Die Credit Suisse gehört zu den 30 Banken weltweit, deren Insolvenz eine verheerende Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft haben würde.

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Bern/Zürich/New York/Shanghai/Hongkonk – Die Schweizer Großbank UBS übernimmt die schwer angeschlagene Credit Suisse. Der historische Deal, den die Regierung eingefädelt hatte, ist rund drei Milliarden Franken (drei Milliarden Euro) schwer und soll die Finanzwelt wieder beruhigen. Die Credit Suisse war in Not geraten, nachdem bekannt geworden war, dass der Investor Saudi National Bank (hält seit vorigem Herbst 9,88 Prozent und ist damit größter Aktionär) kein frisches Geld mehr zuschießen wollte. Schon zum Jahreswechsel hatten Kunden Milliarden aus der Bank abgezogen, die in viele Skandale verwickelt ist.

Livestream zur Pressekonferenz.
Der Schweizerische Bundesrat - Le Conseil fédéral suisse - Il Consiglio federale svizzero

Verhandelt wurde das ganze Wochenende auf höchster Ebene. Zuvor hatte die UBS ihr Angebot auf mehr als zwei Milliarden Dollar erhöht, meldete die "Financial Times". Die Schweizer Behörden hatten dafür plädiert, die Gesetze des Landes zu ändern, um eine Abstimmung der Aktionäre über die Transaktion zu umgehen. Denn das Geschäft sollte noch unter Dach und Fach sein, bevor am Montag die Börsen eröffnen. Vollzogen werden soll der Deal innerhalb weniger Wochen/Monate. Die Aktionäre müssten dem Deal nicht zustimmen. Mit der Credit Suisse übernimmt die UBS auch Verluste in der Höhe von 5,4 Milliarden Dollar.

Lob und Tadel

Die Reaktionen auf die Übernahme der Credit Suisse fielen gemischt aus. EZB-Chefin Christine Lagarde begrüßte die Rettung der zweitgrößten Schweizer Bank, der Chef der US-Notenbank Fed, Jerome Powell, sprach von einem Schritt zur Stützung der Finanzmarktstabilität. In der Schweiz selbst gab es teils sehr kritische Kommentare. Aus der Schweizerischen Sozialdemokratie hieß es, es sei ein "großer Skandal, dass es so weit gekommen ist" und in der Volkspartei war von einem "schwarzen Tag" die Rede. Die Tageszeitung "NZZ" schrieb: "Ein Zombie ist weg, doch ein Monster entsteht".

Der Schweizer Bundespräsident Alain Berset wies in einer einer Pressekonferenz am Sonntag darauf hin, dass die Credit Suisse zwar über eine gute Liquidität verfügt, der Markt dem Institut das Vertrauen aber entzogen hatte. Daher musste eine rasche Lösung gefunden werden. Der Schweizer Bundesrat sei daher zur Entscheidung gekommen, dass die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS der beste Weg sei, um das Vertrauen wiederherzustellen. Der Bundesrat war über den Fortgang der Gespräche laufend informiert.

100 Milliarden Geldspritze

Die Schweizer Nationalbank werde die Übernahme mit umfangreichen Liquiditätshilfen unterstützen, hieß es in der Pressekonferenz. Auch das soll sicherstellen, dass die Finanzmärkte mit dem Deal wieder in ruhigere Gewässer kommen. Zusätzlich wurde eine Ausfallgarantie in der Höhe von sage und schreibe 100 Milliarden Franken abgegeben. Der Bundesrat gibt eine Garantie von neun Milliarden Franken, um Risiken für die UBS, die sie mit dem Portfolio der Credit Suisse übernimmt, abzufedern. Man gebe hier eine Art Versicherung sagte, Karin Keller-Sutter, Mitglied des Bundesrates der Schweiz. Sie bedauerte zugleich, dass die Credit Suisse es nicht selbst geschafft habe, sich aus ihrer Krise zu manövrieren.

"Mussten handeln"

Mit der Bankenkrise habe sich auch die Vertrauenskrise verschärft, sagte Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Die Zahlungsfähigkeit hatte die SNB in den vergangenen Tagen bereits sichergestellt. Ein Konkurs der Credit Suisse hätte schwere Folgen für die internationale Finanzwelt mit sich gezogen, betonte der Experte. Beide Banken haben nun uneingeschränkten Zugang zu den Fazilitäten der SNB. Bis zu 100 Milliarden Franken können per Not-Dekret bezogen werden. "Es war dringlich und notwendig, dass wir handeln", fasste Jordan die kritische Lage der Bank zusammen.

Marlene Amstad, Verwaltungsratspräsidentin der Finanmarktaufsicht Finma, betonte die "gute, stabile und tragfähige Lösung" für das Problem Credit Suisse. Seit Oktober 2022 hätten auf den Sozialen Medien ausgelöste Gerüchte zu enormen Abflüssen bei der Credit Suisse geführt. Die Bank erfülle dennoch die vorgeschriebenen Kapitalquoten. Die Fundamentaldaten des Instituts seien in Ordnung gewesen, dennoch ging das Vertrauen der Kunden und Anleger verloren. Es setzte eine Abwärtsspirale ein, sagte Amstad. Die Finma wird die Übernahme begleiten und überwachen. Das Bankgeschäft der Credit Suisse funktioniere weiter – alle Depots und Konten bleiben aufrecht und für die Kunden zugänglich, betonte Amstad.

Kunden können Vermögen verlagern

Nach der abgeschlossenen Übernahme können Kunden der Credit Suisse dem Geldhaus zufolge wegen Konzentrationsrisiken einige Vermögenswerte zu anderen Banken abziehen. Das Vermögensverwaltungsgeschäft sei vorerst operativ von dem der UBS getrennt, teilte die Credit Suisse ihren Mitarbeitern in einer internen Mitteilung mit, die die Nachrichtenagentur Reuters am Montag einsehen konnte. Sobald die beiden Banken jedoch fusioniert hätten, könnten die Kunden in Erwägung ziehen, einige Vermögenswerte zu einer anderen Bank zu verlagern, falls die Konzentration ein Problem darstelle, hieß es in dem auf Sonntag datierten Memo.

Durch die Übernahme der traditionsreichen Schweizer Bank wird die UBS zum unangefochtenen Weltmarktführer in der Verwaltung von Geldern für Vermögende, was Bedenken hinsichtlich der Konzentrationsrisiken für die Kunden aufwirft.

"UBS bleibt fest und solide"

Der Zusammenschluss der UBS und Credit Suisse ist eine große Chance, auch für den Schweizer Standort, sagte Colm Kelleher, Verwaltungsratspräsident der UBS Group. Er begrüßte weltweit alle neuen Kunden und gab einen kurzen Einblick in die neue Strategie: Die UBS würde den Investmentzweig der Credit Suisse stark reduzieren und an die "konservative Vermögensverwaltungskultur der Bank" anspassen.

"Heute stellt eine klare Zäsur dar", stellte Axel Lehmann fest, der Präsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse. Man habe gute Pläne mit der Credit Suisse gehabt, aber es bleibe nun aufgrund der aktuellen Unsicherheit keine Zeit mehr, diese umzusetzen. Man sei eingeholt worden, von den Skandalen, in die die Bank geraten ist. Im Herbst sei die Summe der einzelnen Probleme zu groß geworden und hätten das Fass zum Überlaufen gebracht.

"Solide Lösung"

Bundespräsident Berset fasste zusammen, dass die Regierung die "solide Lösung zwischen zwei privaten Playern" begrüßt. Das bringe die nötige Garantie, um das Vertrauen in den Schweizer Bankenmarkt wiederherzustellen.

Jerome Powell, Vorsitzender der US-Notenbank Fed, und Finanzministerin Janet Yellen begrüßten den Deal. Zustimmung kam auch vom britischen Finanzministerium. In beiden Märkten hat die Credit Suisse viele Kunden.

Die Übernahme war nach den Worten der Finanzministerin die einzige mögliche Lösung für die tief in die Krise geschlitterte Schweizer Großbank: "Jede andere Lösung hätte eine Finanzkrise ausgelöst". Eine Übernahme der Credit Suisse durch den Staat etwa hätte ein "enormes Risiko für den Steuerzahler" bedeutet, eine Liquidation des Instituts "den Schweizer Finanzplatz in Bedrängnis gebracht", erklärte die Ministerin. "Wir sind dankbar, dass dieser im Sinne der Stabilität des Schweizer Finanzplatzes, der Bonität auch der Schweiz, für die Stabilität der Volkswirtschaft Schweiz, dass dieser Zusammenschluss wirklich jetzt zustande gekommen ist."

Too big to fail

Die UBS und die Credit Suisse gehören zu den 30 Banken weltweit, die als "too big to fail" eingestuft werden, da ihre Insolvenz eine verheerende Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft hätte. Die UBS ist die größte, die Credit Suisse die zweitgrößte Bank der Schweiz. Nun wird die UBS noch größer. Amstad (Finma) betonte, dass die Kapital- und Liquiditätsanforderungen für die neue Bank entsprechend dem Regelwerk angehoben werden.

Die Credit Suisse war nach einer Reihe früherer Skandale zuletzt weiter unter Druck geraten – unter anderem durch die Schließung der beiden US-Banken Silicon Valley Bank und Signature Bank, die den Sektor beunruhigt hatten. Äußerungen des größten Anteilseigners aus Saudi-Arabien, der Saudi National Bank, seine Investitionen in das Schweizer Institut nicht erhöhen zu wollen, schickten den Kurs dann auf Talfahrt.

Trotz massiver Unterstützung durch die SNB war der Kurs der Credit Suisse nach kurzer Erholung am Freitag erneut eingebrochen. Jetzt wird mit Spannung erwartet, ob die Großbank ein weiteres Abrutschen vermeiden kann, wenn am Montag um 09.00 Uhr MEZ der Handel an der Schweizer Börse beginnt. (Bettina Pfluger, red, APA, Reuters, 19.3.2023)