Eine andere SPÖ sei möglich, erklärte die SJ schon vor über 15 Jahren.

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63 Jahre. So alt sind die Mitglieder der SPÖ, die nun über die Zukunft der Partei befragt werden, im Durchschnitt. Was sagt eigentlich die Parteijugend dazu, dass die Sozialdemokraten einen derartigen Altersüberhang und überhaupt mit rund 140.000 Mitgliedern weniger Mitgliedschaften verzeichnen als die katholische Kirche. Und: Fühlen sie sich innerhalb der Partei genügend gehört?

Alexander Ackerl, Chef der Wiener Jungen Generation (JG).
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DER STANDARD sprach darüber mit Alexander Ackerl, dem Chef der Jungen Generation (JG) Wien, und Paul Stich, dem Vorsitzenden der Sozialistischen Jugend Österreich (SJ) und Mitglied des SPÖ-Bundesparteivorstands. Dass Parteien in Sachen Mitglieder einen "schweren Stand haben", betreffe derzeit alle Parteien, findet Ackerl. "Es gibt extrem viele Möglichkeiten, wo man als junger Mensch sein Geld ausgeben kann, man denke nur an die Streaming-Plattformen und Fitnesscenter. Zudem haben junge Leute wenig Geld."

Vergifteter Diskurs

Und dann sei da noch das grottenschlechte Image der Politik und des in ihr gepflegten Stils. Die Schuld daran sei aber nicht gleichmäßig auf die Schultern diverser Parteien verteilt, betont Ackerl: Die FPÖ "vergiftet den Diskurs in einer nicht endenwollenden Spirale der Popularisierung und einer Sprache mit gewaltvollen Ausdrücken". Und die ÖVP "stellt seit Jahrzehnten einen absoluten Machtanspruch und ist in zahlreiche Korruptionsaffären verwickelt".

Doch zurück zu den Problemen der eigenen Partei: Sowohl Ackerl als auch Stich drohen zwar nicht, sich wie der niederösterreichische SPÖ-Chef Sven Hergovich bezüglich der dortigen Koalitionsverhandlungen die Hand abzuhacken, ehe sie sich in der jetzigen Situation für Hans Peter Doskozil oder Pamela Rendi-Wagner aussprechen. Man fürchtet eher, dass sie sich die Zunge abbeißen könnten. "Wir wünschen uns eine solidarische, freundschaftliche Debatte, in der vor allem auch die Inhalte und die Einheit der Sozialdemokratie gewahrt bleiben müssen", formuliert es Ackerl. "Im Idealfall gehen wir gestärkt aus dieser Situation heraus."

"Keinen Profit mit Grundbedürfnissen machen"

Die Themen liegen mit Wohnen, der Teuerung und Bildung für Ackerl und Stich "auf der Straße": Der Staat müsse etwa am Wohnungsmarkt regulierend eingreifen, Leerstände müssten mit Abgaben belegt, ein Mietendeckel geschaffen werden, sagt Ackerl, der durchaus stolz auf die Geschichte des sozialen Wohnbaus "seiner" Stadt hinweist.

Paul Stich, Vorsitzender der Sozialistischen Jugend Österreich (SJ).
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"Man darf mit Grundbedürfnissen wie Lebensmitteln und Energie keine Profite machen", resümiert Paul Stich. "Die Konsequenzen der schwarz-blauen Privatisierungspolitik sieht man – denen, die das Land am Laufen halten, geht es nicht besser, im Gegenteil." Das Problem sei, dass "die Leute, die jeden Tag buckeln und hackeln, nicht uns als Alternative sehen, sondern die Blauen".

Stich glaubt, dass die Parteijugend sehr wohl auch Einfluss ausüben könne, das habe man zum Beispiel am innerparteilichen Schwenk in der Staatsbürgerschaftsdebatte gesehen, als die SJ einen Antrag einbrachte: "Man kann durchaus Sachen bewegen."

Das Fragezeichen an der Spitze

Und wer soll dabei künftig an der Spitze stehen? Sowohl Ackerl als auch Stich betonen, dass sie es begrüßen würden, wenn eine dritte Person in den Ring steigen würde. "Es geht vor allem darum, dass alle jene, die glauben, dass sie das gut können, ihre Programme vorlegen. Wenn sie eine Aufbruchsstimmung erzeugen wollen, sollen sie ihren Hut in den Ring werfen", sagt Stich. Es gehe immer auch um das Programm und das Team hinter einer Person.

Namen aus der SPÖ kommen Stich wie gesagt keine über die Lippen, aber sehr jung müsse diese Person nicht unbedingt sein.

Der demokratische Senator von Vermont, Bernie Sanders, begeistert auch in Österreich.
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Das zeige einer, den sowohl Stich als auch Ackerl in ihren jeweiligen Gesprächen mit dem STANDARD rasch als Vorbild nennen: der demokratische Senator von Vermont, Bernie Sanders, samt seiner diversen Bewegung, die nicht nur auf seine Person allein zugeschnitten war.

"Mit herrschender Macht brechen"

"Sanders ist alt, aber begeistert viele tausende junge Menschen", schwärmt Stich, für den das Ziel sein muss, mit einer "klaren Vision mit der herrschenden Macht zu brechen" und "vom System zur Alternative zu werden". Doch auf das Vertrauen in der Bevölkerung müsse man "einzahlen wie auf ein Bankkonto. Das wird kein Prozess, der von heute auf morgen entsteht, das ist eine tiefergehende Herausforderung", ist sich Stich sicher. Dass sich junge Linke in anderen Parteien wie Links Wien oder der KPÖ in der Steiermark zusammenfinden, grämt Ackerl nicht, im Gegenteil. "Ich bin grundsätzlich sehr dankbar für jedes Engagement links, weil diese Leute alle sehr solidarisch sind und auf den Diskurs auf gute Art einwirken."

Aber natürlich wäre es gut, "diese Leute für die SPÖ zu mobilisieren, um gemeinsam gute linke Politik zu machen und deutlich unsere Gegner zu benennen", konkret jene, "die nur Interessen des Kapitals vertreten und Fremdenhass schüren, obwohl wir gerade jetzt alle zusammenhalten sollten". Ackerl spüre aber in den letzten Monaten auch einen Zuwachs bei der JG Wien, es wollten sich vor allem durch die Klimakrise wieder mehr junge Menschen engagieren.

Wenn man es richtig mache, stünden die Zeichen auf Rot, ist Ackerl überzeugt: "Es ist alles angerichtet für ein sozialdemokratisches Jahrzehnt in Österreich." (Colette M. Schmidt, 17.3.2023)