Ein ABC ohne A sähe lächerlich verstümmelt aus.

Foto: imago images/Panthermedia

Das ALBUM dieser Woche steht ganz im Zeichen des A. Ein schöner Anlass, zu reflektieren, wozu dieser Vokal, den wir ständig unbedacht im Munde führen, denn eigentlich taugt. Vorweggenommene Antwort: Zu vielem – der Nutzwert des A ist enorm. Man müsste es erfinden, wenn es nicht bereits existierte.

Gleich am Anfang des Alphabets macht es gute Figur (schaut aus wie eine süße kleine Leiter). Ja, mehr noch: Ein ABC ohne A sähe sich umgehend zu einem ebenso nutzlosen wie lächerlichen BC verstümmelt. Zu Recht nennen die Gebrüder Grimm das A den "edelsten, ursprünglichsten aller Laute, aus Brust und Kehle voll erschallend". Jawohl! Weder E noch I noch O oder U können dem A ästhetisch das Wasser reichen.

Erstaunens und Bewunderung

Ungemein praktisch ist das A als Ausdruck des Erstaunens und der Bewunderung ("Ah! Der Eiffelturm!", "Ah! Die Niagarafälle!" etc.), wobei es sich in dieser Funktion problemlos mit einem O kombinieren lässt ("Oh! Ah! Der Großglockner!"). Unabdingbar ist es, "aus Brust und Kehle voll erschallend", als lautlicher Marker beim Geschlechtsakt, um das Kopulationsgeschehen zu rhythmisieren und die Partnerin bzw. den Partner über das jeweils erreichte Niveau der subjektiven Gamsigkeit zu informieren. Auch hier ist das A dem spitzen I, das im Bett immer leicht zickig wirkt, haushoch überlegen.

In verdoppelter Form ("A-a") hilft es dem Kleinkind dabei, die Eltern ohne Zuhilfenahme schwer artikulierbarer Konsonanten von seinem Stuhldrang in Kenntnis zu setzen; als Tripel-A wiederum weist es elegant auf die Bonität von Gläubigern hin bzw. dient als klangschöner Auftakt von Volksliedern ("A, a, a, der Winter, der ist da"). Als Wienbewohner mit westlichem Migrationshintergrund schätze ich das A zudem als Schibboleth, als Erkennungszeichen unter Vorarlbergern, die sich einer spezifisch offenen A-Aussprache befleißigen, die nur unsereins beherrscht.

Marineblauer Letter

Ein Letztes noch. Vom Dichter Rimbaud gibt es ein berühmtes Gedicht, Voyelles, in dem Rimbaud den Vokalen Farben zuordnet: A ist schwarz, E weiß, I rot, U grün und O blau. So leid es mir tut, aber ich muss widersprechen. Das A ist keineswegs schwarz, sondern blau, marineblau, um genau zu sein. Nicht auszuschließen freilich, dass es sich da um eine Geschmackssache handelt. (Christoph Winder, 18.3.2023)