene Parameter wie die benötigte Gesamtzeit, die Anzahl von Instrumentenkollisionen oder die Häufigkeit von Fällen, in denen sich die Instrumente außerhalb des Kamerabilds befanden, gemessen. Subjektiven Fehleinschätzungen wird so mit eindeutigen Zahlen vorgebeugt – was für ein effizientes Training unerlässlich ist.

So intuitiv sich die Steuerung schon nach wenigen Minuten anfühlt, mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad stößt man als Neuling schnell wieder an seine Grenzen. Ein anwesender Chirurg, der schon seit vier Jahren mit dem System arbeitet, erzielte einen Wert von 97 Punkten. Die Autorin erhielt für ihren Erstversuch lediglich 26 Punkte. (Lisa Haberkorn, 17.3.2023)

97 Punkte erzielt ein geübter Chirurg am Da Vinci Xi. Die objektive Auswertung schützt vor Selbstüberschätzung und beugt Unfällen wegen Handhabungsfehlern vor.
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