Die Medizinerin Katharina Reich und Generalmajor Rudolf Striedinger saßen der Gecko vor.

Foto: Heribert Corn

Das Ende der Gesamtstaatlichen Covid-Koordination, besser bekannt als Gecko, kam ungeplant. Wie berichtet, ließ das Bundeskanzleramt (BKA) am Montag wissen, dass es mit Ende März zur "geordneten Auflösung" komme. Der Unmut innerhalb der Gecko wurde seitens des BKA jedoch nicht erwähnt. Am Dienstag bestätigten Virologe Andreas Bergthaler und Simulationsforscher Niki Popper auf Twitter, dass ohnehin Rücktritte geplant gewesen seien.

Virologe Bergthaler am Tag nach der Sitzung auf Twitter, Simulationsforscher Popper retweetete diese Nachricht mit dem Hinweis, sich Bergthaler "in allem" anzuschließen.

Bergthaler twitterte: "Meine Beweggründe waren politischen Entwicklungen geschuldet, die für mich mit dem ursprünglichen Beratungsmandat nicht mehr in Einklang zu bringen waren."

Gesetzlicher Auftrag

Das alles passierte natürlich nicht losgelöst vor einer Entwicklung in Österreich, in der Wissenschaftsfeindlichkeit Konjunktur hat. Im Laufe der Pandemie wurden Prominente aus Wissenschaft und Forschung immer wieder Opfer von Drohungen. Teile der Bundesregierung und der Regierungspakt in Niederösterreich wirken diesem Trend kaum entgegen. Viele Forscherinnen und Forscher kritisieren, wie zuletzt der Molekularbiologe Ulrich Elling im STANDARD-Gespräch, dass Populismus der Politik wichtiger sei, wie nun am geplanten Corona-Fonds in Niederösterreich deutlich werde.

Doch das Kanzleramt kündigte am Montag nach der Gecko-Sitzung auch an, man wolle unter Federführung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) "intensiv an der Gestaltung des Dialogprozesses" arbeiten. Was dabei genau von wem "nach Ostern" aufgearbeitet werden soll, wollte DER STANDARD von der ÖAW wissen. Das habe "mit Gecko eigentlich nichts zu tun", betont ÖAW-Sprecherin Debora Knob, "wer das macht und wer dabei sein wird, alle diese Details werden erst ausgearbeitet". Auch zum genauen Auftrag könne man nichts sagen, so Knob.

Die 23 Mitglieder der Gecko arbeiteten ehrenamtlich, bekamen also eineinhalb Jahre kein Geld für ihre Tätigkeit, die vor allem, aber nicht nur, für die wissenschaftlichen Mitglieder sehr intensiv war. Neben ihnen gab es auch nichtwissenschaftliche Mitglieder, wie etwa Landesamtsdirektoren aus den Bundesländern oder Karlheinz Kopf, Generalsekretär der Wirtschaftskammer.

Mehr Transparenz

Der Soziologe der ÖAW, Alexander Bogner, sieht Vor- und Nachteile im Wesen der Gecko: "Es war gut, ein Beratungssystem auszudifferenzieren", sagt er, "denn es gab zu Beginn der Pandemie einen Wildwuchs der Politikberatungsgremien. Gecko war der Versuch, zu zentralisieren und zu professionalisieren. Es gab mehr Transparenz, Ergebnisprotokolle wurden publiziert und nachvollziehbar gemacht, was diskutiert wurde." Ein Nachteil sei aber, dass "auch Interessenvertreter hineingesetzt wurden". So sei aus einem Beratungsgremium ein "Miniparlament" geworden, "was zu Überforderung führt". Bogner verstehe, dass dies als Korrektiv gedacht war, doch müsse man "in der Phase der Evidenzbildung Wissen und Werte streng trennen. Danach kommt die Frage der politischen Umsetzbarkeit. Vermischt man das, sorgt man für Missverständnisse."

Soziologe Alexander Bogner glaubt, man hätte die Gecko für kommende Krisen behalten und ausbauen sollen.
Foto: Heribert Corn

Bogner bedauert das Aus der Gecko: "Österreich bräuchte ein Krisenberatungsgremium, um künftig gewappnet zu sein." Ähnlich wie die Scientific Advisory Group for Emergencies (Sage) in Großbritannien bräuchte es aber weit mehr als 23 Mitglieder. "Sage hat Untergruppen und einen Evidenzbildungsapparat. Das mussten die armen Gecko-Experten alles in ihrer Freizeit machen", sagt Bogner. Also Meetings mit der WHO, Gespräche mit der Kollegenschaft und Lesen unzähliger Papers. "Das waren alles super Leute, aber man hätte das weiter professionalisieren können", betont der Soziologe. Die Gecko "hätte ein Anfang sein können", resümiert er, "nun ist sie am Ende".

Stimmen aus der Wissenschaft wie die Ärztin und Long-Covid-Forscherin Kathryn Hoffmann von der Med-Uni Wien und Jakob-Moritz Eberl vom Austrian Corona Panel Project der Uni Wien forderten am Dienstag auch bei einem Pressegespräch der Initiative gesundes Österreich (IGÖ) Gehör.

Luftfilter für Schulen

Sie warnten vor langfristigen negativen Folgen für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben, wenn man Viruswellen ohne Vorkehrung durch Klassenzimmer laufen ließe. Die Forderung der IGÖ lautet: Prävention durch saubere Luft in Schulen. Es brauche Luftreinigungsgeräte, die vor Viren schützen und die Konzentration fördern würden. Länder wie Belgien und Neuseeland seien Vorreiter. In Österreich kommen solche Geräte bereits in Industriebetrieben und Regierungsbüros zum Einsatz. Ein politisch befeuerter "Pandemie-Revisionismus" gefährde langfristig die Gesundheit der Kinder, sagte Eberl.

Um die 1.500 Euro würden gute Geräte pro Klasse kosten, es gebe aber auch günstigere Umluftgeräte, die über Fenstern angebracht werden könnten. Angesichts der 30 Millionen, die Niederösterreich in eine Corona-Fonds steckt, sollte so eine Investition getätigt werden, meinte die ehemalige Patientenanwältin Wien, Sigrid Pilz, die Teil der IGÖ ist.

Während der Pressekonferenz lief ein solches Gerät vollkommen lautlos. Bildungsminister Martin Polaschek meinte aber in der ORF-"ZiB 13.00" nach den Geräten gefragt, diese würden nachträglich eingebaut bloß "Wärme und Lärm und zusätzliche Energie" bedeuten. Lüften wäre genauso gut.

Die IGÖ sendete daraufhin am Abend noch ein Statement aus, in dem sie Polascheks Aussage widersprach: "Jeder, der schon einmal den CO2-Gehalt in einer Schulklasse gemessen hat, weiß, wie schnell die Luft den für Gesundheitsschutz und Konzentration maßgeblichen Schwellwert von 800 bzw. 1.000 ppm überschreitet. Das dafür notwendige Stoßlüften alle 15 Minuten ist nicht nur fern jeder Praxistauglichkeit im laufenden Unterricht, es ist auch im Winter äußerst unbehaglich. Der Minister hat dafür zu sorgen, dass die Luftqualität in Österreichs Schulklassen dauerhaft auf einem akzeptablen Niveau ist, um Gesundheitsschutz und Lernerfolg zu ermöglichen." (Colette M. Schmidt, 21.3.2023)