
Beim Überflug von A81 nichts als endloses Weiß. Der größte Teil des Giganten liegt freilich unter der Wasseroberfläche.
Als sich am 22. Jänner dieses Jahres der Eisberg A81 vom antarktischen Brunt-Schelfeis löste, kam das nicht völlig unerwartet. Seit Jahrzehnten werden in dieser Region Risse und Spalten mit Argusaugen vom British Antarctic Survey (BAS) beobachtet. 2012 nahmen die Aktivitäten zu, sodass die BAS schließlich 2016 die nahe gelegene Halley-VI-Forschungsstation um 23 Kilometer verlegte, um zu verhindern, dass sie abgeschnitten wird.
Blick von oben
Der neue Eisberg mit einer Fläche von 1.550 Quadratkilometern ist bereits der zweite Eisriese binnen zwei Jahren, der sich von diesem Gebiet der Antarktis gelöst hat. A74 brach 2021 vom Brunt-Schelf ab und trieb schließlich ins Weddellmeer davon. Jüngste Beobachtungen bestätigten die ursprüngliche Vermutung, dass A81 ebenfalls diesen Weg im Antarktischen Küstenstrom nehmen würde. Nun hat ein Forschungsteam der BAS die ersten Luftaufnahmen von dem Giganten präsentiert.
"Ein Eisberg dieser Größe hat enorme Auswirkungen auf die Meeresökosysteme mit ihrer vielfältigen Meeresfauna und -flora", erklärte der Ökologe Geraint Tarling von der BAS gegenüber BBC News. "Diese Konsequenzen können sowohl positiv als auch negativ sein."
Salzgehalt sinkt
Die Bilder aus der Luft von der schier endlosen Eisdecke von A81 vermitteln nur einen unzulänglichen Eindruck seiner wahren Dimensionen – der deutlich größere Teil seiner Masse verbirgt sich schließlich unter Wasser. Momentan treibt sich der Eisberg rund 150 Kilometer von der Stelle entfernt herum, von der er aufgebrochen war. Damit nähert er sich Regionen, in denen er auch für Probleme sorgen kann.
"Wenn der Eisberg schmilzt, setzt er viele Nährstoffe frei, die das Wachstum mikroskopisch kleiner Pflanzen an der Basis der ozeanischen Nahrungsnetze begünstigen könnten", sagte Tarling. "Die Kehrseite der Medaille ist, dass beim Schmelzen des Eisbergs viel Süßwasser in den Ozean gelangt. Der Salzgehalt sinkt und das Wasser wird für viele tierische und pflanzliche Planktonarten ungeeignet." Schlimmstenfalls kann sich dieser Vorgang kaskadenartig über das gesamte Nahrungsnetz bis hin zu Fischen, Vögeln, Robben und Walen auswirken, meinte der Forscher.
Noch größerer Eisberg auf dem Weg nach Norden
A81 ist nicht der einzige Eisberg in diesem Gebiet, der vom British Antarctic Survey im Auge behalten wird – und schon gar nicht der größte: A76a ist mit 3.200 Quadratkilometern doppelt so groß. Der lange schmale Eisberg wurde auf seiner Reise aus dem Weddellmeer in den Südatlantik von einem Team an Bord des Forschungsschiffs Discovery für rund 24 Stunden aus der Nähe begutachtet.
"Er lag auf unserer Heimfahrt praktisch am Weg", sagte Tarling. Die Forschenden kamen an einigen Stellen ziemlich nah heran, sodass sie auch in der Lage waren, Wasserproben für spätere Untersuchungen aus der unmittelbaren Umgebung des Eisbergs zu nehmen.
A76a löste sich im Mai 2021 vom Filchner-Ronne-Schelfeis südlich seiner aktuellen Position. Aktuell sieht es so aus, als würde er auf seiner von Strömungen und Winden angetriebenen Fahrt nach Norden auf die Falklandinseln und Südgeorgien zuhalten.
Gefahr für Ökosysteme und Schifffahrt
Unter Umständen könnte er sich in flacheren Gewässern in Küstennähe festsetzen, befürchten die Forschenden. Oder der Eisberg verkeilt sich in einer Ansammlung nahegelegenen kleinen Inselchen, den Shag Rocks, was ebenfalls problematisch wäre. Die Folgen wären für die örtliche Tier- und Pflanzenwelt und den Menschen in der Region gleichermaßen verheerend.
"Obwohl die Touristensaison zu Ende geht, sind unsere Fischereibetriebe auch in den Wintermonaten in Betrieb", sagte Mark Belchier, Direktor für Fischerei und Umwelt von Südgeorgien und den Südlichen Sandwichinseln. "Der Eisberg kann bei einigen unserer Wildtiere Probleme verursachen, unsere größte Sorge gilt derzeit jedoch der Gefährdung von Schiffen, wenn der Eisberg in kleinere Teile zu zerbrechen beginnt." (tberg, 21.3.2023)