Beim Verlassen des Stationsbereichs der U6-Station Jägerstraße riss der Mann die 26-Jährige zu Boden und vergewaltigte sie.

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Im Fall rund um den Übergriff auf eine 26-Jährige in Wien dürften die Zeuginnen und Zeugen den Ernst der Lage erkannt und Zivilcourage gezeigt haben: Samstagfrüh wurde die junge Frau auf dem Heimweg von einem Nachtclub in der U6 von einem Mann sexuell bedrängt, worauf sich andere Fahrgäste laut Wiener Polizei einschalteten und die Frau beschützten. Sie wechselte danach das Abteil. Als sie jedoch bei der Station Jägerstraße ausstieg, dürfte weder ihr noch sonst jemandem aufgefallen sein, dass sie der Mann verfolgte. Beim U-Bahn-Ausgang angekommen, riss sie dieser zu Boden und vergewaltigte sie.

Hilfeschreie des Opfers

Während der Tat soll das Opfer laut um Hilfe geschrien haben, heißt es von der Polizei Wien auf Nachfrage. Dadurch wurden erneut Zeugen und Zeuginnen aufmerksam, was den Täter zur Flucht veranlasste. Einer der Zeugen soll darauf dem Mann hinterhergerannt sein und via Notruf die Polizei verständigt haben. So konnte dieser in der Nähe von Spittelau von der Polizei festgenommen werden. "Der Zeuge hat tolle Arbeit geleistet", heißt es von der Polizei Wien zum STANDARD.

Der Mann, ein tunesischer Staatsbürger, befindet sich nun in einer Justizanstalt. Bei seiner Einvernahme soll der Mann zugegeben haben, dass er die Frau in der U-Bahn angesprochen hatte. Mit der Tat selbst wolle dieser aber nichts zu tun haben. Man stünde erst am Beginn der Ermittlungen. Wo etwa der Mann der Frau aufgelauert habe, darüber sollen nun Videoaufnahmen Aufschluss geben, heißt es von Polizeisprecher Philipp Haßlinger.

Öffis als Tatort

Zwar hatte sich die Tat nicht im U-Bahn-Bereich ereignet. Erinnerungen an die brutale Vergewaltigung in der U6 vor zehn Jahren ruft sie dennoch hervor. Damals hatte ein Mann aus Vorarlberg das Opfer solange gewürgt, bis die Frau ohnmächtig wurde und sie danach vergewaltigt. Obwohl viele Fahrgäste – es war gerade Rushhour – unterwegs waren, war der Mann mit seinem Opfer drei Stationen allein in der Garnitur gewesen.

Auf Sicherheitsvorkehrungen in den Öffis angesprochen, verweisen die Wiener Linien auf Notsprecheinrichtungen in den Fahrzeugen oder am Bahnsteig. "Diese in schwierigen Situationen bitte unbedingt betätigen oder mit einem Kollegen, einer Kollegin vor Ort sprechen (z.B. Fahrer, Fahrerin, Kolleg*innen aus dem Sicherheits- und Serviceteam)." Daraufhin könnten die Mitarbeiter umgehend Hilfe leisten und weitere Schritte einleiten. Und: "Im Zweifelsfall ist es ein Notfall", sagt Sprecherin Andrea Zefferer zum STANDARD.

Dass bei Vergewaltigungen im und rund um den U-Bahn-Bereich tatsächlich von einem "Phänomen im öffentlichen Raum" gesprochen werden kann, stellt Haßlinger in Abrede. Jedoch liege auch keine statistische Differenzierung mit Blick auf die Tatorte vor. In Wien wurde im Jahr 2022 365-mal eine Vergewaltigung angezeigt – statistisch also jeden Tag eine. Von diesen konnten 267 Fälle geklärt werden, was einer Aufklärungsquote von 73,2 Prozent entspricht. (etom, 20.3.2023)