Wie schmeckt Niederösterreich? Das ist eine Frage, die sich demnächst viele Gastronomen und Wirtinnen im Land unter der künftigen schwarz-blauen Koalition stellen werden. Stellen werden müssen, denn: Die Regierung to be in Niederösterreich hat im Rahmen ihres Arbeitsübereinkommens eine "Wirtshausprämie" fixiert, um die "Wirtshauskultur" auch in Zeiten der Teuerung aufrechtzuerhalten und weil das Wirtshaus auch weiterhin "sozialer Treffpunkt" sein soll. So jedenfalls steht es im schwarz-blauen Pakt – der auch in diesem Punkt für einige Aufregung in sozialen Medien gesorgt hat: Denn Voraussetzung für die Gewährung der Beihilfe wird sein, dass der Wirt ein "traditionelles und regionales Speisenangebot aufweist".

Auf Twitter löste das Vorhaben Spott und Häme aus und führte zur nicht unberechtigten Frage, was denn nun traditionell niederösterreichisch sei. Das Schnitzel gehört sicherlich dazu, auch Knödel ganz bestimmt, aber auch das Gulasch?

Nur wer ein "traditionelles und regionales Speisenangebot" auf der Karte hat, darf mit Beihilfen rechnen.

Was genau die Landesregierung plant, ist nicht überliefert, die Details werden erst ausgearbeitet. Geld soll es jedenfalls für die Übernahme und Weiterführung von Wirtshäusern geben. Daran knüpfen sich einige – auch juristische – Fragen: Ist das rechtlich gedeckt, wenn es Beihilfen fürs Gasthaus gibt, das Schnitzel macht, aber nicht für den Kebabladen? Ist es ökonomisch vertretbar, wenn der Staat ausrückt, um Wirtshäuser mit Steuergeld zu subventionieren?

Starker Rückgang

Unbestritten ist, dass es immer weniger Wirtshäuser gibt. Allein in Niederösterreich ist die Zahl der Gasthäuser in den vergangenen 20 Jahren um etwa 35 Prozent gesunken, zeigen Erhebungen der Wirtschaftskammer. Von 2.800 Gasthäusern im Jahr 2000 waren 2022 nur noch etwas mehr als 1.800 übrig. Mit dem Wirtshaus verschwindet nicht nur ein sozialer Treffpunkt. Auch für Arbeitnehmer wird der Alltag schwieriger, wo sollen sie in den Mittagspausen essen? Oft sind Kaffeehäuser an der Tankstellen der einzige Ersatz.

Nun ist Niederösterreich nicht das erste Bundesland, das mit einer Prämie die Wirtshauskultur retten will. Das Land Tirol hat im Herbst 2019 ein Maßnahmenpakt zum Erhalt der "Tiroler Wirtshauskultur" geschnürt. Das beinhaltet eine Reihe verschiedener Förderungen. Bedingung ist auch hier, dass es ein "traditionelles und überprüfbares regionales Speisen- und Getränkeangebot" gibt.

Gefördert werden Investitionen bis zu fünf Jahre nach einer Betriebsübernahme und auch die Übernahme selbst. Als Prämie gibt es einmalig bis zu 10.000 Euro, bei Investitionen können bis zu zehn Prozent der Kosten vom Land übernommen werden.

Aber sind solche Vorgaben rechtlich gedeckt? Wird ein Wirtshaus gefördert, bedeutet das ja für eine Pizzeria oder einen Griechen einen Wettbewerbsnachteil. Verstößt das nicht sogar gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung, wonach bei gleicher Sachlage auch gleich zu behandeln ist?

Juristen sehen Vorgehen gedeckt

"Ich sehe die Förderung als relativ unproblematisch", sagt Peter Bußjäger, Verfassungs- und Verwaltungsjurist an der Universität Innsbruck. Der Staat handle hier nicht im Rahmen hoheitlicher Vollziehung, die Förderungen werden nicht mit Bescheiden bewilligt oder abgelehnt. Vielmehr sei das ganze Teil der sogenannten Privatwirtschaftsverwaltung. Hier sei der "Gestaltungsspielraum" des Staates relativ groß, so der Jurist. Nur traditionelle Wirtshäuser zu fördern sei im Rahmen dieses Spielraums gedeckt.

EU-rechtlich sehe er auch kein Problem. Klar sei nur, dass auch ein Italiener, der die Vorgaben bei der Speisekarte einhält, Zugang zur Förderung erhalten müsse. Der Verfassungsjurist Heinz Mayer argumentiert ähnlich, es sei sachlich begründbar, die traditionelle Gasthauskultur zu fördern.

Regional genug: die Brettljause.
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Eine Beschwerde gegen eine nicht erteilte Förderung zu erheben sei auch nicht ganz leicht, führt Mayer aus. Ein chinesischer Restaurantbetreiber könne nur selbst um eine Förderung ansuchen und die Ablehnung bei Zivilgerichten bekämpfen mit dem Argument, hier finde eine unsachliche Diskriminierung statt.

Das einzige Problem, das beide sehen, ist, wo die exakte Abgrenzung möglich ist: Verliert schon jemand, der eine Pizza anbietet, die Förderung?

Gut gewähltes Thema?

Keine juristische Frage ist, ob es sachlich Sinn macht, hier potenziell Millionen an Steuergeld auszuschütten. Ein sozialer Treffpunkt kann genauso ein Grieche oder ein Kebabrestaurant sein wie ein Wirtshaus ums Eck. Gäbe es eine vernünftige Geschäftsgrundlage und ausreichend Nachfrage, würden die Wirtshäuser nicht verschwinden. Mit der Prämie wird konserviert, was sich ansonsten nicht mehr erhalten lässt, und das auf Kosten neuer Anbieter. Das wären die Argumente gegen das Vorhaben.

Das Thema hat die Landesregierung jedenfalls wohl politisch gut gewählt: Während eine regionale Wirtshausprämie in vielen Dörfern gut klingen dürfte, führt sie bei urbanem Publikum eher zu heftiger Entrüstung.

Damit fällt auch das Augenmerk weniger auf jene Teile des blau-schwarzen Arbeitsübereinkommens, die eher sehr dürftig und ohne große Ansagen ausfielen. Wie etwa der Arbeitskräftemangel bekämpft werden soll, der auch viele Gastronomen plagt, wird im Abkommen nicht beantwortet. Zum Arbeitsmarkt finden sich im Pakt überhaupt nur ein paar Zeilen: Die Lehre soll gestärkt werden – wie, ist aber nicht ausformuliert. (András Szigetvari, Renate Graber, 19.3.2023)