Der Aberglaube an Untote begleitet die Menschheit von der Antike über das Mittelalter bis herauf in die Gegenwart. Dass die Verstorbenen keine Ruhe geben, davor fürchtete man sich vermutlich bereits, seit es Beisetzungen gibt. Nun sind belgische Archäologinnen und Archäologen bei Ausgrabungen in der antiken römischen Stadt Sagalassos auf eine Bestattung gestoßen, die vielleicht ebenfalls die Angst vor der Rückkehr jener widerspiegelt, die nicht ordentlich begraben worden waren oder eines unnatürlichen Todes gestorben sind.

Das Grab in der Ausgrabungsstätte im Südwesten der Türkei enthielt die verkohlten, aber nicht vollständig verbrannten Knochen eines Mannes und wurde auf die Zeit zwischen 100 und 150 unserer Zeitrechnung datiert. Das Bemerkenswerte an dieser Bestattung waren eine Reihe von Vorkehrungen, die man in dieser Kombination bisher noch nicht gesehen hatte: An den Rändern des Scheiterhaufens hatte man 41 gebogene und verdrehte Nägel ausgestreut. Dann wurden 24 Ziegelsteine sorgfältig auf den noch schwelenden Scheiterhaufen gelegt, über die schließlich auch noch eine Schicht Kalkputz kam.

Drei Arten der Versiegelung

Die Person war offenbar an Ort und Stelle verbrannt und begraben worden – eine ungewöhnliche Praxis in der Römerzeit, wie nun ein Team um Johan Claeys von der Katholischen Universität Löwen im Fachjournal "Antiquity" berichtete. Üblicherweise wurden die Toten während der Römerzeit eingeäschert und ihre Überreste dann andernorts in einer Urne beigesetzt. "Diese Bestattung wurde nicht auf eine, nicht auf zwei, sondern auf drei verschiedene Arten verschlossen", sagte Claeys. "Das kann durchaus als Versuch verstanden werden, die Lebenden vor diesem Toten zu beschützen – oder umgekehrt."

Verdrehte und gebogene Nägel galten in der römischen Antike als magische Talismane.
Foto: Sagalassos Archaeological Research Project

Obwohl jede dieser Praktiken von Friedhöfen aus der Römerzeit bekannt ist – Einäscherung direkt vor Ort, Bedeckung mit Kacheln oder Gips und gelegentlich auch verbogene Nägel als magische Talismane –, wurden diese drei Maßnahmen zusammen noch nie beobachtet. Laut Claeys deute das angewendete Beisetzungverfahren auf eine besondere Furcht vor oder um den "ruhelosen Toten" hin.

Uraltes Sagalassos

Die Wurzeln der antiken Stadt Sagalassos an den Hängen des Taurusgebirges reichen weit in die Zeit zurück. Schon in hethitischen Dokumenten aus dem 14. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung finden sich Hinweise auf eine Bergsiedlung namens Salawassa. Eine durchgehende Besiedlung lässt sich mindestens für die Zeit zwischen dem dritten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung und dem Hochmittelalter feststellen, bis über die Spätantike hinaus war Salawassa eine bedeutende und wohlhabende Stadt.

Die abgelegene Lage hat Sagalassos weitgehend vor Plünderungen durch Antiquitätendiebe geschützt, sodass es heute eine der am besten erhaltenen antiken Stätten im Mittelmeerraum darstellt. Ihrem guten Erhaltungszustand ist es zu verdanken, dass es dort noch zahlreiche römerzeitliche Gebäude und Einrichtungen zu bestaunen gibt, darunter ein Theater und einen Badekomplex.

Die beiden Aufnahmen zeigen das mit Ziegeln abgedeckte "Wiedergängergrab" (rechts) neben zwei späteren Gräbern in zwei Stadien der Ausgrabung (oben vor und unten nach der Entfernung der Deckziegel).
Fotos: Sagalassos Archaeological Research Project

Eine würdige Beisetzung

Die nun vorgestellten Funde kamen im Rahmen des archäologischen Forschungsprojekts Sagalassos ans Licht, bei dem Gräber in den Außenbezirken der Stadt freigelegt und untersucht worden waren. Ungewöhnlich an dem potenziellen Wiedergängergrab war auch der Kontrast zwischen den herkömmlichen Beigaben und den magischen Schutzmaßnahmen. Die Fachleute entdeckten nämlich auch typische Grabbeigaben, wie die Reste eines kunstvoll geflochtenen Korbes, Nahrungsmittelrückstände, eine Münze sowie Keramik- und Glasgefäße.

"Es scheint, als habe man den Verstorbenen mit aller gebotenen Würde bestattet", sagte Claeys. Wahrscheinlich, so der Archäologe, war der Mann von seinen Angehörigen in einer Zeremonie beigesetzt worden, deren Vorbereitung und Durchführung Tage gedauert hat. Was nun die Verwandtschaft zu der Überzeugung veranlasst hat, der Tote oder sein Geist könnte für Ungemach sorgen, wenn man nicht entsprechende Schutzmaßnahmen ergreift, bleibt rätselhaft.

Vielleicht war er eines unnatürlichen Todes gestorben, Anzeichen für Verletzungen oder Krankheiten konnte das Team an den freigelegten Gebeinen jedoch nicht entdecken. "Aber unabhängig davon, ob der Tod des Mannes gewalttätiger Natur, krankheitsbedingt oder das Ergebnis einer Bestrafung war", schreiben die Forschenden in der Studie, "es spricht vieles dafür, dass die Hinterbliebenen Angst davor hatten, dass er mit Rachegedanken aus dem Reich der Verstorbenen zurückkehren könnte."

Schutz vor bösen Nekromanten

Doch das Team hält auch noch eine andere Version für möglich: Vielleicht haben die Familienangehörigen des Verstorbenen befürchtet, dass ihr geliebter Mensch im Jenseits von einem Anhänger der schwarzen Künste in Beschlag genommen wird, und wollten ihn davor beschützen.

In den griechischen und römischen Traditionen war die Furcht vor Geistern oder ruhelosen Toten ein häufiges Motiv für Zauberei. Man glaubte, dass der Geist von Menschen unter bestimmten Umständen eine Zeitlang an die irdische Welt gebunden blieb. In dieser Phase waren die Geister den Nekromanten schutzlos ausgeliefert, die sie für ihre eigenen bösen Absichten einspannen konnten. (tberg, 17.3.2023)