Jene Mieten, die an den Richtwert gebunden sind, werden am 1. April um 8,6 Prozent steigen.

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Die Mietpreisbremse wird nicht kommen, stattdessen haben sich ÖVP und Grüne auf eine Aufstockung der Bundesmittel für die Wohnbeihilfen um 225 Millionen Euro geeinigt. Das gaben Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und ÖVP-Klubobmann August Wöginger am Mittwoch im Pressefoyer nach dem Ministerrat bekannt.

Ausschnitte aus dem Pressefoyer am Mittwoch.
DER STANDARD

Konkret stellt man den Bundesländern für Wohn- und Heizkostenzuschüsse weitere 225 Millionen Euro zur Verfügung, insgesamt enthält dieser schon im Vorjahr mit 450 Millionen Euro gefüllte Topf somit 675 Millionen Euro. Außerdem werden die Mittel zur Delogierungsprävention ("Wohnschirm") um 25 Millionen Euro aufgestockt.

"Die Gießkanne ist nicht das Allheilmittel", sagte Rauch. "Die Länder unterstützen ganz gezielt einkommensschwache Haushalte." Das sei ihm als Sozialminister besonders wichtig, so Rauch: "Wir müssen jenen Menschen helfen, die diese Hilfe ganz besonders brauchen."

Hilfe auf Antrag

Die Hilfe sei damit antragsbasiert, man bekomme sie also nicht automatisch. "Ich kann nur dazu aufrufen, sich diese Unterstützung auch zu holen." Die Beantragung sei "gut geübte Praxis in Österreich", assistierte ÖVP-Klubobmann Wöginger. Je nach Ausgestaltung der Richtlinien in den Bundesländern werde etwa das unterste Einkommensviertel in Österreich die Möglichkeit haben, um die Hilfe anzusuchen. Für diese rund eine Million Haushalte sollte ein Zuschuss von je 200 Euro möglich sein.

Die Causa wird am Donnerstag im Finanzausschuss behandelt, kommende Woche werde man sie schon in der Nationalratssitzung beschließen können, im April folge der Bundesrat. Damit bringe man das "in Windeseile durchs Parlament".

Die Richtwertmieten werden damit aber jedenfalls per 1. April (für Neuverträge) bzw. 1. Mai steigen. "Die Alternative wäre gewesen, dass gar nichts passiert", sagte Rauch im Pressefoyer.

Kein Sanierungsbonus

Dass es den ursprünglich von der ÖVP verlangten Sanierungsbonus für Hauseigentümer nicht geben wird, ist für den ÖVP-Klubobmann nicht schlimm. Diesen Bonus brauche es nicht mehr, wenn die Inflationsanpassung der Richtwertmieten durchgeführt werden könne.

Das Paket, das Wöginger "zielgerichtet und sozial gerecht" nannte, beweise, dass die Regierung "voll handlungsfähig" sei, die Stimmung sei gut. Man werde die Legislaturperiode voll ausnützen und habe noch einiges vor. "Manche Diskussion dauert etwas länger, aber am Ende ist das wichtig, was am Schluss herauskommt."

Tomaselli attackierte ÖVP

Zuvor dürfte es aber nochmals zu einem hitzigen Schlagabtausch der Koalitionäre gekommen sein. Am Dienstagabend hatte die grüne Abgeordnete Nina Tomaselli via Twitter den Verhandlungspartner attackiert. "Die ÖVP möchte ihre wohlhabende Klientel beschützen, das Schicksal der vielen MieterInnen darf da nicht stören", schrieb Tomaselli über die grüne Sicht auf die Regierungsverhandlungen.

Zunächst sei nur die Mietpreisbremse verhandelt worden. Dann sei die erste ÖVP-Forderung gekommen, wonach auch Vermieter mit einem Sanierungsbonus entschädigt werden müssten. Tomaselli: "Okay, wir haben zugestimmt, denn von günstigeren Betriebskosten profitieren ja auch die Mieter." Dann sei es auf Drängen der ÖVP zu Verhandlungen über die Grunderwerbsteuer gekommen: Diese sollte bis 500.000 Euro entfallen. Konkret: Beim Kauf einer Immobilie sollten die ersten 500.000 Euro von der Grunderwerbsteuer (3,5 Prozent des Kaufpreises) befreit werden.

Bonus für erstes Eigentum

Der Gegenvorschlag der Grünen laut Tomaselli: Jene, die sich zum ersten Mal Eigentum anschaffen, "sollten ihren Grunderwerbsteuer-Bonus bekommen". Im Gegenzug sollten aber Personen, die sich Immobilien über eine Million Euro leisten können, mehr zahlen.

"Das geht der ÖVP scheinbar gegen den Strich", fasste Tomaselli zusammen. "Damit für Wohlhabende beim Kauf von Immobilien alles bleibt wie bisher, verzichtet sie sogar auf den eigenen Vorschlag, junge Familien beim Kauf des ersten Eigenheims zu unterstützen." Nun soll es eine Aufstockung des Wohnzuschusses um 250 Millionen Euro statt der Mietpreisbremse werden. Tomaselli: "Die ÖVP macht damit einmal mehr klar, für wen sie arbeiten."

Felbermayr: "Inflation wird befeuert"

Wifo-Chef Gabriel Felbermayr äußerte sich sehr kritisch. "Ich dächte, mittlerweile wäre verstanden, dass immer neue Cash-Transfers zwar soziale Härten abfedern können, aber die Inflation nicht dämpfen, sondern sogar befeuern", schrieb er in einer Stellungnahme. "Wir brauchen dringend den Ausstieg aus der Preisspirale. Die Mietpreisbremse wäre ein erster Einstieg gewesen."

Fiskalrats-Präsident Christoph Badelt hatte schon am Vorabend in der "Zib1" des ORF gesagt, dass ihm der Vorschlag eines Wohnzuschusses "grundsätzlich sympathisch" sei, "weil ich glaube, dass man auf diese Art und Weise sehr zielgerichtet fördern kann. Im konkreten Fall aber erscheint mir der Vorschlag jetzt zu spät." Menschen mit geringem Einkommen müssten im Fall einer Umsetzung länger auf den Zuschuss warten, die höheren Mieten würden aber schon mit 1. April fällig werden.

Empörung unter Mieterschützern

Die Reaktionen von der Opposition und aus Mieterschutzorganisationen fielen geharnischt aus. Im Gewerkschaftsbund sprach man von einem "schwachen Kompromiss", in der Arbeiterkammer bezeichnete man die Einigung wenig zurückhaltend eine "Riesensauerei". Denn die Regierung befeuere nun die Inflation weiter, anstatt sie zu bekämpfen. "Die hohen Mieten sind einer der größten Inflationstreiber – das ist ein Teufelskreis. Diese Inflationsspirale muss unterbrochen werden", sagte AK-Präsidentin Renate Anderl. Und überdies seien die Wohnkostenhilfen nicht nachhaltig.

Die SPÖ schlug mit ihrer Kritik in dieselbe Kerbe. "Ein Wohnkostenzuschuss kann für einige eine kurzfristige Hilfe sein, löst aber das Problem nicht, sondern ist wieder nur eine Einmalzahlung, die nicht gegen die Inflation wirkt", sagte Vizeklubchef Jörg Leichtfried. "Die höheren Mieten werden ein Vielfaches dieses Zuschusses ausmachen – und diesen Zuschuss gibt es ja nur heuer."

"Zynische Almosenpolitik"

Für die FPÖ setzt die Regierung "ihre zynische Almosenpolitik fort". Bautensprecher Philipp Schrangl sieht einen "grausamen PR-Gag" in der Erhöhung des Wohnkostenzuschusses.

Halbwegs zufrieden gaben sich nur die Neos, die bei der Wohnkostenhilfe aber auf Treffsicherheit pochten. Es müsse gezielt denen geholfen werden, die die Unterstützung auch brauchen. "Hilfen mit der Gießkanne lehnen wir ab, ebenso Einmalzahlungen, die in Zeiten hoher Inflation nicht nachhaltig helfen", sagte Wohnsprecher Johannes Margreiter.

ÖHGB erfreut

Zustimmung für die getroffene Lösung kam wenig überraschend vom Haus- und Grundbesitzerbund (ÖHGB), der darauf verweist, dass "schließlich auch Löhne und Gehälter angehoben wurden".

Und auch die industrienahe Denkfabrik Agenda Austria feierte, "dass die Mietpreisbremse endgültig vom Tisch ist". Der Sozialstaat sei gefordert, bedürftigen Menschen in dieser Situation zu helfen. "Der Mietkostenzuschuss macht genau das und ist damit endlich einmal keine Gießkannenpolitik", sagt Agenda-Austria-Ökonom Hanno Lorenz. (Martin Putschögl, David Krutzler, 22.3.2023)