Zeichnungen, Fotografien, philosophische Gedanken: Die Architektin Francesca Torzo projiziert all das auf Tücher als dichten Assoziationswald.

Foto: Aut

Ein Schuss Milch im Rotweinglas könnte der Schlüssel zum richtigen Farbton gewesen sein. Das ist im Grunde aber gar nicht so wichtig, selbst wenn der fotografisch dokumentierte Versuch als Flop deklariert wäre, wäre man geneigt, an ihm jenen Hang zum Sinnlichen festzumachen, der Francesca Torzo nachgesagt wird. Die 1975 im italienischen Padua geborene Architektin unterstreicht ihn auch selbst, wenn sie im "Aut. Architektur und Tirol" lieber mit Milch und Wein und Seide als mit konkret Gebautem operiert. Was ihre Innsbrucker Personale streckenweise mehr wie eine Kunst- als eine Architekturschau wirken lässt – und keineswegs zu ihrem Nachteil gerät: Day by day titelt der atmosphärisch dichte Ausstellungsparcours, in dem Torzo Einblicke in ihre Arbeitsweise und Gedankenwelt gewährt.

"Bevor man etwas tut, muss man beobachten und nachdenken"

Seit 2008 führt die Italienerin ihr eigenes Architekturbüro in Genua, mit der Erweiterung des "Z33 – Zentrum für zeitgenössische Kunst" im belgischen Hasselt erregte sie erstmals internationale Aufmerksamkeit und landete unter den Finalisten des international renommierten Mies-van-der-Rohe-Awards. Über neun Jahre hinweg hat Torzo mit ihrem Atelier an dem Projekt gearbeitet, sich intensiv mit dem vorhandenen Bestand auseinandergesetzt, Geschichte, Proportionen und Stimmungen sowie auch Strukturen und Tonmischungen studiert. Das sei für sie auch eine Frage des Respekts, so Torzo im Rahmen der Presseführung in Innsbruck. "Bevor man etwas tut, muss man beobachten und nachdenken."

Foto: GUENTER RICHARD WETT

Torzo tut das mit einer bemerkenswerten Präzision und Beharrlichkeit, prototypisch dafür steht auch der für den Erweiterungsbau in Hasselt entwickelte rautenförmige Terracotta-Ziegel, bei dem es nicht nur um die Suche nach dem eingangs erwähnten Farbton ging. Angreifen und aus Schubladen holen darf man auch die Aquarelle und Zeichnungen, die zu diversen Projekten entstehen, etwa zum aus Bambus erbauten Bibliotheks- und Aussichtspavillon in Yangshuo in China oder zu kleinen, raffinierten Wohnbauprojekten wie der Casa Due in der Altstadt von Sorano.

Was Torzo und ihr Team während des Ausstellungsaufbaus erfrischend unprätentiös als "fazzoletti" (zu Deutsch: Taschentücher) bezeichnet haben, sind auf filigrane Objekte gespannte Tücher, auf die Auszüge aus dem Wilden Denken von Claude Lévi-Strauss ebenso projiziert werden wie ein aus animierten Zeichnungen und Fotografien gespeister "Gedankenfluss". Ihr eigenes Bildreservoir aus Bauten, Strukturen, Skulpturen und scheinbar beiläufigen Details ließ Francesca Torzo wiederum auf transparente Seidenstoffe drucken, die im Untergeschoß zum dichten Assoziationswald werden. Es lohnt sich, darin auf Erkundungsreise zu gehen. (Ivona Jelcic, 21.3.2023)