Ein historisches Gebäude in der Stadtmitte ist zum Sinnbild eines Konflikt geworden.

Mitten in Ferlach im Südkärntner Rosental – auf halbem Weg zwischen Klagenfurt und dem slowenischen Grenzübergang auf dem Loiblpass – steht das älteste Haus der Stadt leer. Es stammt aus dem 17. Jahrhundert. Früher – bis in die Achtzigerjahre – befand sich in dem Haus mit den rot umrahmten Fenstern ein Gasthaus. Wenn es nach dem seit 2002 amtierenden Bürgermeister Ingo Appé (SPÖ) geht, soll hier bald ein "Haus der Begegnung" für Volksgruppen entstehen: also für alle Kärntnerinnen, egal ob sie Deutsch, Slowenisch oder sonstige Sprachen sprechen.

Angedacht sind Start-up-Räumlichkeiten, Co-Working-Zonen, Werkstätten oder etwa ein Sprachlabor. Doch bis das Projekt fertig wird, dürfte es noch dauern: Gekauft hat die Gemeinde das Haus zwar schon 2021. Vorübergehend ist hier auch schon eine Gin-Destillerie eingezogen. Aber von den nötigen Umbauarbeiten ist man noch weit weg. Denn schon die Bürgerbefragung zu dem Projekt gestaltet sich laut Appé als "äußerst schwierig", wie er dem STANDARD erklärt: Sie werde von Volksgruppenvertretern boykottiert.

Fehlende Mittel

Warum sich gerade die zweisprachige Wahlgemeinschaft/Volilna skupnost, in der hauptsächlich Kärntner Slowenen vertreten sind, ziert, ist schnell erklärt: Ihr Obmann, der Lehrer Roman Verdel, ist sogleich Vorsitzender des Vereins Zweisprachiger Kindergarten Ferlach/Borovlje. Er pocht laut eigenen Angaben seit Jahren vergeblich auf regelmäßige und fix vereinbarte Zuschüsse für die zweisprachige Betreuungsarbeit des Vereins (Hort, Kindergarten und Kleinkindgruppe).

Auch derzeit sei ein Antrag offen. Doch außer sporadischen Zuwendungen sei im Gegensatz zu den Gemeinden im Umland, die private Träger kontinuierlich fördern, keine langfristige finanzielle Zusage vonseiten der Gemeinde Ferlachs erfolgt. Stattdessen sind erhebliche Mittel – 260.000 Euro – in den Erwerb des Hauses in der Ortsmitte geflossen.

In diesem Haus – schräg gegenüber vom Rathaus – soll ein Haus der Begegnung und der Zweisprachigkeit entstehen.
Foto: Flora Mory

Schwelender Streit

In den Neunzigerjahren begründet, weil die Gemeinde eine vom Bund geförderte zweisprachige Kindergartengruppe ablehnte, werden heute von dem Verein rund 150 Kinder betreut – 70 im Kindergarten. Die Mittel dafür kommen vom Land und aus einem Fonds, der pro Kind rund 2000 Euro zur Verfügung stellt. Die sachgemäße Betreuung koste aber mehr, so Verdel: Die Gemeinde zahle rund 4000 Euro pro Kind im Gemeindekindergarten.

Er pocht daher auf eine Erhöhung des Fonds von Landesseite: Schließlich würden die Kosten derzeit für alle Betreiber – ob öffentlich oder privat – massiv in die Höhe schießen. Denn ab Herbst wird in Kärnten die Größe der Kindergartengruppen zunächst auf 24 Kinder und später auf 20 Kinder reduziert. Ein "notwendiger Schritt", den Verdel sowohl für Pädagoginnen als auch für Kinder begrüßt, der aber auch Mehrkosten bringt.

Zudem wurden in Kärnten die Gebühren für Eltern vor der Wahl abgeschafft. Damit sei der Verein umso mehr auf Zuschüsse angewiesen. "Für mich ist die Haltung des Bürgermeisters, uns nicht langfristig zu fördern, auf Dauer nicht tragbar. Wir brauchen Planungssicherheit", sagt Verdel und verweist auf die 30 Angestellten. Zudem spare die Gemeinde mit jedem Kind, das von dem Verein betreut werde, Geld. Doch dafür fehle jegliche Anerkennung.

Abstimmungsspende für Miteinander

Die Reform in Kärnten sieht auch vor, dass zweisprachige Einrichtungen künftig eigene Mittel beim Land beantragen können und so weniger in der Gunst der Gemeinde stehen. Das findet Verdel gut. Appé bedauert das, "weil hier der gemeinsame Weg verlassen wird". Er ziehe das Miteinander vor.

Verdel, der Appé anrechnet, sich als einer der ersten Politiker für die NS-Deportationen von Slowenen entschuldigt zu haben, spricht sich ebenfalls für einen Dialog aus – er sei aber bisher nicht zu Gesprächen eingeladen worden. Dass das historische Gebäude damit statt zum Ort der Begegnung vorerst zum Sinnbild des Streits geworden ist, mutet durchaus bedauerlich an: Schließlich wurde es ausgerechnet mit Mitteln der Abstimmungsspende erworben.

Das sind Gelder, die das Bundeskanzleramt (BKA) zur Förderung der slowenischen Bevölkerung und für zweisprachiges Miteinander, Bildung und digitalen Auftritt ausgezahlt hat. Und zwar anlässlich der Wiederkehr der Volksabstimmung 1920 – als Südkärntens mehrheitlich Slowenisch sprechende Bevölkerung über ihre nationale Zugehörigkeit zugunsten Österreichs entschied.

Mehr Volksschulanmeldungen

Nach 1945 sollte die Bildung im Abstimmungsgebiet für alle Kinder zweisprachig werden, doch das verhinderte das Land. Mit dem Staatsvertrag bekamen die Sprachenrechte im Bildungsbereich zwar Verfassungsrang – deren Umsetzung blieb jedoch jahrzehntelang offen. Das ändert sich: Während heute die Zahl der Kärntner Slowenen zwar laut einer neuen OGM-Studie im Auftrag des BKA weiter schrumpft, gibt es immer mehr Anmeldungen zum zweisprachigen Volksschulunterricht – auch von Kindern, die nicht der Volksgruppe angehören.

Die Zweisprachigkeit in Kindergärten und Tagesstätten ist dagegen nicht gesetzlich geregelt. Und das, obwohl die Vorschulbildung zentral für die Weitergabe und damit das Überleben der Sprache ist. Daher fordert Slowenenvertreter Bernhard Sadovnik einen Rechtsanspruch für mehrsprachige Betreuung ab dem ersten Lebensjahr. Sonst sei die "sprachliche Vielfalt Österreichs ernsthaft bedroht".

Vorschulbildung ist in Südkärnten zentral, um auch Slowenisch an Kinder weiterzugeben.
Foto: Flora Mory

Wie gut sich Kinder mit Mehrsprachigkeit zurechtfinden, weiß Dimitriya Dimitrova Wutti. Die gebürtige Bulgarin leitet die zweisprachige Montessori-Kleinkindgemeinschaft des Vereins Zweisprachiger Kindergarten Ferlach mit 30 Kindern. Kinder, die zu Hause eine der beiden Sprachen sprechen, würden hier in den ersten Lebensjahren einen riesigen Wortschatz auf Deutsch und Slowenisch erlernen – all das spielerisch. "Das funktioniert gut, weil jede Betreuerin konsequent in ihrer Sprache bleibt – ganz nach dem erprobten Konzept: eine Person, eine Sprache", sagt Wutti.

Gefährliche und leere Hetze

Bildung ist aber freilich nicht die einzige Baustelle: Laut Staatsvertrag müssen auch Amts- und Rechtswege im zweisprachigen Gebiet beidsprachig möglich sein. Das ist nur bedingt der Fall. Wer etwa auf Slowenisch heiraten will, muss oft hartnäckig dafür kämpfen. Auch die Gerichtsbarkeit ist auf drei Sprengel, deren Schließung durch das Justizministerium droht, beschränkt und deckt nicht das zweisprachige Gebiet ab. Ihre Ausweitung (und Beibehaltung, für die man vor Ort kämpft) wäre nicht nur im Sinne der Zweisprachigkeit, sondern auch der Gesetze. Was die FPÖ im Wahlkampf aber nicht daran hinderte, dagegen zu mobilisieren. und als "Slowenisierung" zu verhetzen. (Flora Mory aus Ferlach/Borovlje, 24.3.2023)