Die erste Maßnahme der schwarz-blauen Landesregierung war es offenbar, das Lächeln zu verbieten. Das sei keine "Liebeshochzeit", hatten die Parteien schon erklärt, bevor sie sich am Freitag auf eine Zusammenarbeit geeinigt hatten. Bei der Präsentation des Pakts herrschte dann auch Begräbnisstimmung: Keinem der anwesenden Politikerinnen und Politiker kam ein Lächeln über die Lippen. Mit versteinerten Mienen standen das schwarze und das blaue Verhandlungsteam neben ihren Parteispitzen.

Die Verhandlungsteams von Schwarz und Blau hatten offenbar nichts zu lachen.
Foto: apa / helmut fohringer

Volkspartei und Freiheitliche versuchen einen eigenartigen Spagat. Sie wollten eigentlich nicht zusammenarbeiten – und diesen Eindruck auch vermitteln: Zu heftig waren die Angriffe im Wahlkampf, zu oft hatte man die andere Partei der eigenen Wählerschaft als Feindbild präsentiert. Gleichzeitig mussten Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und FPÖ-Chef Udo Landbauer am Freitag auch die Botschaft anbringen: Wir haben ein gutes Programm erarbeitet. Schwarz-Blau soll "Niederösterreich auf seinem Erfolgsweg weiterbringen", sagte Mikl-Leitner. Man kämpfe "für die Bevölkerung", sagte Landbauer.

Die Roten sind schuld

Schuld an der schwarz-blauen Zusammenarbeit soll die Sozialdemokratie haben. "Ich kann es nicht anders sagen: Dieser Prozess, diese Verhandlungszeit, wurde von der SPÖ Niederösterreich als öffentliche Zirkusshow gestaltet", sagte Mikl-Leitner. "Ja, für diese Herren war das nur ein Spiel." Mit "ideologischen Forderungen" hätten sie eine Koalition verunmöglicht.

Das innerhalb einer Woche ausverhandelte schwarz-blaue Papier soll "ein Kontrastprogramm darstellen dazu, wie derzeit in Eisenstadt, in Wien oder in Berlin Politik gemacht wird", ätzte Mikl-Leitner gegen rot regierte Städte. Ihre Arbeit soll "Leistungsträger", Familien, Unternehmen und Landwirte in den Mittelpunkt stellen. Im Pakt enthalten ist auch ein "Bekenntnis zum Verbrennungsmotor und zum Individualverkehr".

Womöglich war es der Krach mit der SPÖ, der bei Mikl-Leitner zu einer Provinzialisierung geführt hat – denn auf die Frage nach Umweltthemen in der Verkehrspolitik antwortete sie einem Journalisten: "Ich weiß ob Ihres Akzents nicht, ob Sie Niederösterreicher sind." Niederösterreich sei ein Flächenbundesland, in dem viele Menschen aufs Auto angewiesen seien. Das weiß offenbar nur, wer akzentfrei Niederösterreichisch spricht.

Jüdischer Zuspruch

Ausweichend reagierte die Landeshauptfrau auf den Protest von Oskar Deutsch, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), wegen der Nähe der FPÖ zum Rechtsextremismus. Sie kenne Deutsch schon lange, und er wisse, "dass mir die Anliegen der jüdischen Gemeinschaft wichtig sind". Aus dieser Community habe sie aber auch Verständnis für die Koalition mit den Freiheitlichen erfahren, sagte sie.

Udo Landbauer muss seiner Basis erklären, warum er Johanna Mikl-Leitner nun doch zur Landeshauptfrau macht.
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Udo Landbauer versuchte bei der Präsentation, den Bruch seines Wahlversprechens wegzuerklären: Er hatte ja vor und nach der Wahl zugesichert, Mikl-Leitner nicht zur Landeshauptfrau zu wählen. Um die Koalition zu ermöglichen, bedient sich die Partei nun eines Tricks: Sie wählt ungültig, wodurch Mikl-Leitner die Stimmen der ÖVP im Landtag reichen.

Waldhäusl abgesetzt

"Wir hätten es uns einfach machen und den Weg des geringsten Widerstands gehen können", sagt Landbauer dazu. Doch "es gibt einen Moment, da springt man über seine Schatten, krempelt die Ärmel hoch und korrigiert etwaige Fehler, die gemacht wurden", sagt der künftige Landeshauptfrau-Stellvertreter.

Sein Regierungsteam hat Landbauer umgebaut: Der bisherige Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl wird aus der Regierung entfernt. Waldhäusl wird künftig Zweiter Landtagspräsident. Neben Landbauer sitzen Susanne Rosenkranz mit der Zuständigkeit für Arbeit und Christoph Luisser (Sicherheit und Asyl). Klubobmann wird der Kickl-Vertraute Reinhard Teufel.

"Korrupte schwarz-blaue Koalition"

Scharfe Kritik an dem Deal übten alle anderen Parteien. "Kickl, Waldhäusl, Landbauer, die gesamte FPÖ stehen für eine menschenverachtende Politik und Hetze", sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Der grüne Vizekanzler Werner Kogler fragt sich, wie die von Mikl-Leitner gewünschte gesellschaftliche Versöhnung "an der Seite jener gelingen soll, die Erdbebenopfer verunglimpfen, Jugendlichen ihre österreichische Heimat absprechen und Nazi-Liederbücher verherrlichen".

Und Neos-Generalsekretär Douglas Hoyos warnte "vor der drohenden Rückkehr der rechtspopulistischen und korrupten schwarz-blauen Koalition auch im Bund und nach der Landtagswahl in Salzburg".

Karas "bedauert" Koalition

Kritik kam auch aus der ÖVP: "Als Niederösterreicher bedauere ich, dass es zu einer Einigung mit der FPÖ gekommen ist", erklärte EU-Parlamentarier Othmar Karas. "Landbauer und Waldhäusl übertrumpfen einander mit Gedankengut, das mit dem Menschenbild der ÖVP unvereinbar ist." Er wolle aber auch die SPÖ nicht aus der Verantwortung entlassen, die Taktik über das Land gestellt habe.

Mikl-Leitner und Landbauer gehen einen Pakt ein, den beide ursprünglich nicht wollten.
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Aber auch innerhalb der schwarzen und der blauen Landespartei sorgt das Arbeitsübereinkommen nicht für Luftsprünge. Der Unmut geht über die üblichen inhaltlichen Kompromisse hinaus. Die ÖVP hat nie geleugnet, dass sie lieber mit der SPÖ zusammengearbeitet hätte, sie ist ja auch zuerst auf die Sozialdemokratie zugegangen. Ulrike Mühl-Hittinger, ÖVP-Bürgermeisterin in Deutsch-Wagram, ist jedenfalls "nicht begeistert" über Schwarz-Blau im Land. "Udo Landbauer gehört sicherlich nicht zu meinen persönlichen Sympathieträgern", sagt sie – doch am Ende sei das Sache der FPÖ. Die Bürgermeisterin vertritt aber die Ansicht der Landespartei, dass die SPÖ an allem schuld sei: Nachdem die Roten die "Tür zugeschlagen" hätten, müsse man nun eben mit der FPÖ zusammengehen.

Schwierige Argumentation für Landbauer

"Keiner will mit den Blauen zusammengehen, aber was willst du machen?", sagt ein kundiger Schwarzer. Gerade deshalb waren beide Seiten überrascht, wie geschmeidig die schwarz-blauen Verhandlungen abgelaufen waren: Während die SPÖ ständig verzögert hätte, wäre es mit der FPÖ in wertschätzendem Klima und effizient vorangegangen. So erzählt es zumindest einer aus der Volkspartei.

Den größten Erklärungsbedarf gegenüber seiner Basis hat aber FPÖ-Chef Landbauer. Auch wenn die blauen Abgeordneten in der konstituierenden Landtagssitzung am kommenden Sonntag nun tatsächlich kein "Ja" bei Mikl-Leitners Namen ankreuzen, ermöglichen sie die Landeshauptfrau faktisch. Zuerst ein Feindbild aufzubauen und es dann an die Macht zu hieven: Das muss Landbauer erst einmal argumentieren.

"Darüber kann man nicht einfach hinwegsehen"

Harald Kager hoffte bis zuletzt, dass die schwarz-blauen Gespräche noch platzen würden. "Sie wird hoffentlich nicht zustande kommen", sagte der freiheitliche Gemeinderat aus Hochneukirchen-Gschaidt kurz vor Abschluss der Verhandlungen zum STANDARD. Warum? "Weil es eine Bedingung war, dass wir mit der Mikl-Leitner keine Koalition eingehen", sagt der Kommunalpolitiker. "Drüber kann man nicht einfach hinwegsehen", sagt Kager.

Die FPÖ kann es wohl doch. Besiegelt wird Schwarz-Blau in der kommenden Woche. Am Donnerstag wird Mikl-Leitner im Landtag erneut zur niederösterreichischen Landeshauptfrau gewählt. (Sebastian Fellner, 17.3.2023)