Marderhunde stehen als Überträger des Coronavirus auf Menschen im Verdacht.
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Im Anfang war der Laborunfall: Diese Vermutung zum Ursprung der Corona-Pandemie wurde noch im Februar von einem US-Geheimbericht unterstützt. Der Report unterstrich allerdings die "geringe Gewissheit" seiner Antwort.

Nun schlägt das Pendel wieder in Richtung des natürlichen Überspringens des Virus aus. Bisher unbekannte DNA-Proben vom Tiermarkt in Wuhan deuten darauf hin (DER STANDARD berichtete). Wobei die Natürlichkeit der Übertragung relativ ist. Immerhin wurden auf dem noch immer geschlossenen Tiermarkt auf engem Raum so viele Tiere gesammelt und gehandelt, dass eine Übertragung von Erregern von einer Spezies auf die nächste wesentlich wahrscheinlicher ist als in freier Wildbahn.

Der Verdächtige, der nun im Scheinwerferlicht steht, ist der Marderhund, auch Enok genannt. Zu den kuscheligen Kriegern aus dem "Star Wars"-Universum, den Ewoks, ist es nur ein buchstabenweiter Sprung. Fans des Spiels "Animal Crossing" kennen den geldgierigen Hausverkäufer Tom Nook als prominenten Vertreter (sein Name ist eine Anlehnung an die japanische Bezeichnung des Tiers, Tanuki). Wie der Waschbär trägt dieser Marderhund eine Gesichtsmaske, die als ästhetische Zeichnung freilich keinen Schutz vor Viren bietet. Enger verwandt ist er aber mit Wölfen und Füchsen.

Anspruchslos und gemütlich

Auch den Fuchsbandwurm und das Tollwut auslösende Virus kann der Marderhund übertragen. Er wird daher von Parasitologinnen und Epidemiologen skeptisch beäugt. Denn längst hat sich die aus Ostasien stammende Spezies in Österreich angesiedelt. Ab dem 19. Jahrhundert wurde sie in Westrussland ausgesetzt, um ihr des Pelzes wegen an den Kragen zu gehen. Der Weg nach Westen stand den scheuen, nachtaktiven Tieren frei. Noch immer sind sie auf dem Vormarsch.

Das hängt auch damit zusammen, dass sie in Sachen Speiseplan und Umgebung recht anspruchslos sind. Von Obst und Nüssen bis hin zu kleineren Tieren diverser Arten fressen sie nahezu alles, im Sommer und Herbst aber vor allem pflanzliche Kost. Klettern ist ihnen zu mühsam, in sehr kalten Gefilden legen sie Winterruhe ein.

Nat Geo WILD

Bevorzugt leben sie in Wäldern und auf Wiesen, übernehmen den einen oder anderen Fuchsbau als Nachmieter. Monogam tun sie sich fürs ganze Leben, das in freier Wildbahn meist sechs bis acht Jahre dauert, mit einem Partner zusammen. Vater und Mutter ziehen die Welpen gemeinsam auf.

Kaum natürliche Feinde

So sympathisch die gemütlichen Säugetiere wirken: Ihre Flexibilität könnte die Lebensräume, die sie als Neozoen neu besiedeln, unter Druck setzen. Dies müsste besser erforscht werden. Natürliche Feinde haben sie kaum, denn Wölfe und Bären stehen hier allzu oft auf der Abschussliste. Auch Enoks dürfen legal geschossen werden. Während man in Österreich ein paar Dutzend Exemplare im Jahr erlegt, geht die Zahl in Deutschland in die Zehntausende.

Womöglich stellen die Allesfresser aber im Gegensatz zu anderen Neozoen auch ein geringes ökologisches Risiko dar, wie etwa der Zoologe Frank Wörner annimmt. Klar dürfte aber sein: Da es sich um einen durchaus charismatischen Einwanderer handelt, steht man ihm wohlwollender gegenüber als etwa der Asiatischen Tigermücke. (Julia Sica, 18.3.2023)