Algen können nicht nur Kohlenstoffspeicher darstellen, sie spielen auch für künftige Energietechnologien eine bedeutende Rolle.
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In seinen Forschungsprojekten in den USA beschäftigt sich Gregory Rorrer unter anderem mit der Frage, wie mithilfe von Algenfeldern im Meer systematisch CO2 aus der Atmosphäre entzogen werden könnte. Dabei soll eine Kultur von Algenklonen den Kohlenstoff aufnehmen und in Biomasse verwandeln. Wenn die Alge wieder abstirbt, gibt sie den gebundenen Kohlenstoff allerdings wieder ab, womit wenig gewonnen ist.

Kohlenstoffspeicher aus Algen

Doch manche Algen bilden durch Photosynthese Mehrfachzuckermoleküle, die von den Mikroorganismen nur langsam abgebaut werden können. "Mit der Zeit verbinden sich die Polysaccharide zu Partikeln und sinken zum Meeresgrund hinab", erklärt der Experte für nachhaltige Energiesysteme. Der von den Algen erzeugte Zucker wird zum langfristigen Kohlenstoffspeicher. Im Binnenland Österreich haben Meeresalgen nicht die höchste Priorität. Rorrer, Professor of Chemical Engineering an der Oregon State University, kam dennoch für ein halbes Jahr hierher – genauer gesagt nach Pinkafeld im Burgenland.

Hier weilte der ehemalige Programmdirektor des staatlichen Nachhaltigkeitsprogramms der US National Science Foundation (NSF) in Washington im Rahmen des Fulbright-Programms an der FH Burgenland. Als Gastprofessor am Department Energie & Umwelt hielt der "American in town", wie er sich beschreibt, nicht nur eine Lehrveranstaltung zu "Emerging Sustainable Energy Systems". Er sah sich in der alpenländischen Energieforschung Lösungen an, die für die USA relevant sein könnten, und knüpfte Kontakte für künftigen Austausch.

Wasserstoff aus Biomasse

"Wir haben Pläne entwickelt, die Zusammenarbeit auch nach meiner Abreise fortzusetzen", sagt der Chemieingenieur in Hinblick auf die Energieforschung der FH Burgenland. Rorrer hebt die Wasserstoffforschung hervor, für die die burgenländischen Forschenden gut gerüstet seien. Gleichzeitig gebe es – anders als in den USA üblich – hier auch die Möglichkeit, mit lokalen Unternehmen zusammenzuarbeiten und "von der Anwendung inspirierte Grundlagenforschung" zu betreiben. Konkret geht es etwa um Forschung im Bereich der Nutzung organischer Reststoffe. Rorrer war selbst an der Entwicklung eines Prozesses beteiligt, bei dem Biomasse mithilfe von überkritischem Wasser reformiert wird, um Wasserstoff zu gewinnen.

Die Methode eignet sich besonders für die Verwertung sehr feuchter Biomasse: Algen, aber auch anderer wasserhaltiger Agrar- und Industrieabfälle. Überkritisches Wasser entsteht bei hohen Temperaturen und hohem Druck. Ab einem gewissen Punkt ist das Wasser zwar dicht wie eine Flüssigkeit, weist aber die Viskosität eines Gases auf, eine Unterscheidung der beiden Aggregatzustände ist nicht mehr möglich. Im Bioreaktor reagiert der Kohlenstoff der Biomasse mit diesem überkritischen Wasser, es entsteht CO2. Ähnlich der Verbrennung von Holz ist der Prozess CO2-neutral, sofern neue Biomasse nachwächst. Wasserstoff entsteht in der Reaktion aus überkritischem Wasser wie auch aus dem Wasser, das im organischen Material gebunden ist.

Biomassevergasung

Der Prozess benötigt Energie, steigt aber im Vergleich zur Herstellung von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse nicht schlecht aus. "Wir haben eine Reaktortechnologie entwickelt, mit der sehr rasch Wärme in einen lokal begrenzten Bereich zugeführt werden kann, sodass die Reaktion schnell zum Abschluss gebracht werden kann", sagt Rorrer über die Pilotanlage, die in seinen US-Projekten entstanden ist. Etwa ein Viertel des entstandenen Wasserstoffs müsste wieder zurück in den Prozess fließen, um eine Anlage nachhaltig zu betreiben.

Rorrer hält diese Art der Biomassevergasung für eine gute Ergänzung der Elektrolyse und für aussichtsreicher als die photokatalytische Wasserspaltung, die auch als eine Form der künstlichen Photosynthese bekannt ist. Dabei wird Sonnenlicht genutzt, um Wasser in seine Bestandteile aufzuspalten – bisher gibt es aber kaum Praxisanwendungen. Die ultimative Lösung der Energiewende ist für Rorrer auch der Wasserstoff aus Biomassevergasung nicht. "Es wird wohl keine Patentlösung geben, sondern ein ganzes Spektrum an Technologien, die eine nachhaltige Energiezukunft ermöglichen", sagt er.

Ausreichend Platz für Algen

Eine der Technologien zur Abmilderung des Klimawandels sollen künstliche Algenteppiche im Meer sein, an denen Rorrer forscht. In den USA fließen nun verstärkt Mittel in grüne Technologien. Die einschlägige Algenforschung wurde von der National Academy of Sciences zu einer Priorität erklärt. Rorrer arbeitet daran, diese Art der CO2-Abscheidung experimentell zu erproben und mathematisch zu modellieren. Eine zentrale Frage dabei: Wie viele Tausend Quadratkilometer Algenflächen braucht es, um eine relevante Menge abzusondern? Eine Umsetzung ist nur denkbar, wenn der Raumbedarf nicht überbordend ist. Rorrer ist zuversichtlich. "Es sieht danach aus, als wäre eine Gigatonne pro Jahr durchaus machbar." Das wäre immerhin ein Vierzigstel des aktuellen globalen CO2-Ausstoßes. (Alois Pumhösel, 29.3.2023)