UBS könnte Credit Suisse schlucken.

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Bern/Zürich/New York – In der Schweiz beraten Banken, Behörden und Regierungsmitglieder unter hohem Zeitdruck über die Rettung der angeschlagenen Großbank Credit Suisse. Medienberichten zufolge streben alle Seiten eine Übernahme der Credit Suisse durch die größte Bank UBS an, bevor die Börsen am Montag öffnen. Die Credit Suisse lehnte aber nun offenbar ein Angebot der UBS ab.

Die UBS hatte laut "Financial Times" (FT) zuvor angeboten, die Credit Suisse für bis zu eine Milliarde Dollar zu kaufen, am Abend wurde laut einem unbestätigten Bericht ebenfalls in der FT das Angebot aus zwei Milliarden US-Dollar angehoben.

Die Schweizer Regierung plante demnach, die Gesetze des Landes zu ändern, um eine Abstimmung der Aktionäre über die Transaktion zu umgehen. Die Nachrichtenagentur "Bloomberg" berichtete aber kurze Zeit später, Credit Suisse wehre sich mit Unterstützung seines größten Aktionärs gegen das Angebot.

Der vorgeschlagene Aktientausch zwischen den beiden Banken in der Schweiz sollte der Financial Times zufolge bereits am Sonntagabend unterzeichnet werden. Der Preis für die Transaktion hätte aber nur einen Bruchteil des Schlusskurses der Credit Suisse vom Freitag betragen.

Staatsgarantien gefordert

Die UBS fordere Insidern zufolge umfangreiche Staatsgarantien für die mögliche Notübernahme der Credit Suisse. Es gehe um eine Größenordnung von rund sechs Milliarden Dollar, sagte eine mit der Sache vertraute Person am Samstag. Abhängig von den Bedingungen der Transaktion seien aber auch höhere oder geringere Beträge möglich. Am Samstag trat auch die Schweizer Regierung in Bern zu einer Sondersitzung zusammen.

Die von der UBS reklamierten Garantien würden die Kosten für die Abwicklung von Teilen der Credit Suisse und mögliche weitere bisher nicht bekannte Risiken abdecken, sagten zwei mit der Angelegenheit vertrauten Personen. Mit einer Übernahme soll die Vertrauenskrise rund um die krisengeplagte Credit Suisse ausgeräumt werden.

Einstieg des Schweizer Staates als Alternative

Die Schweizer Aufsichtsbehörden bemühen sich, noch vor dem Marktstart am Montag eine Lösung für die Credit Suisse zu finden. Verhandlungen liefen zuletzt laut einem der Insider zäh. Eine Reihe von Punkten seien noch nicht geklärt. So gingen die Meinungen darüber auseinander, was mit der Investmentbank der Credit Suisse passieren solle. Ein weiterer Stolperstein sei der Personalabbau. Es gehe um rund 10.000 Jobs, die meisten dürften auf Credit-Suisse-Mitarbeiter entfallen.

Eine mögliche Alternative zur Übernahme durch die UBS sei der Einstieg des Schweizer Staates. Sprecher der Credit Suisse, der UBS und des Schweizer Finanzministeriums lehnten eine Stellungnahme ab.

Die Deutsche Bank sei ebenfalls am Erwerb von Teilen der Credit Suisse interessiert, sagte eine der Personen. Allerdings könnte eine Vereinbarung mit dem deutschen Geldhaus länger dauern. Ein Sprecher des deutschen Instituts lehnte eine Stellungnahme ab. Über ein Interesse der Deutschen Bank hatte zuvor bereits die Agentur "Bloomberg" berichtet.

Credit Suisse Aktien legten zu

Um die mit einem massiven Vertrauensschwund kämpfende Bank wieder in die Spur zu bringen, drängten die Schweizer Regulatoren die UBS einem Insider zufolge, ihren kleineren Rivalen ganz oder in Teilen zu schlucken. Der Zusammenschluss der beiden Banken sei der "Plan A" der Finanzmarktaufsicht Finma und der Schweizerischen Nationalbank (SNB), schrieb auch die "Financial Times". Auch US-Behörden arbeiten der Agentur Bloomberg zufolge gemeinsam mit den Schweizer Behörden daran, dass die Schweizer Großbank UBS die Credit Suisse als Ganzes oder in Teilen übernimmt.

Nachbörslich legten die Aktien der Credit Suisse neun Prozent zu. Ein Kauf der Credit Suisse durch die UBS wäre der bedeutendste Bankenzusammenschluss in Europa seit der Finanzkrise. Eine Fusion dieser Größenordnung würde normalerweise Monate dauern. Der UBS blieben nur einige Tage Zeit. Sie hatte sich lange dagegen gesträubt – laut "Blick" wurde jedoch der Druck, eine rasche Lösung zu finden, zu groß. Für das Wochenende seien getrennte Treffen der Verwaltungsräte der beiden Firmen angesetzt worden, um über das Thema zu beraten, berichtete die "Financial Times". Darüber hinaus lägen weitere Optionen auf dem Tisch. Die SNB habe zum Ziel, dass sich die Parteien bis zum Handelsstart am Montag auf eine geradlinige Lösung einigten. UBS und Credit Suisse lehnten eine Stellungnahme zu dem Bericht ab.

Flucht von Privatkunden

In einem zweiten Bericht der "Financial Times" hieß es, der Fondsriese BlackRock arbeite an einer Konkurrenzofferte für die Credit Suisse. Ein Sprecher des US-Konzerns erklärte dazu: "BlackRock ist nicht an Plänen beteiligt, die Credit Suisse ganz oder teilweise zu übernehmen, und hat auch kein Interesse daran."

Credit Suisse ist das weltweit größte Geldhaus, das in den Strudel der untergegangenen US-Institute Silicon Valley Bank (SVB) und Signature Bank geriet, obwohl sie bei SVB selbst kaum etwas im Feuer hat. Mitte der Woche musste die 167 Jahre alte Schweizer Bank Notfallkredite der SNB im Volumen von bis zu 50 Milliarden Franken (rund 50 Milliarden Euro) in Anspruch nehmen. Es ist das erste Mal seit der Finanzkrise ab 2007, dass eine Notenbank sich zu einer Stützungsaktion für eine so große Bank gezwungen sah.

Diese Intervention sorgte für eine vorübergehen Beruhigung der Lage, reichte aber offenbar nicht aus, um die Abwärtsspirale zu brechen. So setzt nicht nur die Flucht der Privatkunden der Zürcher Bank zu, auch das Geschäft mit anderen Finanzinstituten wird immer schwieriger. Mindestens vier große Häuser, darunter die Deutsche Bank und Société Générale, haben ihre Geschäfte mit Credit Suisse oder deren Wertpapieren eingeschränkt, wie fünf Personen mit direkter Kenntnis der Angelegenheit erklärten.

Europäischer Riese

Gingen UBS und Credit Suisse zusammen, entstünde ein europäischer Riese. Die UBS beschäftigt derzeit mehr als 72.000 Mitarbeiter, die Credit Suisse mehr als 50.000. Ein Zusammenschluss würde angesichts der Überlappungen wohl zu Tausenden von Stellenstreichungen führen. Wegen der hohen Marktanteile im Heimatmarkt stellt sich zudem die Frage, ob die Wettbewerbsbehörden eine Fusion durchwinken würden.

Denkbar ist etwa, dass das Schweizer Geschäft der Credit Suisse abgespalten wird. Die Vorbereitungen dazu hat das Institut bereits vor einigen Jahren in Zusammenhang mit später aufgegebenen Börsenplänen getroffen.

Drohende Finanzkrise

Die UBS hat in der Vergangenheit wiederholt klar gemacht, dass sie von einer Übernahme der Credit Suisse nichts wissen will, zuletzt am Dienstag. Bisher hat die Regierung in Bern zur Situation der Credit Suisse geschwiegen. Aber die Politik steht unter einem enormen internationalen Druck, die Credit Suisse zu stabilisieren. Denn es steht viel auf dem Spiel. Bei einem unkontrollierten Kollaps des Instituts droht Experten zufolge eine erneute weltweite Finanzkrise.

UBS musste gerettet werden

Die UBS selbst war in der Finanzkrise 2008 in arge Turbulenzen geraten und musste damals von der Eidgenossenschaft gerettet werden. Sie bekam sechs Milliarden Franken vom Bund, um ihre Eigenmittel wiederherzustellen. Zudem verschaffte ihr die Schweizer Nationalbank 54 Milliarden Dollar, mit denen sie ihre damals unverkäuflichen Wertpapiere in einem Spezialfonds parken konnte, von dem aus die Papiere später verkauft wurden. (APA, red, 18.3.2023)