Was hinten rauskommt, ist entscheidend, egal ob Winter oder Sommer. Das ist unterschiedlich und beschäftigt Gerichte seit Auffliegen des Dieselskandals im Jahr 2015.

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Luxemburg – Klarheit im Abgasskandal wird heute, Dienstag, vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) erwartet. Es geht um das berühmte Thermofenster, also temperaturgesteuerte Abschalteinrichtungen, mit denen die Abgasreinigung vorgeblich zum Schutz des Motors gedrosselt oder ganz ausgeschaltet wird. Anders als in dem 2015 in den USA aufgedeckten Volkswagen-Dieselskandal geht es nicht um eine illegale Software, die erkannte, ob das Fahrzeug auf dem Typprüfstand lief (und die Abschalteinrichtung aktivierte), sondern um offizielle, vom deutschen Kraftfahrt-Bundesamt KBA genehmigte "Thermofenster".

Eben solche Abschalteinrichtungen sind unter anderem in Daimler-Pkw verbaut und in Volkswagen-Modellen (VW, Audi etc) mit der Motorkennung EA288, also dem Nachfolgemodell des Skandalmotors EA189. Daimler wie Volkswagen betonen seit Jahren, die verbaute Abschalteinrichtung sei vom KBA genehmigt, daher liege kein Vorsatz und schon gar kein Abgasbetrug vor.

Abgasreinigung gedrosselt

Sollte der EuGH nun jedoch zum Schluss kommen, dass Fahrlässigkeit ausreicht, "können Automobilhersteller nicht mehr sagen, sie hätten nicht wissen können, dass eine Abschalteinrichtung, die dafür sorgt, dass die Abgasreinigung zwischen 15 und 33 Grad oder zwischen elf bis 45 Grad, also mehr als die Hälfte des Jahres nicht aktiv ist, nicht zulässig ist", sagt der mit hunderten Dieselklagen befasste Linzer Anwalt Michael Poduschka.

Folgt der EuGH seinem Generalanwalt, Dann gibt es Hoffnung für Konsumenten. Denn in seinem Schlussantrag erklärte der Generalanwalt des EuGH, dass Käufer von Autos mit eingebauter unzulässiger Drosselung der Abgasreinigung Ersatzanspruch gegen den Hersteller gebürt.

Ausgangspunkt ist ein Verfahren des Landgerichts Ravensburg, in dem ein Mercedes-Besitzer gegen Daimler auf Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung bei Rückgabe seines Mercedes geklagt. Das LG Ravensburg erbat Vorabentscheidung vom EuGH in der Frage, ob der Autobauer nur dann haftet. wenn er vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt hat. Der Oberste Gerichtshof in Österreich ist diesbezüglich recht klar: er sagt die Ausnahme darf nicht länger dauern als die Regel.

Höhe des Schadenersatzes

Klarheit erhoffen sich Verbraucherschützer und -anwälte vom EuGH auch in einem zweiten Punkt der anstehenden EuGH-Entscheidung: bei der Höhe des Schadenersatzes. Nach deutschem und österreichischem Recht wird das Nutzungsentgelt linear berechnet, wobei eine Gesamtlaufleistung von 250.000 Kilometer zugrunde liegt. Dauert ein Prozess so lang, bis auf dem Tacho 250.000 Kilometer erreicht sind, bekäme der Fahrzeughalter keine Entschädigung mehr. Der EuGH muss nun entscheiden, ob sich Kläger und Geschädigte vom Kaufpreis überhaupt ein Nutzungsentgelt abziehen lassen müssen oder ob bei einem aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung minderwertigen Fahrzeug der volle Kaufpreis die richtige Maßzahl wäre. (Luise Ungerboeck, 21.3.2023)