Für österreichische Unternehmen ist Saudi-Arabien mittlerweile der drittwichtigste Exportmarkt im Nahen und Mittleren Osten.

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Die Ostexpansion war nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eine Erfolgsgeschichte für heimische Unternehmen und Russland für viele mit Abstand der größte Markt. Einige haben sich nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine mehr oder weniger freiwillig zurückgezogen; andere warten noch ab, geraten aber zunehmend in die Kritik, weil ihr Verbleib Putin direkt oder indirekt in die Hände spielt. Nun könnte ausgerechnet Saudi-Arabien, das über nicht minder riesige Bodenschätze verfügt, eine immense Wirtschaftskraft hat und noch dazu höchst ambitionierte Ziele verfolgt, den Rückzug aus dem Osten für manches Unternehmen verkraftbar machen.

Das war bis vor kurzem nicht so. Verkrustet, in der Vergangenheit stehengeblieben, die Rechte der Frauen, ja Menschenrechte generell mit Füßen tretend: Das waren die wenig schmeichelhaften Zuschreibungen, mit denen sich das nicht nur flächen-, sondern auch bevölkerungsmäßig größte Land der Arabischen Halbinsel konfrontiert sah. Ein richtiger Paria-Staat eben.

Im Wandel

Das Land ist zwar nach wie vor erzkonservativ, andererseits aber voll im Wandel. Die Religionspolizei, die früher auf Sittsamkeit geachtet hat, ist verschwunden, Musikberieselung in Cafés, Restaurants und Shoppingmalls sind gekommen, um zu bleiben. Auch das selbst vor vier Jahren noch undenkbar. Dazu Film, Oper, Theater. Und Frauen, die sich unverhüllt aus dem Haus trauen, werden mehr und mehr, insbesondere in den Städten.

"Das Interesse heimischer Unternehmen an diesem stark wachsenden Markt ist groß, aber auch umgekehrt: Auch Saudi-Arabien ist höchst interessiert am Know-how unserer Unternehmen", sagt Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher nach einem Treffen mit seinem Visavis. Kocher ist in die Hauptstadt des Königreichs aufgebrochen. Mit im Gefolge eine gut vierzigköpfige Wirtschaftsdelegation. Er will der österreichischen Wirtschaft Türen öffnen, ist damit aber nicht allein. Hochrangige Vertreter vieler Nationen geben sich in Riad die Klinke in die Hand.

Junge Bevölkerung

Saudi-Arabien mit seinen 34 Millionen Einwohnern, 65 Prozent davon unter 35 Jahre jung, ist gefragt als Markt, lockt seinerseits aber auch mit Riesen-Infrastrukturprojekten in den Bereichen Tourismus, Mobilität, Entertainment, erneuerbare Energie und Green Tech generell. Geld ist genug vorhanden, der Staatsfonds ist mit fast 700 Milliarden Euro gefüllt; außerdem sitzt Saudi-Arabien auf den zweitgrößten Erdölreserven der Welt (nach Venezuela) und hat mit dem Ölförderer Aramco eine Gelddruckmaschine.

Alle namhaften österreichischen Unternehmen sind schon hier, von der Strabag, die beim Bau der U-Bahn in Riad mittut, über die Voestalpine, die mit einem Assemblingwerk für Weichen präsent und Partner der saudischen Staatsbahnen ist, bis zu Rosenbauer, der vor Ort kommunale Löschfahrzeuge baut. Rund 300 österreichische Unternehmen bearbeiten laut dem Wirtschaftsdelegierten Stephan Pfeifer den saudischen Markt, rund drei Dutzend haben eigene Niederlassungen. Für österreichische Unternehmen ist Saudi-Arabien mittlerweile der drittwichtigste Exportmarkt im Nahen und Mittleren Osten – nach Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Geduld gefragt

Wer Geschäfte in der Region machen will, braucht aber mitunter einen langen Atem. Die Zahlungsmoral sei nicht besonders ausgeprägt. Die Rechnungen würden immer bezahlt, teilweise aber erst ein Jahr oder noch länger nach Fälligkeit. "Wenn man das weiß, preist man das halt ein", sagt ein seit vielen Jahren in Saudi-Arabien tätiger Manager dem STANDARD.

Auch wenn sich das Land rasant verändert, ist nicht alles eitel Wonne. Der starke Mann des Landes, Kronprinz Mohammed bin Salman – kurz MBS –, gilt als durchsetzungsstark und Propagandist des Wandels, auch der Abkehr von Öl und Gas als einziger Einnahmequelle des Landes. Andererseits gilt er als Auftraggeber der Ermordung von Jamal Khashoggi im Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul. Der Washington Post-Kolumnist galt als starker Kritiker von MBS. (Günther Strobl aus Riad, 17.3.2023)