Barbara Blaha will kein Positivbeispiel für das österreichische Bildungssystem sein.

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In einem Video und einem Essay sprach und schrieb Barbara Blaha, Herausgeberin des "Moment-Magazins" und Gründerin des arbeitnehmernahen Thinktanks Momentum-Institut, kürzlich über ihre erste Zeit an der Universität Wien. Anlass war ihre neue Funktion als Universitätsrätin der Universität Wien, für die Blaha von 2023 bis 2027 bestellt wurde.

Immer wieder werde ihr gesagt, sie sei ein Beispiel einer "Erfolgsstory" für das österreichische Bildungssystem. Dagegen wolle sie sich aber verwehren, so Blaha, die 2009 ein Germanistikstudium an der Uni Wien abschloss. Als Arbeiterkind sei sie vielmehr die Ausnahme von der Regel, wie Blaha in ihrem Essay schreibt. Fehlende Möglichkeiten wie Nachhilfe, Sprachreisen oder konkrete finanzielle Unterstützung würden zu völlig anderen und schlechteren Bedingungen für Arbeiterkinder führen.

Video mit konkretem Beispiel

In einem Video des "Moment-Magazins" erzählt Blaha ergänzend zu dem Essay sehr persönlich von ihrem ersten Tag an der Universität Wien, als sie an der Suche nach einem Seminarraum verzweifelte. Nicht einmal dazu sei sie fähig, beschreibt Blaha in dem Video ihren damaligen Eindruck der "permanenten Überforderung".

Das Video löste viel Resonanz aus. Viele User, deren Eltern ihnen auch nicht mit eigenen hochschulspezifischen Erfahrungen oder Geld weiterhelfen konnten, reagierten positiv. Sie berichteten von ähnlichen Erfahrungen mit Selbstzweifeln, einem Gefühl von Deplatzierung.

Auf der anderen Seite gab es viel Kritik und Häme im Hinblick auf das konkrete Beispiel, mit dem Blaha ihren ersten Uni-Tag beschrieb. Sie hätte einfach lieber einmal früh dran sein sollen, oder: Auch Akademikerkinder seien nicht mit einem Lageplan der Uni auf die Welt gekommen. Jemand anderer schreibt von "herbeigeopferter imaginärer 'sozialer Klasse'". Andere User kommentieren das Video damit, was sie ebenfalls nicht wussten, als sie an die Uni kamen. Man müsse halt leisten, wie alle anderen, lautet bei anderen der Tenor.

Keine Role-Models

"In manchen der Reaktionen versteckt sich eine gehörige Portion Klassismus", sagt Blaha auf Nachfrage des STANDARD. So sei nicht "die unfaire Verteilung von Lebens- und Bildungschancen das Problem, sondern die Armutsbetroffenen selbst". Die sollen sich anstrengen und gefälligst nicht auch noch jammern, sagt Blaha.

In dem Video sei es ihr darum gegangen zu zeigen, wie schwer es für Menschen aus armen Familien ist, auf der Uni "anzukommen". Natürlich hätten auch viele andere an der Uni Startschwierigkeiten, doch was für manche "eine Kleinigkeit ist, ist für andere eine existenzielle Frage: Sie zweifeln, ob sie hierher gehören", so Blaha. Sie hätten niemanden in der Familie, der helfen oder ein Role-Model sein könnte. Es sei daher kein Zufall, dass Kinder aus Akademikerhaushalten eine dreimal höhere Chance haben, auf der Uni zu landen, als Arbeiterkinder.

Frühe Weichenstellung

In ihrem Essay erzählt Blaha von der Selektion in der Volksschule. Ihre damalige Lehrerin habe befunden, dass das Gymnasium "eher nichts für sie sei". Noten hatte sie allerdings sehr gute, schreibt Blaha.

Im internationalen Vergleich wird in Österreich mit dem Wechsel von der Volksschule an ein Gymnasium oder eine Mittelschule schon sehr früh eine wesentliche Entscheidung über den weiteren Bildungsverlauf von Kindern gefällt. Obwohl auch der Wechsel von einer Mittelschule an eine weiterführende Schule möglich ist, hängt dies noch immer zentral von den Bildungsabschlüssen der Eltern ab. Das zeigte kürzlich die Studie "Wege in die Zukunft" der Universität Wien. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit eines solchen Wechsels höher, wenn die Eltern einen höheren Bildungsabschluss haben – unabhängig von den Noten.

Bildung als Erbe

Laut Zahlen der Statistik Austria schaffen 57 Prozent der Kinder mit Eltern, die einen Uni-Abschluss haben, ebenfalls einen solchen. Doch nur sieben Prozent der Kinder von Eltern, die einen Pflichtschulabschluss haben, machen später einen Hochschulabschluss.

Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird in Österreich Bildung stärker vererbt als in anderen Ländern. Das könnte allerdings nur für die heutigen Erwachsenen und deren Eltern gelten – über die Auswirkungen des aktuellen Bildungssystems könne diese Aussage nicht getroffen werden. (Beate Hausbichler, 17.3.2023)