Robbie Williams spielt gleich zweimal in der ausverkauften Wiener Stadthalle.
Foto: APA / EVA MANHART

Einige heute in die Stadthalle gekommene Menschen werden das kennen. Im Verhältnis zu früher, und wir sprechen hier von mehr als 30 Jahren früher-früher, sind die Pobacken nicht mehr so knackig, dass man damit eine Bankomatkarte einklemmen könnte: die Schwerkraft und die Zellstruktur. Willkommen im Schlaffenland. Gut, dass das jemand einmal offen anspricht! Robbie Williams gibt sich beim ersten von zwei Konzerten in der Wiener Stadthalle bezüglich eines lange als Tabu geltenden, aber am Ende jeden von uns betreffenden Themas ebenso mutig und offenherzig, wie er auch über Höhen und Tiefen seiner Karriere spricht: Kokain (früher!), das Saufen (auch früher!), Nervenzusammenbrüche (damals!) oder seine Abend für Abend gefährdeten Brustwarzen (heute noch!).

Keine Sorge, zwischendurch wird Robbie Williams auch immer wieder stimmlich bestens aufgestellt alte Lieder wie "Let Me Entertain You", "Strong" oder "Come Undone" singen.
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Die würden ihm die frecheren weiblichen Fans während seines jetzt auch wieder einmal in Wien gern ausgeübten Kontaktsports vorn am Ende des Laufstegs immer wieder einmal gern auszuzupfen versuchen. Das wäre doch eine schöne Erinnerung für zu Hause auf dem Nachtkastl an die gemeinsam mit dem Idol der Jugend verbrachten Stunden. Mittlerweile sei es sogar so arg gekommen, dass selbst im nicht gerade für seine Emotionalität bekannten Hamburg Frauen noch tiefer und ihm an den kleinen Robbie gehen. In seinem Alter! Er ist doch ein treusorgender Familienvater!

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Stimmlich bestens aufgestellt

Keine Sorge, zwischendurch wird Robbie Williams auch stimmlich bestens aufgestellt alte Lieder wie "Let Me Entertain You", "Strong" oder "Come Undone" singen. Man hat ja schließlich Musik und nicht Stand-up-Comedy gebucht. Allerdings muss er zwischendurch eben auch minutenlang der Konzertdynamik nicht gerade zuträglichen Quatsch machen. So holt Williams etwa ein mit der Saalkamera aufgespürtes, auf ihrem "Scheißeplatz" oben im Juchhe seitlich schon eher hinter der Bühne tanzendes Mutter-Tochter-Gespann nach unten in die für die Brustwarzen und das Gemächt des Helden rote Zone – oder er schurigelt einen Mann auf der Saalflucht. Der wollte sich während des ein wenig Richtung Gay Porn weisenden alten Take-That-Videos aus den 1990er-Jahren, in dem man die erwähnten, damals noch für Bankomatkarten topfitten und mit Gelee eingeschmierten Pobacken von Robbie Williams bewundern durfte, heimlich ein Freizeitgetränk oder so holen.

Für das Auge und gegen die Saalflucht hat Robbie Williams auch entsprechende Schritte gesetzt. Sechs Tänzerinnen auf der Bühne wird im Scheinwerferlicht bald so heiß werden, dass sie sich – aber eh jugendfrei! – ein wenig ausziehen müssen, bevor sie zweckbefreit hin und her staksen. Normalerweise läuten da bezüglich alter Säcke mit jungen Frauen auf der Bühne sämtliche Alarmglocken. Da will jemand davon ablenken, dass die eigene Kunst vielleicht nicht mehr so relevant ist.

"Let Me Entertain You": Kennt der Mann tatsächlich das berühmte Albumcover seines steirischen Kollegen Andreas Gabalier?
Foto: APA/Eva Manhart

Zünftige Lautstärke

Das in einer weiten und gemütlichen Freizeithose steckende Hinterteil wird seine späten Tage möglicherweise bald bei nachmittäglichen Schlagerkonzerten für ein Publikum verbringen, das in die bestuhlten Konzerte gern zur Sicherheit eine Decke mitbringt. Es könnte ja kalt werden im Saal. Und ein spätes Mittagschlaferl zwischendurch ist ja auch immer drin, wenn die bis zu vier Gitarristen oben auf der Bühne nicht gerade einen Remmidemmi machen oder nicht so tolle neuere Nummern wie das Durchhaltelied "Love My Life" gespielt werden. Derisch ist man längst, die zünftige Lautstärke in der Stadthalle stört da gar nicht.

Auch Robbie Williams, der vor einem Vierteljahrhundert zumindest die Welt in Großbritannien und Mitteleuropa regierte, ist irgendwann in die Jahre gekommen. Allerdings weisen alte, selbstverständlich auf dem Programm stehende und von zwei Handvoll Musikerinnen in den Saal gewuchtete Titel wie "Rock DJ", "Angels" oder "Feel" auf eines hin: Im Vergleich zum heutigen Popregenten Harry Styles hatte Robbie Williams immer die besseren Songs.

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Ein neben den erwartbaren fröhlich-nostalgisch gestimmten Best-Agern sehr zahlreich erschienenes jüngeres Publikum dankt es ihm frenetisch und singt textsicher mit. Die späten 1990er- und frühen Nullerjahre waren schon sehr super. Man musste halt Boybands mögen. Die hatten immer einen bösen Buben dabei. Das war Robbie Williams, der spätere Harald Juhnke des Young-Adult-Pop – und in dieser Rolle ist er bis heute groß. Trotz fehlender aktueller Hits und bezüglich Drogen trocken wie sein Humor: Die Hallen sind noch immer voll. Die großen Hallen. Here we are now, entertain us. (Christian Schachinger, 17.3.2023)