Keine Lust auf Führung? Das kann man jungen Menschen nicht pauschal unterstellen. Sie wollen aber anders führen als die Generationen vor ihnen.

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"Arbeitet für einen Millennial- oder noch besser einen Gen-Z-Boss", rät eine junge Frau auf Social Media ihren Followern. Mehr als 750.000 Likes zählt ihr Beitrag auf der Videoplattform Tiktok. Unter dem Hashtag #MillennialBoss schwärmen Nutzerinnen und Nutzer in kurzen Videobeiträgen von ihren jungen Vorgesetzten. Es sei ein Unterschied wie Tag und Nacht zu ihren ehemaligen Boomer-Chefs. Der Führungsstil der Jungen sei geprägt von Empathie und Wertschätzung – Werte, die sie bislang seitens ihrer älteren Vorgesetzten vermisst hätten.

Diese Beobachtung deckt sich auch mit den Wünschen, die junge Menschen in zahlreichen Umfragen zum Thema Führung nennen. Auf die Frage, welche Eigenschaften eine gute Führungskraft für sie auszeichnet, antworten sie mit Einfühlsamkeit gegenüber Anliegen und Problemen der Mitarbeitenden, kommunikativer Kompetenz und einer guten Feedbackkultur sowie überlegtem Handeln.

Das ergab zuletzt eine groß angelegte Befragung des Instituts für Jugendkulturforschung von 1000 Österreicherinnen und Österreichern zwischen 16 und 29 Jahren. "Die Jungen rücken vom gängigen Macher-Klischee ab und setzen auf hohe soziale und kommunikative Kompetenz", kommentiert Jugendkulturforscher Bernhard Heinzlmaier die Studienergebnisse.

Keine Lust auf Führung?

Aber wollen junge Menschen überhaupt noch führen? Die sogenannte Hustle-Culture nach dem "Höher, schneller, weiter"-Prinzip hat für viele nämlich ausgedient. Die genauen Vorstellungen und Forderungen des Nachwuchses machen es für Personalberatungen zunehmend schwieriger, bestimmte Positionen zu besetzen. Charlotte Eblinger, Geschäftsführerin der Personalberatung Eblinger & Partner, nimmt dies seit geraumer Zeit wahr. Heute brauche sie doppelt so lange Stellen zu besetzen, als noch vor einigen Jahren, erzählt sie im Gespräch mit dem STANDARD.

Denn wenn es für sie nicht passt, scheuen sich junge Leute heutzutage nicht, das Unternehmen wieder zu verlassen. Sie leben weniger Loyalität und dafür mehr Selbstverwirklichung. Diesen Wandel stellt auch Diana Huber in ihrem Job als Karriereberaterin fest. Von Kundinnen und Kunden der Generation Z, also nach Mitte der Neunzigerjahre Geborene, hört sie oft die gleichen Anforderungen für den nächsten Job: Die Aufgaben müssen Spaß machen, die Kollegenschaft soll angenehm sein, und es soll viel Freiraum zur Entfaltung geben. Manche würden zwar führen wollen, aber seien nicht bereit, den Preis dafür zu zahlen, sagt sie.

Bewusste Entscheidung

Komplett abgeschrieben haben das Thema Führung jedoch nicht alle Mitglieder der Generationen Y und Z, wie auch ein Aufruf über die Social Media-Kanäle des STANDARD zeigt. Während manche von ihnen schon in der Schulzeit gerne die Leitung bei Projekten übernommen haben, sind andere eher durch Zufall zu ihrer ersten Führungsrolle gekommen. Dennoch steht für sie alle fest, dass der Job genau der Richtige für sie ist. Auch wenn das manchmal bedeutet, in Hinblick auf die Work-Life-Balance und die Abgrenzung vom Job Abstriche machen zu müssen. Es sei eine bewusste Entscheidung gewesen, Verantwortung tragen zu wollen und selbst das Arbeitsleben mitzugestalten, begründen sie ihren beruflichen Werdegang in Zusendungen und Gesprächen.

Für die Vorbehalte gegenüber Führungsjobs vieler Gleichaltriger haben sie dennoch Verständnis. "Ich habe gleich gesagt, dass ich in die Leitungsposition zunächst nur in Teilzeit und mit Unterstützung einer älteren Kollegin einsteigen werde", berichtet einer von ihnen. Vom Image des Big Boss, der oder die im Alleingang über die Köpfe der Beschäftigten hinweg entscheidet, halten auch sie nicht viel. Doch anstatt sich von dem Bild der distanzierten Führungskraft abschrecken zu lassen, wollen sie alte Strukturen aufbrechen.

Arbeiten auf Augenhöhe

Eine Herausforderung, die dabei vielen von ihnen begegnet, ist auch der Umgang mit Mitarbeitenden anderer Generationen. "Meine ältere Arbeitskollegin braucht viel mehr Struktur und Autorität im Alltag, während ich eine flache Hierarchie leben will", sagt eine junge Führungskraft. Von Sätzen wie "Das haben wir aber schon immer so gemacht" wollen sich die Jungen aber keinesfalls entmutigen lassen.

Vielmehr gehen sie in ihrer Führung auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Beschäftigten ein: "Ich führe großteils Menschen der älteren Generation und habe erlebt, dass man sie in ihren Werten dort abholen muss, wo sie stehen – ohne zu urteilen, zu belächeln oder zu entwerten", berichtet ein anderer. "Viele Dinge und Arbeitsweisen hatten damals ihre Berechtigung und ich sehe es als meine Aufgabe, sinnstiftend zu vermitteln, warum eine Veränderung wichtig ist", fährt er fort.

Und was genau machen die Jungen nun anders als ihre älteren Vorgängerinnen und Vorgänger? Besonders wichtig ist ihnen das Arbeiten und Kommunizieren auf Augenhöhe. Einige lehnen deshalb sogar den Begriff "Chefin" oder "Chef" für sich ab, bezeichnen sich als Kollegin oder Kollege und sehen sich vor allem als Teil ihres Teams und beziehen dieses auch in Entscheidungen ein. Ambitioniert sind sie dennoch, viele von ihnen wollen die Karriereleiter künftig noch weiter erklimmen. (Anika Dang, 20.3.2023)