Letztlich hätten sich nur die Pflegepersonen um den Mann gekümmert, betont dessen Anwalt.

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Was als nachbarliche Bekanntschaft eines Ehepaars mit einem hilfsbedürftigen Mann begann, entwickelte sich im Laufe von drei Jahren offenbar zu einer engen Beziehung. Mit der Zeit übernahmen die ausgebildete Pflegerin und ihr Ehemann immer mehr Aufgaben im Haushalt des Tirolers und schließlich per Vertrag auch offiziell dessen Pflege.

Der Mann scheint es ihnen gedankt zu haben: Er setzte die beiden als Alleinerben seiner Häuser im Wert von rund 1,8 Millionen Euro ein – rechtsgültig, wie der Obersten Gerichtshof (OGH) nun entschieden hat. Aus Sicht des Höchstgerichts sind Testamente zugunsten von Pflegerinnen und Pflegern nämlich zulässig (OGH 21.2.2023, 2 Ob 15/23d). Die Witwe bekommt höchstens einen Pflichtteil, das entsprechende Verfahren läuft noch.

Schenkungsverbot für Pfleger

Schon das Landesgericht Innsbruck hatte das Testament bestätigt. Die Witwe beschwerte sich allerdings gegen diese Entscheidung und argumentierte mit einer Bestimmung in der Pflegeverordnung. Demnach dürfen Betreuerinnen und Betreuer ihre berufliche Stellung "nicht zur Erlangung persönlicher Vorteile missbrauchen". Insbesondere ist es ihnen verboten, "Leistungen ohne gleichwertige Gegenleistung anzunehmen". Aus Sicht der Witwe war das Testament, mit dem der Mann sein gesamtes Vermögen übertrug, deshalb ungültig.

Der OGH wies dieses Argument nun zurück. Es gebe zwar ein "Vermögensannahmeverbot" für Pflegerinnen und Pfleger, das vor allem dann relevant ist, wenn betreute Personen zu Lebzeiten Vermögen verschenken. Allerdings erstreckt sich dieses Verbot laut den Höchstrichterinnen und Höchstrichtern nicht auf Testamente. Anders formuliert: Wenn Erblasser zurechnungsfähig sind und ihr Vermögen an Pflegerinnen vererben wollen, dürfen sie das uneingeschränkt tun. Ein Verbot würde zu stark in ihren letzten Willen eingreifen.

Situation ausgenützt?

"Ich sehe die Entscheidung sehr kritisch", sagt Rechtsanwalt Albert Heiss, der im aktuellen Fall die Witwe vertreten hat. "Der OGH stellt lediglich den Schutz der gepflegten Person in den Fokus, nicht aber den Schutz der Angehörigen." Das eröffne die Möglichkeit, dass Pfleger die Situation ausnützen.

Josef Kunzenmann, der das Pflegerpaar vertreten hat, sieht das naturgemäß anders. "Es war keine gute Ehe", betont der Rechtsanwalt. "Die Ehefrau hat nicht geputzt, nicht gekocht, nicht gewaschen. Sie hat sich nicht um ihren pflegebedürftigen Mann gekümmert." Er sei sich selbst überlassen, einsam und von seiner Frau enttäuscht gewesen. Letztlich hätten sich nur die Pflegepersonen um ihn gekümmert. Kunzenmann habe bereits im Vorfeld vermutet, welches Bild aufgrund des Testaments entstehen könnte, und den Willen des Mannes aus "anwaltlicher Vorsicht" auch auf Video aufgezeichnet. "Er hat genau gewusst, was er will."

"Beweis schwierig"

Rechtsanwalt Heiss sieht – unabhängig vom aktuellen Fall – Reformbedarf, um "Erbschleicherei nicht Tür und Tor zu öffnen". Verbote, die für Schenkungen zu Lebzeiten gelten, sollten auch auf Testamente ausgedehnt werden. Andernfalls bestehe Umgehungsgefahr. Nach dem Tod könne der Verstorbene nicht mehr darüber aussagen, wie es zu dem Testament gekommen sei. "Der Pfleger hat dann, was den Beweis betrifft, einen enormen Vorteil", sagt Heiss. Auch der Beweis, dass ein Verstorbener möglicherweise gar nicht mehr zurechnungsfähig war, sei im Nachhinein schwer zu erbringen.

Auch hier widerspricht Kunzenmann: Würde man Testamente zugunsten von Pflegerinnen oder Pflegern generell verbieten, würde das den letzten Willen der verstorbenen Person massiv einschränken. "Jeder kann – soweit er zurechnungsfähig ist – selbst entscheiden, was er mit seinem Haus, seinem Auto oder seinem Sparbuch machen will", sagt der Anwalt des Verstorbenen. "Die Willensfreiheit darf auf keinen Fall beschränkt werden."

Mittelweg als Vorschlag

Gregor Christandl, Professor für Zivilrecht an der Universität Graz, schlägt einen Mittelweg vor, um die Selbstbestimmung Pflegebedürftiger zu schützen. Christandl empfiehlt in einem Aufsatz in den "Juristischen Blättern", die Formerfordernisse für Testamente zu verschärfen. Werden Pflegerinnen oder Pfleger begünstigt, soll nicht schon ein eigenhändiges Testament reichen, sondern ein Notar oder ein Gericht eingebunden werden. Das würde sicherstellen, dass die Betroffenen "vor missbräuchlicher Einflussnahme besser geschützt sind" und gleichzeitig einen zu starken Eingriff in die Willensfreiheit des Erblassers verhindern. (Jakob Pflügl, 19.3.2023)