Die UBS übernimmt die angeschlagene Credit Suisse. Ein Deal, der politisch erzwungen wurde.

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Die schwer angeschlagene Schweizer Großbank Credit Suisse wird vom größeren Lokalrivalen UBS übernommen. Das gaben der Schweizer Bundesrat sowie Vertreter der beiden Institute und der Aufsichtsbehörden am Sonntagabend bekannt. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) unterstützt die Übernahme mit einer Liquiditätshilfe von 100 Milliarden Franken (rund 101 Milliarden Euro) an beide Banken. Ist die Bankenkrise damit ausgestanden? Was man jetzt wissen muss.

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DER STANDARD

Frage: Die UBS übernimmt die Credit Suisse. Warum eigentlich?

Antwort: Die Credit Suisse kam in den vergangenen Jahren in einen Strudel an Skandalen, musste enorm hohe Strafzahlungen leisten. Obwohl die Bank bis zuletzt gut aufgestellt gewesen sein soll (so betonen es die Schweizer Behörden), haben die Kunden und Investoren das Vertrauen in das Schweizer Traditionshaus verloren und Gelder abgezogen. Allein im vierten Quartal 2022 zogen Kunden netto 113 Milliarden Euro aus der Bank ab.

Frage: War die Bank in Gefahr, in die Pleite zu schlittern?

Antwort: Bei der Credit Suisse bestand die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit, auch wenn die Bank – wie die Behörden betonen – solvent gewesen ist. Doch die Lage der Bank hatte sich in den vergangenen Monaten verschlechtert. Im Jahr 2022 fuhr die Bank einen Verlust von knapp 7,4 Milliarden Euro ein, nach einem Minus von 1,7 Milliarden im Jahr davor. Einen höheren Fehlbetrag hatte die Credit Suisse zuletzt 2008 auf dem Höhepunkt der Finanzkrise verzeichnet. 2022 war eines der schwächsten Geschäftsjahre in der 167-jährigen Geschichte der Bank. Die geplante Umstrukturierung verlief schleppend. Als die Saudi National Bank (größter Aktionär) vor einer Woche kein Geld mehr einschießen wollte, verlor der Markt das Vertrauen in die Bank, der Aktienkurs brach auf ein Rekordtief ein, der Mittelabfluss beschleunigte sich.

Frage: Warum musste die Bank nun so rasch verkauft werden?

Antwort: Weil wichtige Marktteilnehmer das Vertrauen in die Bank verloren hatten. Die Credit Suisse gehört zu jenen weltweit 30 Instituten, die als "too big to fail" gelten. Das heißt, dass eine Pleite großen Schaden nach sich ziehen würde und sich auf andere Geldhäuser und Märkte ausweiten kann, weil die Geschäfte sehr verwoben sind. Das sollte jetzt verhindert werden. Der Fall der Investmentbank Lehman Brothers während der Finanzkrise hatte gezeigt, wie sich die Probleme des Instituts durchgezogen haben und mehrere Banken ins Wanken brachten. Vor allem das Fehlen von Vertrauen hatte damals dazu geführt, dass sich Banken untereinander kein Geld mehr geliehen haben. Der Geldmarkt trocknete damals aus, die Notenbanken mussten eingreifen. Durch die Übernahme der Credit Suisse sollen auch die Mittelabflüsse gestoppt werden, die für die Bank zweifelsohne kritisch waren. Es ist also eine Notrettung, um größeren Schaden abzuwenden.

Frage: Wie teuer ist die Übernahme?

Antwort: Die UBS zahlt drei Milliarden Franken (drei Milliarden Euro) für die Credit Suisse. Dieser Kaufpreis wird in eigenen Aktien bezahlt. Zudem hat die UBS zugestimmt, Verluste in der Höhe von fünf Milliarden Franken zu übernehmen. Um die Risiken für die UBS zu reduzieren, spricht der Schweizer Staat der UBS eine Garantie im Umfang von neun Milliarden Franken zur Übernahme von potenziellen Verlusten aus. Die Schweizer Regierung hatte die UBS zu der Übernahme gedrängt, um weitere Turbulenzen im Bankensektor zu vermeiden.

Frage: Welche Rolle spielt die Schweizer Nationalbank bei der Übernahme?

Antwort: Eine große. Die SNB stellte der strauchelnden Credit Suisse zunächst Kredite bis zu 50 Milliarden Franken (51 Milliarden Euro) zur Verfügung. Sie unterstützt die Übernahme nun mit einer Liquiditätshilfe von 100 Milliarden Franken an beide Banken.

Frage: Welche finanzielle Unterstützung begleitet diese Zwangsfusion in Summe?

Antwort: In Summe geht es um 109 Milliarden Schweizer Franken. Die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte (Findel) hat zwei Verpflichtungskredite genehmigt. 100 Milliarden Franken sind als Ausfallgarantie des Bundes für Liquiditätshilfe-Darlehen der SNB an die Credit Suisse / UBS vorgesehen. Diese Ausfallgarantie kann frühestens nach einem abgeschlossenen Konkursverfahren beansprucht werden, schrieb die Findel. Und auch nur dann, wenn die SNB einen Ausfall erleide und diesen dem Bund gegenüber geltend mache. Der zweite Verpflichtungskredit von neun Milliarden Franken ist für eine Garantie des Bundes an die UBS bestimmt. Die UBS soll damit allfällige Verluste aus Aktiven der von ihr übernommenen Credit Suisse absichern können, wenn diese eine bestimmte Schwelle überschreiten. Nach Angaben des Finanzdepartements würde die UBS die ersten fünf Milliarden Franken an Verlusten übernehmen. Der Bund würde dann die nächsten neun Milliarden tragen. Weitergehende Verluste würde wiederum die UBS übernehmen.

Frage: Bekommen die beiden Banken dieses Geld zum Nulltarif?

Antwort: Nein. Müssen die UBS und/oder die Credit Suisse ein Liquiditätshilfe-Darlehen in Anspruch nehmen, zahlen sie dafür einen Zinssatz von 1,5 Prozent. Das erklärte Marlene Amstad, Verwaltungsratspräsidentin der Finanzmarktaufsicht (Finma), am Sonntag.

Frage: Gesprochen wurde auch von Verpflichtungskrediten …

Antwort: Das stimmt. Der Bundesrat kann dringliche Verpflichtungskredite beschließen, ohne dass das Parlament zuvor zustimmt. Dies erlaubt ihm das Finanzhaushaltgesetz. Allerdings muss er die Zustimmung der Finanzdelegation einholen, und das Parlament muss den Krediten nachträglich zustimmen. Ist die dringliche Verpflichtung höher als 500 Millionen Franken – was bei den beiden Krediten der Fall ist –, kann aber innerhalb einer Woche nach dem Ja der Findel ein Viertel der Mitglieder eines Rates oder der Bundesrat (Regierung) die Einberufung der Schweizer Bundesversammlung verlangen.

Neues Mega-Institut entsteht

Frage: Wie groß wird die neue UBS dann sein?

Antwort: Die fusionierte Bank wird ein Vermögen von mehr als 3,4 Billionen Dollar verwalten und größer sein als die Deutsche Bank. Das Institut muss regulatorische Vorgaben wie den Kapitalpolster erhöhen. Die Schweizer Aufsicht Finma gewährt der UBS dafür eine Übergangsfrist. Die UBS war Ende der Vorwoche (gemessen am Handelsschluss vom Freitag) an der Börse 60,8 Milliarden Euro wert, die Credit Suisse nur noch 7,46 Milliarden Euro. Zur besten Zeit der Credit Suisse – Mitte der Nullerjahre – war die Bank noch mehr als 110 Milliarden Euro wert. Aktuell hat die UBS mehr als 72.000 Beschäftigte, 2022 belief sich die Bilanzsumme auf 1.030 Milliarden Euro. Die Credit Suisse zählte zuletzt rund 50.000 Mitarbeiter und hatte eine Bilanzsumme von 535 Milliarden Euro. Die UBS wies 2022 einen Gewinn von 7,07 Milliarden Euro aus, die Credit Suisse hingegen einen Verlust von 7,4 Milliarden Euro.

Durch die Übernahme wird die UBS zum unangefochtenen Weltmarktführer in der Verwaltung von Geldern für Vermögende, was Bedenken hinsichtlich der Konzentrationsrisiken für die Kunden aufwirft. Sobald die beiden Banken fusioniert hätten, könnten die Kunden in Erwägung ziehen, einige Vermögenswerte zu einer anderen Bank zu verlagern, falls die Konzentration ein Problem darstelle, hieß es in einer auf Sonntag datierten internen Mitteilung, die die Agentur Reuters am Montag einsehen konnte.

Frage: Welchen Stellenwert hat diese Übernahme?

Antwort: Die Übernahme der Credit Suisse, der zweitgrößten Schweizer Bank, durch die UBS ist die bedeutendste Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise vor 15 Jahren.

Frage: Wann wird der Deal vollzogen sein?

Antwort: Nachdem eine Einigung erzielt worden ist, soll es jetzt schnell gehen. Innerhalb weniger Wochen, maximal Monate, soll die Übernahme komplett sein. Die Aktionäre müssen dem Deal nicht zustimmen. Die rasche Einigung bis Sonntagabend war nötig in der Hoffnung, dass die Börsen das als starkes Signal anerkennen und die Vertrauenskrise in den Bankensektor sich nicht ausweitet. Zur Erinnerung: In den vergangenen Tagen musste in den USA die Silicon Valley Bank geschlossen werden, auch die Institute Signature Bank und Silvergate brachen zusammen. Das hatte die Aufmerksamkeit auf den Bankensektor gelenkt.

Frage: Wie war die Stimmung im Vorfeld der Börseneröffnung?

Antwort: Nach Bekanntwerden des Deals kam Lob von der EZB, der Fed und der Bank of England. Brüssel, Washington und London hatten wegen Sorgen vor einer Ausweitung der Bankenkrise Druck auf die Schweiz ausgeübt. In all diesen Regionen ist die Credit Suisse stark vertreten. UBS und Credit Suisse waren von der Politik und der Schweizer Aufsichtsbehörde zum Zusammenschluss gedrängt worden.

Ein US-Beamter hatte am Sonntag noch mitgeteilt, dass sich die US-Bankeinlagen stabilisiert hätten, wobei sich die Abflüsse verlangsamt oder gestoppt und in einigen Fällen umgekehrt haben. Der Beamte fügte hinzu, dass die Probleme der Credit Suisse nichts mit den jüngsten Einlagenläufen in den USA zu tun hätten.

Frage: Wie reagierten die Börsen am Montagmorgen?

Antwort: Die Aktie der Credit Suisse verzeichnete einen schweren Einbruch um etwa 60 Prozent, womit der Marktwert des Instituts auf knapp unter die gebotenen drei Milliarden Franken gesunken ist. UBS lag zeitweise elf Prozent im Minus, wobei Banken generell von den Anlegern gemieden wurden. Die großen Aktienindizes wie der deutsche Dax, der Schweizer SMI oder der Eurostoxx-50 die grenzten anfänglichen Verluste jedoch rasch wieder etwas ein. Überdurchschnittlich schwer erwischte es den bankenlastigen Wiener Leitindex ATX.

Frage: Gab es auch Gegenwind?

Antwort: Ja. Vor allem aus der Schweiz selbst. Die politischen Parteien sehen in der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS einen schwarzen Tag für die Schweiz. Sie fordern die Aufarbeitung auf allen Ebenen und sehen das Management, aber auch die Behörden in der Verantwortung.

Frage: Geht das rechtliche alles so einfach?

Antwort: Wohl nicht. Der auf Bankenrecht spezialisierte Schweizer Rechtsprofessor Peter V. Kunz hält das Notrecht, auf das sich der Schweizer Bund bei der forcierten Übernahme der Credit Suisse (CS) durch die UBS stützt, für eine unzureichende Rechtsgrundlage. Er rechnet daher mit Klagen gegen die Eidgenossenschaft, wie er in Interviews im "Blick" und den Tamedia-Titeln sagte. "Dass die CS-Aktionäre zum Deal gar nicht mehr gefragt werden, ist eine völlig außergesetzliche Regelung", sagte Kunz etwa gegenüber dem "Blick". (Bettina Pfluger, red, Reuters, 19.3.2023)