Es war vor zwei Monaten, als EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim Weltwirtschaftsforum in Davos Washingtons Initiative kritisierte, mit einem 369 Milliarden Dollar schweren Förderprogramm (Inflation Reduction Act, IRA) Unternehmen in die USA zu locken. Leider, kritisierte sie damals, könne von einer "Kooperation in einer fragmentierten Welt" – so das Davos-Motto – keine Rede sein. Vielmehr sei es nötig, die EU-Wirtschaft besser zu schützen.

Ursula von der Leyen will Europa vor den USA und China schützen.
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Nun macht die EU-Kommission ihre Vorschläge konkret: Mit dem Netto-Null-Industrie-Gesetz (Net-Zero Industry Act) sollen Angriffe auf den Wirtschaftsstandort Europa besser als bisher abgewehrt werden können. Europa müsse wettbewerbsfähiger werden, aber auch die Wirtschaft grüner und nachhaltiger gestalten, so die Kommission.

Um das zu schaffen, schlägt sie zwei Gesetze vor: Im ersten geht es um massiven Ausbau und Förderung grüner Technologien. Das andere beschäftigt sich mit der Rohstofffrage – bisher eine chinesische Domäne. Genehmigungsverfahren für strategisch wichtige Wertschöpfungsketten sollen erleichtert werden. Es geht auch um neue Bergbauprojekte und ein stärkeres Recycling von Lithium oder seltenen Erden.

Teils chinesische Dominanz

Wie die Financial Times berichtete, will Brüssel unter anderem auch die Einfuhr chinesischer Umwelttechnologien einschränken – etwa durch Hürden für Bieter bei öffentlichen Aufträgen im EU-Raum und beim Zugang zu EU-Subventionen.

Europa bekommt Auswirkungen chinesischer Investments unter anderem im Bereich grüner bzw. erneuerbarer Energie besonders zu spüren – etwa bei Solarpaneelen, die in ihren Komponenten bis zu 90 Prozent aus chinesischer Fertigung stammen. Diese und ähnliche "Dominanz in anderen Lieferketten, einschließlich der Produktion von Windturbinen und Elektrofahrzeugen, nimmt zu", heißt es im EU-Entwurf zum Net-Zero Industry Act.

Nachdem Europa versucht, sich von russischer Abhängigkeit beim Erdgas zu befreien, wächst momentan jene gegenüber China im Bereich "sauberer", grüner Technologie. Vordergründig wird das Engagement, sich der erneuerbaren Energieproduktion zuzuwenden, positiv gesehen – doch zumindest momentan geschieht das mit dem Effekt, die eine Abhängigkeit (Russland) durch eine andere (China) zu ersetzen. Die USA, die dieses Problem offenkundig vor Europa erkannt haben, profitieren durch ihr neues Subventionsprogramm, das aber nicht nur Know-how, Investoren und Unternehmen aus China anlockt, sondern auch aus Europa.

Davor warnt nicht nur die europäische (vor allem die deutsche) Automobilindustrie, sondern auch manch andere Branche. Die Standortbedingungen drohten sich rapide zu verschlechtern, es drohten Abwanderung und Deindustrialisierung auf dem Alten Kontinent.

Brüssel will nun dagegenhalten und der protektionistischen US-Wirtschaftspolitik den Wind aus den Segeln nehmen. Anbieter im Bereich grüner Technologien sollen so bald wie möglich wesentlich verbesserte Bedingungen vorfinden, um ihre Geschäfte auf dem Alten Kontinent abzuwickeln. Dazu gehören vereinfachte und beschleunigte Zulassungsverfahren, aber auch Programme zur gezielten Aus- und Weiterbildung von Fachkräften.

"Grüner Protektionismus"

Hinter den Kulissen wird aber schon eindringlich vor einem überzogenen "grünen Protektionismus" gewarnt, berichtet die Financial Times. Die Transition von der Petro-Epoche in eine grüne Ära dürfe nicht auf Kosten sowohl der Industrie als auch der EU-Steuerzahler und -Steuerzahlerinnen erfolgen.

Jedenfalls soll unter anderem chinesischer Einfluss in und auf Europas Wirtschaft eingedämmt und die Performance von EU-Anbietern abgesichert werden, wo sie bisher schon gut performt haben, etwa im Bereich von Windturbinen und Wärmepumpen. Der Anteil der EU-Produktion bei grüner Technologie soll bis 2030 auf 40 Prozent gebracht werden.

Doch fix und fertig beschlossen ist – wie in der EU üblich – noch lange nichts: Wie auch in allen anderen Bereichen müssen die Kommissionsvorschläge erst im Europäischen Parlament und in den 27 Mitgliedsstaaten abgesegnet werden – wenn sie überhaupt in dieser Form so weit kommen. Bis allfällige Regelungen tatsächlich in Kraft treten können, können gut und gern zwei Jahre vergehen. Doch dummerweise drängt die Zeit – und Washington mit seinem Subventionsprogramm. (Gianluca Wallisch, Joseph Gepp, 17.3.2023)