Die Camps in Cox's Bazar sind auch nach fast sechs Jahren noch "temporär".

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Immer wieder kommt es zu Bränden – wie Anfang März.

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Offiziell will noch niemand darüber sprechen, wann die ersten Rohingya aus Bangladesch zurück nach Myanmar gebracht werden. Doch der Besuch einer Delegation der Militärjunta im weltweit größten Flüchtlingslager Cox's Bazar deutet zumindest darauf hin, dass der Weg in diese Richtung führt. Laut Medienberichten wurden einige hundert Geflüchtete aufgesucht, die für ein Pilotprojekt in Sachen Rückführungen infrage kommen.

Der zuständige Beamte der bangladeschischen Regierung im Lager, Mohammed Mizanu Rahman, sprach von insgesamt 1.140 Namen, die sich auf der Liste der Rückkehrwilligen befinden. 711 seien bereits "freigegeben" worden, bei den verbleibenden Personen müsse man noch prüfen, zitiert ihn die Nachrichtenagentur Reuters. "Wir sind bereit", sie zurückzuschicken, so Rahman. Wann genau, sei aber offen.

Seit mehr als fünf Jahren leben die fast eine Million geflüchteten Rohingya in den Lagern nahe der Grenze zu Myanmar. Sie waren vor der gezielten Gewalt des myanmarischen Staats gegen sie geflohen. Die muslimische Minderheit stammt vor allem aus der Region Rakhine und gilt als Paria in dem mehrheitlich buddhistischen Land. Sie wurde 1982 auch offiziell als eine der 135 offiziellen Ethnien aus dem Staatsbürgerschaftsgesetz gestrichen. Fast alle Rohingya sind staatenlos und von den Grundrechten in Myanmar ausgeschlossen.

Gespräche ohne Vereinte Nationen

Auch im Jahr 2023 ist es zu gefährlich zurückzukehren, sagt Regina De La Portilla vom UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) in Bangladesch: "Wir informieren die Menschen über die aktuelle Situation in Myanmar", sagt sie zum STANDARD am Telefon. Und die sei nun einmal weder "sicher noch förderlich" für eine Rückkehr.

Über den Besuch der Junta-Delegation sei man informiert worden, erzählt De La Portilla. UNHCR wollte daraufhin bei den Gesprächen dabei sein, doch das hätten die Behörden Bangladeschs untersagt.

Gewalt in Myanmar

Die Diskriminierung in Rakhine durch die Junta, aber auch durch andere, lokale Akteure wie die Arakan Army geht dabei weiter. Betroffene berichten zum Beispiel von ständigen "zufälligen" Kontrollen, seien es Führerschein- oder andere Lizenzkontrollen, die hauptsächlich Minderheiten wie die Rohingya treffen.

Außerdem ist die Unruheprovinz wieder Schauplatz zunehmender Gewalt – zwischen der Junta und der Arakan Army. Letztere wetteifert mit der Junta um die Herrschaft. Die Ende 2020 erzielte Waffenruhe zwischen den zwei Konfliktparteien ist brüchig wie schon lange nicht mehr. Angehörige der Rohingya, egal ob solche, die die Heimat nie verlassen haben, oder solche, die zurückkehren würden, dienen als Pfand in dem Machtkampf. Gerade in diesem Jahr, wo die Junta im Sommer Wahlen im ganzen Land durchführen will, ist Rakhine alles andere als ein sicheres Pflaster zur Rückkehr.

Keine Linienänderung

Zu den Betroffenen auf der Liste für das Pilotprojekt in Cox's Bazar habe man keinen direkten Kontakt, sagt De La Portilla von UNHCR. Die Kontaktpersonen des Flüchtlingshochkommissariats stünden aber im Lager bereit, falls die Menschen Hilfe benötigen.

Prinzipiell will De La Portilla aber keine Hinweise bemerkt haben, dass sich die Linie der bangladeschischen Regierung im Zusammenhang mit den Rohingya ändert: "Wir sind uns einig, dass die möglicherweise beste Lösung eine sichere und freiwillige Rückkehr nach Myanmar ist", sagt die UNHCR-Mitarbeiterin: unter der Voraussetzung, dass ihre Rechte gewahrt sind. "Bangladesch sieht das genauso."

Wetterextreme und weniger Nahrung

Doch auch die Lage in den Camps wird immer schwieriger, erzählt die UNHCR-Sprecherin. Denn selbst nach mehr als fünf Jahren seien die Strukturen noch immer eine Übergangslösung: Die Hütten bestünden aus Bambus oder Blech – "und das in einer Gegend, die immer wieder schwer durch Wetterextreme getroffen wird", sagt De La Portilla. Monsunregen und Feuer zerstören regelmäßig weite Teile des rund 70 Quadratkilometer großen Komplexes, in dem hunderttausende Menschen leben. Erst vor kurzem zerstörte ein Großbrand die Unterkünfte von 12.000 Geflüchteten.

Indem den Rohingya von der bangladeschischen Regierung verboten wird zu arbeiten, sind die Menschen im Camp vollständig von humanitärer Hilfe abhängig. Und die kommt nicht mehr an. Laut dem Welternährungsprogramm (WFP) fehlen 125 Millionen US-Dollar an Spendengeldern, um den Rohingya weiterhin genügend Unterstützung zukommen zu lassen. Als Konsequenz musste das WFP zum ersten Mal seit der großen Fluchtbewegung vor fast sechs Jahren die Nahrungsmittelgutscheine von zwölf auf zehn Dollar pro Person im Monat kürzen.

Und das, obwohl bereits fast die Hälfte aller Menschen im Camp vor den Kürzungen keine ausgewogene Ernährung erhalten haben. Unterernährung und Anämie seien weit verbreitet, sagt De La Portilla, vor allem schwangere und stillende Mütter sind betroffen, Kinder wachsen verkümmert. "Wir haben große Angst", sagt die UNHCR-Mitarbeiterin. Denn sie befürchtet, dass die Nahrungsmittelknappheit dazu führt, dass Kinderehen und Gewalt gegen Schwächere in den Camps wieder zunehmen: "Außerdem könnten die Nahrungsmittelrationierungen erst der Anfang sein." (Bianca Blei, Anna Sawerthal, 24.3.2023)