Der deutsche Komponist Ludwig van Beethoven gilt als einer der bedeutendsten Komponisten der Wiener Klassik.
Foto: Beethoven-Haus Bonn

Über die Gesundheit des weltbekannten Komponisten Ludwig van Beethoven wurde in der Vergangenheit viel gemutmaßt. Bisher musste man sich dafür vor allem an historischen Dokumenten orientieren. Nun gibt es eine neue Quelle von Informationen. Einem internationalen Team ist es anhand von Haarsträhnen erstmals gelungen, das Genom des Komponisten zu sequenzieren.

Die im Journal "Current Biology" veröffentlichte Studie sollte vor allem Aufschluss über Beethovens Gesundheitszustand geben. Die Authentizität der innerhalb der letzten sieben Jahre seines Lebens entnommenen Haarsträhnen wurde durch den Vergleich mit Genproben lebender Nachkommen des Komponisten bestätigt. Bei der Untersuchung, die unter anderem von der Universität Cambridge, dem Beethoven-Haus Bonn und der American Beethoven Society initiiert wurde, wirft jedoch auch neue Fragen bezüglich seines frühen Todes und seiner Abstammung auf.

Zahlreiche Erkrankungen

Beethoven hatte zu Lebzeiten bekanntermaßen mit einigen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Die wohl bekannteste Beeinträchtigung: seine fortschreitende Schwerhörigkeit. Bereits ab seinem 27. Lebensjahr leidet der Komponist unter Hörproblemen, ehe er 1818 völlig ertaubt, was sein Gemüt und seine Karriere gehörig ins Schwanken bringt, ihn aber nicht an der Komposition seiner bekanntesten Sinfonien hindert. Zusätzlich litt der Wahlwiener ein Leben lang an chronischen Magen-Darm-Beschwerden.

Wenige Jahre vor seinem Tod erkrankte Beethoven zudem an "Gelbsucht", wie es in seinen Konversationsbüchern heißt, was auf ein Leberleiden hindeuten könnte und vermutlich durch Alkoholmissbrauch verstärkt wurde. Auch die genaue Todesursache des zum damaligen Zeitpunkt 56-Jährigen ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Eine Leberzirrhose gilt jedoch am wahrscheinlichsten. Die genetische Untersuchung sollte nun endlich Licht ins Dunkel bringen.

Anhand von Haarsträhnen konnte das Genom des genialen Musikers sequenziert werden.
Foto: Kevin Brown

Taubheit und Magenbeschwerden

In Bezug auf seine Taubheit konnte die Studie keine konkreten Antworten liefern – bei der genetischen Untersuchung wurden diesbezüglich keinerlei Auffälligkeiten entdeckt. Axel Schmidt vom Institut für Humangenetik am Universitätsklinikum Bonn gibt jedoch zu bedenken: "Obwohl eine eindeutige genetische Grundlage für Beethovens Hörverlust nicht identifiziert werden konnte, kann ein solches Szenario nicht strikt ausgeschlossen werden."

Auch über die lebenslangen Magen-Darm-Beschwerden konnte die Untersuchung keinen Aufschluss geben. Die beteiligten Wissenschafterinnen und Wissenschafter argumentieren jedoch, dass durch die genomischen Daten zumindest Zöliakie, Laktoseintoleranz sowie das Reizdarmsyndrom als Ursache ausgeschlossen werden konnten.

Möglicher Alkoholmissbrauch

Anders beim Thema Leber: Die Forschenden fanden eine Reihe von bedeutenden genetischen Risikofaktoren für verschiedene Lebererkrankungen. Zusätzlich dürfte Beethoven – zumindest in den letzten Jahren seines Lebens – mit Hepatitis B infiziert gewesen sein. Das könnte für eine Leberzirrhose als Todesursache sprechen.

Welche Rolle dabei auch übermäßiger Alkoholkonsum spielte, lässt sich kaum noch rekonstruieren: "Beethovens Konversationsbücher lassen vermuten, dass er sehr regelmäßig Alkohol konsumiert hat – auch wenn die meisten seiner Zeitgenossen behaupten, sein Konsum sei für Wiener Verhältnisse des frühen 19. Jahrhunderts nur mäßig gewesen. Genaue Mengen sind jedoch schwierig zu schätzen", erklärt Tristan Begg, Hauptautor der Studie. Das Forscherteam vermutet nun, dass Beethovens Hepatitis-B-Infektion zu seiner schweren Lebererkrankung geführt hat und durch seinen Alkoholkonsum und das genetische Risiko verschlimmert wurde.

Familiengeheimnis

Abgesehen von den Erkenntnissen zu seinem Gesundheitszustand brachte die Untersuchung auch ein echtes Familiengeheimnis zutage. Durch den genetischen Vergleich mit lebenden Nachkommen der Familie Beethoven in Belgien konnte ein Bruch in der väterlichen Linie festgestellt werden. Irgendwann zwischen 1572 und der Zeugung von Ludwig van Beethoven, etwa sieben Generationen später, muss es ein Kind aus einer außerehelichen Beziehung in Beethovens väterlichen Linie gegeben haben.

Der Ehemann von Beethovens Mutter wurde schon öfter als biologischer Vater des berühmten Musikers angezweifelt. Leider konnte die genaue Generation, in der dieses Ereignis stattgefunden hat, bislang nicht bestimmt werden. Begg ist sich sicher: " Beethovens Genom ist nun für Forschende öffentlich zugänglich. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die verbleibenden Fragen über seine Gesundheit und Genealogie beantwortet werden." (Anna Tratter, 22.3.2023)