Vor den Gebäuden der Credit Suisse und der UBS am Paradeplatz kam es bereits zu Demonstrationen, veranstaltet von den Jungsozialisten Schweiz. Die Kritik an dem raschen Deal wird immer lauter und könnte juristisch ein langes Nachspiel haben.

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Das waren noch Zeiten bei der Credit Suisse (CS). Der damalige Chef der Schweizer Großbank, Brady Dougan, strich 2010 einen märchenhaften Bonus von 70,9 Millionen Franken ein. Zusammen mit seinem regulären Salär kam der gewiefte US-Amerikaner auf über 90 Millionen Franken Jahreseinkommen. Jetzt aber schließt das Kasino Credit Suisse. Nach etlichen Exzessen, Skandalen, einem dramatischen Sinkflug des Aktienkurses und Abflüssen von Kundengeldern in Milliardenhöhe wird die CS als eigenständige Bank verschwinden.

Die Übernahme des zweitgrößten Schweizer Finanzhauses durch das größte Institut des Landes, die UBS, ist beschlossene Sache. Finanzministerin Karin Keller-Sutter nannte die Bereinigung an der Spitze des Schweizer Finanzplatzes die "bestmögliche Lösung". Und sie gewährte großzügige staatliche Milliardenhilfen. Kritische Fragen zu der Hauruckaktion wischte sie mit Verweis auf das "Notrecht" in der Schweizer Verfassung beiseite. Der Chef der UBS, Ralph Hamers, der auch die neue Riesenbank führen soll, frohlockte: "Zusammen können wir eine noch schönere Bank bauen."

Ein Deal im Rekordtempo

Hamers handelte den Deal mit der schwer angeschlagenen Rivalin CS, der Regierung, der Nationalbank und der Finanzmarktaufsicht Finma in Rekordtempo aus. Schon die Ankündigung, dass die traditionsreiche Credit Suisse vom Platzhirsch UBS geschluckt wird, löste im Bankenland Schweiz Kopfschütteln, Entsetzen und Verzweiflung aus. Experten zogen Vergleiche zu anderen Abstürzen der Schweizer Wirtschaftsgeschichte, etwa dem Grounding der Fluggesellschaft Swissair im Jahr 2001 oder der staatlichen Rettung der UBS 2008.

Die Schweizer, die sich so gerne ihrer Solidität, Zuverlässigkeit und Geschäftstüchtigkeit rühmen, stehen wieder vor einem Scherbenhaufen. "Diese Übernahme ist ein historischer Skandal", schimpfte der "Tages-Anzeiger" aus Zürich – der Geldmetropole, wo der Eisenbahnpionier Alfred Escher 1856 die Schweizerische Kreditanstalt (später CS) gründete. Der Bund, die Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank hätten sich von der UBS über den Tisch ziehen lassen, analysiert der "Tagi" angesichts des günstigen Kaufpreises: Es sind nur drei Milliarden Franken.

Wer ist schuld am Debakel?

Und je mehr Einzelheiten über den Untergang der CS ans Tageslicht kommen, umso mehr fragt die Schweiz nach den Verantwortlichen. Klar scheint, dass die CS-Bosse der vergangenen Jahrzehnte die wirtschaftliche Hauptschuld tragen. Die Bank mit Hauptsitz am Zürcher Paradeplatz hatte sich als Lieferant von Negativschlagzeilen profiliert, das Vertrauen in das Institut nahm irreparablen Schaden. So musste die CS 2014 in den USA die Rekordstrafe von mehr als 2,5 Milliarden Dollar zahlen. Die findigen Banker hatten Amerikanern bei der Steuerhinterziehung geholfen. Noch Ende Februar dieses Jahres stellte die Finanzmarktaufsicht der CS ein miserables Zeugnis aus. In ihrer Beziehung mit dem Finanzier Lex Greensill habe die Credit Suisse "mit Blick auf das Risikomanagement und eine angemessene Betriebsorganisation in schwerer Weise gegen die aufsichtsrechtlichen Pflichten verstoßen".

Die Zürcher "Sonntagszeitung" fasst die anrüchige CS-Strategie so zusammen: "Seien es Diktatoren- oder Mafiagelder, Korruptionsaffären, Geldwäscherei, Beihilfe zur Steuerhinterziehung, Sanktionsbrüche – jedes Mal versprach die Bank, sich zu bessern. Stattdessen folgte auf jeden alten Skandal und auf jeden unfähigen Chef ein neuer."

Zu lange zugesehen

Laut wird ebenso Kritik an der Regierung in Bern, die zu lange und zu passiv dem Treiben in der Teppichetage der Credit Suisse zugeschaut habe. Die Sozialdemokraten wollen nun eine Parlamentarische Untersuchungskommission einsetzen. Auch aus dem Ausland droht Ungemach. Die Anwaltskanzleien Quinn Emanuel in New York und Pallas Partners in London prüfen rechtliche Schritte gegen die Schweizer. Es geht um sogenannte AT1-Anleihen im Wert von 16 Milliarden Franken (16 Milliarden Euro) der CS-Investoren, die nach der Übernahme durch die UBS ihren Wert verlieren.

"Ziel ist es, Schadenersatz zu erhalten, um die ungerechtfertigten Verluste der AT1s auszugleichen", heißt es aus dem Umfeld von Pallas zum STANDARD. "Wir erwägen auch die Möglichkeit, die Entscheidung zur Streichung der AT1 zu revidieren." Falls das gelingen sollte, könnte der ganze UBS-CS-Deal ins Wanken kommen. Gefährlich dürfte es für die Schweizer besonders dann werden, wenn Gerichte außerhalb der Landesgrenzen Urteile fällen: Pallas will Verfahren in Großbritannien, den USA und der Schweiz anstrengen.

Angst vor Entlassungswelle

Zittern müssen auch einfache Mitarbeiter der CS. Wie viele Frauen und Männer der weltweit rund 50.000 großen CS-Belegschaft, mehr als 16.000 von ihnen in der Schweiz, gehen müssen, ist noch nicht klar. "Nein, ich habe keine Zahlen", sagt UBS-Chef Hamers, um fast drohend hinterherzuschieben: "Es gibt immer Synergien, wenn man Banken zusammenfügt."

Diese zusammengefügte Megabank aus UBS und CS wird eine Bilanzsumme haben, die rund zweimal größer ausfällt als das Schweizer Bruttoinlandsprodukt. Schon macht das Wort von der "Monsterbank" die Runde – und sie könnte der Schweiz richtig gefährlich werden. "Die geplante Bank ist viel zu groß und erzeugt Klumpenrisiken für die Wirtschaft und die Gesellschaft", erläutert der Zürcher Finanzprofessor Marc Chesney. "Systemrelevante Großbanken wie jetzt die CS werden im Prinzip mithilfe des Staates gerettet und haben deshalb Anreize, viel zu hohe Risiken einzugehen." (Jan Dirk Herbermann aus Genf, 22.3.2023)