Ein Gestriger und die Ewiggestrigen gemeinsam gegen das Spanien von heute – so könnte die Zusammenfassung dessen lauten, was sich am Dienstag und Mittwoch im spanischen Parlament abspielen wird: Der 89-jährige Wirtschaftswissenschafter und ehemalige kommunistische Politiker Ramón Tamames führt ein Misstrauensvotum gegen den Chef der Linksregierung von Pedro Sánchez an. Eingereicht wurde der Misstrauensantrag aber nicht von den Kommunisten, sondern von der rechtsextremen Vox. Die Nummer drei im spanischen Parlament trauert ausgerechnet der Diktatur nach, die den jungen Studenten Tamames in den 1950er-Jahren aus politischen Gründen hinter Gitter gebracht hatte.

Ramon Tamames (rechts) kommt aus der kommunistischen "Ecke" – sollte also mit dem extrem rechten Vox-Chef Santiago Abascal (li.) eigentlich keine Berührungspunkte haben. Doch dem ist nicht so.
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Tamames stört das nicht. "Vox hat den Mut, auf einen Unabhängigen zu vertrauen, dafür danke ich ihnen", sagt er. In seiner einstündigen Rede will Tamames – dem es nicht an Ego fehlt – die Gelegenheit nutzen, um die Koalition aus Sozialisten und linksalternativer Unidas Podemos (UP) zu kritisieren. "Autokratisch" sei diese und oft "populistisch", erklärt er – als stünde Vox für besonnene Politik.

"Frankenstein-Bündnis"

Anders als Vox würdigt Tamames Sánchez für seinen "politischen Mut". Er umgebe sich allerdings mit den Falschen – von UP bis hin zu Unabhängigkeitsbefürwortern aus Katalonien und dem Baskenland. "Frankenstein-Bündnis" nennt Tamames diese in Spanien neue breite Zusammenarbeit der Linken, ohne die Sánchez keine Mehrheit hätte.

Es ist der sechste Misstrauensantrag in der spanischen Nach-Franco-Demokratie seit 1978. Erfolgreich war nur einer, vor fünf Jahren – und der brachte ausgerechnet Pedro Sánchez an die Regierung. Tamames will nicht regieren; er will Neuwahlen, sollte er das Misstrauensvotum gewinnen. Doch außer den 52 Vox-Abgeordneten unterstützt ihn niemand. Der größten Oppositionskraft, Partido Popular (PP), gilt der Versuch von Vox, die politische Initiative zu gewinnen, bloß als "Theater".

Härtere Worte finden die Konservativen nicht, denn sie wissen nur zu gut: Wenn sie bei den kommenden Wahlen eine Chance haben wollen, müssen sie mit Vox paktieren. Dies wird Sánchez in der Debatte nutzen. Er wird versuchen, PP und Vox gemeinsam zu kritisieren und ihrer rückwärtsgewandten Politik seine sozialen Errungenschaften sowie Neuerungen seiner Regierung – von der Anhebung von Mindestlohn und Pensionen bis hin zur Stärkung der Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten – entgegenzustellen.

Allianz Ewiggestriger

Nicht nur Vox lebt in der Vergangenheit, sondern auch Tamames. Zwar erkennt er anders als Vox die Vielfalt Spaniens an – er sähe es aber gerne, dass sich Basken und Katalanen für ihr Unabhängigkeitsstreben entschuldigen. Der Ex-Kommunist, der es in den 1970er-Jahren ins Exekutivkomitee der spanischen KP und zum Vizebürgermeister brachte, träumt von einer "Regierung der nationalen Einheit zur Verteidigung von Verfassung und Monarchie".

Das erinnert an das Ziel des gescheiterten Putschversuchs von 1981. Damals soll Tamames, so der verstorbene PC-Generalsekretär Santiago Carrillo in seinen Memoiren, die Nähe zu den Putschisten gesucht haben. (Reiner Wandler, 20.3.2023)