Konzerthaus-Intendant Matthias Naske setzt 2023/24 auf Vielfalt.

Foto: Heribert Corn

Wien – Wer sich das Programm der Konzerthaussaison 2023/24 vergegenwärtigt, wird bei 450 Veranstaltungen ganze 646 Ensembles, Solisten und Solistinnen entdecken. Fehlen wird der russisch-griechische Dirigent Teodor Currentzis, der nur noch im Juni mit seinem "Westorchester" Utopia zu hören sein wird. Intendant Matthias Naske zieht offensichtlich die Konsequenz daraus, dass sich Currentzis bis heute nicht zum Krieg gegen die Ukraine öffentlich äußern wollte.

Lange hat Naske am Dirigenten mit Verständnis für dessen Lage festgehalten. Da Currentzis "in Russland und im Westen dirigiert, verstärkt sein Schweigen aber die politische Dimension jedes seiner öffentlichen Auftritte". Naske plädiert zwar nach wie vor für eine "differenzierte Haltung gegenüber in Russland ansässigen Künstlern und Künstlerinnen". Angesichts der grässlichen Kriegslage nagt Currentzis’ schweigsames Pendeln zwischen den "Blöcken" wohl aber doch zu sehr an seiner Glaubwürdigkeit.

Genug andere Themen

Naske hat ohnedies genug andere Themen zu beackern. Die Energiekosten sind eine Belastung. Er musste das Personal um fünf Stellen reduzieren. Und in der aktuellen Saison wurden 14 Prozent weniger Abonnements verkauft – im Vergleich zur Phase vor Corona. Naske sieht allerdings die Lage mittlerweile wieder als verbessert an.

Üppiges Angebot

Die gute Nachricht: Von Stadt und Bund werden einmalig jeweils 500.000 Euro extra in Aussicht gestellt, womit die Subventionssumme insgesamt vier Millionen Euro betragen würde. Für ein Jahr. Und seit September zeige die Entwicklung im Publikumsbereich nach oben, wobei Karten wohl noch immer kurzfristiger gekauft würden.

Das Angebot ist ebenfalls üppig: Es werden 61 Zyklen, 450 Eigenveranstaltungen und insgesamt 401.000 Karten aufgelegt, mit denen man unter anderem 17 Gastorchester erleben kann. Naske hält auch am Konzept der Porträts fest: In der kommenden Saison werden in diesem Sinne Geigerin Patricia Kopatchinskaja, Sängerin Fatma Said oder der Hangspieler Manu Delago mit Schwerpunkten bedacht. Ein neuer Zyklus ist Dirigent Franz Welser-Möst gewidmet, der u. a. mit seinem Cleveland Orchestra kommt.

Das RSO möge beim ORF bleiben!

Interessante Einzelevents: Künstler William Kentridge hat zur 10. Symphonie von Schostakowitsch einen Film ersonnen. Auch kommt das legendäre Kronos Quartet wieder ins Konzerthaus und teilt sich Büchnerpreisträgerin Emine Sevgi Özdamar lesend die Bühne mit Starpianist Fazil Say.

Der Saisonstart? Den bestreitet am 4. 9. Dirigent Riccardo Chailly mit dem Orchester der Mailänder Scala. Den Ausklang der Saison bespielt mit Orffs Carmina Burana das mittlerweile gefährdete ORF-RSO Wien (29. 6. 2024), an dessen Auflösung Naske nicht glauben will. Dies wäre "zu dreist". Zudem hält Naske für essenziell, das Orchester unter dem Dach des ORF zu belassen. Eine Ausgliederung fände er "den Anfang vom Ende".

(Ljubisa Tosic, 21.3.2023)