Die UBS musste die Credit Suisse übernehmen. Damit entsteht ein neuer Finanzkoloss, der größer ist als die Deutsche Bank.

Foto: AFP / Daniel Leal

Die Zukunft der Credit Suisse (CS) ist entschieden. Sie wird für drei Milliarden Franken (drei Milliarden Euro) an die UBS notverkauft. Um allfällige Risiken für die UBS zu reduzieren, gibt der Bund der Großbank eine Garantie von neun Milliarden Franken. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) unterstützt mit einem Darlehen von bis zu 200 Milliarden Franken. Der Mega-Deal wirft aber eine Reihe neuer Fragen auf.

Kapitalmarktanalyst Robert Halver stuft die Übernahme durch UBS als "sehr wichtig" ein
DER STANDARD

Frage: Um die Übernahme so rasch auf Schiene zu bringen, wurde auf ein Notrecht zurückgegriffen. Worum geht es da?

Antwort: Für die Liquiditätshilfen an die Credit Suisse wurden gesetzliche Grundlagen definiert, ein Konkursprivileg geschaffen. Damit erhält die Nationalbank die nötige Sicherheit, um der Credit Suisse zusätzliche Liquidität zur Verfügung stellen zu können. Die SNB erhält zudem eine Ausfallgarantie. Die beiden Notrechtmaßnahmen erfolgten gestützt auf die Artikel 184 und 185 der Bundesverfassung. Das Notrecht soll in ordentliches Recht überführt werden, sagte Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Man werde dem Parlament innert sechs Monaten eine Vorlage vorlegen.

Frage: Gibt es auch Kritik an diesem Notrecht?

Antwort: Ja. Der auf Bankenrecht spezialisierte Schweizer Rechtsprofessor Peter V. Kunz etwa hält das Notrecht für eine unzureichende Rechtsgrundlage. Er rechnet mit Klagen gegen die Eidgenossenschaft. "Dass die Credit-Suisse-Aktionäre zum Deal gar nicht mehr gefragt werden, ist eine völlig außergesetzliche Regelung", sagte Kunz dem Blick. Noch am Freitag habe man der Öffentlichkeit gesagt, die Bank sei liquide und es bestehe kein Notfall. An dieser Aussage, so Kunz, könnten die Großaktionäre den Bund festnageln. Klagen werden auch erwartet, weil die Investoren bei der Festlegung des Übernahmepreises vor vollendete Tatsachen gestellt worden sind.

Frage: Wie finanziert die UBS die Übernahme ihrer bisherigen Rivalin?

Antwort: Alle helfen zusammen, könnte man sagen. Die UBS legt drei Milliarden Schweizer Franken auf den Tisch – in Form eigener Aktien. Die Anteilshalter der Credit Suisse bekommen für jeweils 22,48 CS-Papiere eine UBS-Aktie. Bezogen auf den letzten Börsenwert der CS von vorigem Freitag beträgt der Kaufpreis gerade 40 Prozent. Geht man weiter zurück ins Jahr 2007, zum Höchstkurs der CS-Aktie, beträgt der Wertverlust 99 Prozent. Abgesichert wird der Deal durch Staatsgarantien von neun Milliarden Franken und von der Schweizer Notenbank (SNB), die beiden Banken die genannte Liquiditätshilfe in der Höhe von je 100 Milliarden Franken zur Verfügung stellt. Die Credit Suisse bekommt darüber hinaus einen weiteren Liquiditätshilfekredit von bis zu 100 Milliarden Franken – der mit einer Ausfallgarantie des Bundes abgesichert wird. Die Kredite sind nicht gratis, sie kosten 1,5 Prozent. Diese Bundesgarantie wird aber nur schlagend, wenn die Bank pleitegeht – und die Notenbank einen Verlust erleidet.

Frage: Wie groß sind UBS und Credit Suisse zusammen?

Antwort: Riesig. Der Finanzkoloss wird ein Vermögen von umgerechnet rund 4,7 Billionen Euro verwalten und damit der weltweit größte Verwalter von Privatvermögen sein.

Frage: Was bedeutet die Fusion für die Mitarbeiter?

Antwort: Klar ist das alles noch nicht. Geführt wird das Institut weiterhin von UBS-Vorstandschef Ralph Hamers und Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher. Laut Letzterem werde man zum Stellenabbau bald Klarheit schaffen, die Bank geht von Kosteneinsparungen in der Höhe von fast acht Milliarden Euro bis 2027 aus. Die zwei Institute haben zusammen rund 125.000 Beschäftigte, ein Drittel davon in der Schweiz. Fachleute sagen, dass an die 30.000 Jobs gestrichen werden könnten.

Frage: Welche Ereignisse verbinden Credit Suisse und Österreich?

Antwort: Die Credit Suisse war ein Interessent für die Wiener Creditanstalt (CA), als diese Mitte der 1990er-Jahre zum Verkauf gestellt wurde. Die Privatisierung der CA erfolgte dann 1997, die Bank Austria machte das Rennen – was die damalige Koalition zwischen SPÖ und ÖVP fast zum Platzen gebracht hätte. Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) soll es gewesen sein, der den damaligen Präsidenten der Credit Suisse, Rainer Gut, für die Creditanstalt erwärmen konnte, für jene Bank, die Ex-CA-Vorstandschef Hannes Androsch einmal als "monetäre Visitenkarte Österreichs" bezeichnet hatte. Die Bank Austria zahlte damals umgerechnet 1,25 Milliarden Euro für knapp 70 Prozent der CA-Anteile.

Frage: Warum hat die Schweizer Regierung das "Swiss Finish" außer Acht gelassen?

Antwort: Eigentlich haben die Schweizer nach der weltweiten Finanzkrise beschlossen, ihr Bankensystem so aufzustellen, dass die Institute ihr Schweiz-Geschäft im Krisenfall von ihrem übrigen, internationalen Geschäft trennen können. Im Fall der Fälle wollte man das nationale Geschäft retten, nicht aber das internationale – und sich so dem Druck entziehen, der entstehen kann, weil die kleine Schweiz in Form von UBS und CS gleich zwei systemrelevante, weltweit tätige Geldhäuser beherbergt. Dieser Plan wurde nun aber nicht umgesetzt: Zu groß wäre die Gefahr für den Kapitalmarkt gewesen, die ein Umfallen der Nicht-Schweizer CS-Töchter bewirkt hätte, argumentierten die Player dieser Welt.

Frage: Warum wurden die massiven Probleme der CS nicht früher behoben?

Antwort: Die CS war, wie berichtet, nicht nur eine Groß-, sondern auch eine Skandalbank. Sie war in der Vergangenheit in zig Affären verwickelt, hatte – achtsam ausgedrückt – massive Compliance-Probleme. Darüber wussten alle, auch die Aufseher, bestens Bescheid, geschehen ist aber nichts. "Niemand wurde als nicht fit & proper abberufen, niemand zur Verantwortung gezogen, niemand ist schuld", fasst es ein Wiener Banker zusammen. Warum das so war? Eine ebenso einfache wie einleuchtende Erklärung von Experten lautet so: Die Macht der Schweizer Großbanken als Gelddrehscheibe ist zu groß, größer jedenfalls als der Durchsetzungswille der Politik, die sich’s mit denen nicht verscherzen will, die diese Drehscheibe am Laufen halten und am Geldtopf sitzen.

Frage: Könnten Aktionäre im Krisenfall auch bei uns zur Kassa gebeten werden?

Antwort: Die Aktionäre der CS wurden teil-enteignet, per Notgesetz quasi. Das könnte auch im Euroraum, also auch in Österreich jederzeit geschehen – sogar leichter als in der Schweiz, die ja kein EU-Mitglied ist, aber die wesentlichen EU-Regeln zu übernommen hat. Gemäß Euroraum-Regeln kann die europäische Aufsicht unter Führung der EZB Banken aus volkswirtschaftlichen Gründen geordnet abwickeln, wenn das im öffentlichen Interesse liegt. Von Zahlungsunfähigkeit bedrohte Institute können liquidiert, gerettet oder anderweitig saniert werden – all das unter einem Schutzschirm. Zuständig für die Abwicklung systemrelevanter Banken ist der einheitliche Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board; SRB). Bei der Abwicklung kann es eben auch zum Bail-in kommen, in dessen Rahmen Eigenkapital ebenso geschnitten werden kann wie die Schulden des Instituts. Auch Spareinlagen kann das betreffen – aber nur bis zur Einlagensicherung, die in Österreich bei 100.000 Euro liegt, die unantastbar sind. Jüngstes Beispiel für so eine Abwicklung: die Sberbank Europe mit Sitz in Wien.

Frage: Was passiert mit dem Geschäft der CS?

Antwort: Laut Finma bleibt die Geschäftstätigkeit aufrecht, alle Geschäftsaktivitäten der Banken könnten uneingeschränkt fortgeführt werden. Auch der Schutz der Einleger bleibe gewahrt und Depots, Konten und Dienstleistungen wie Schalter, Automaten, E-Banking, Debit- und Kreditkarten in gewohnter Weise zugänglich. (Renate Graber, Bettina Pfluger, 20.3.2023)