David Garrett, hier bei einem Auftritt in Berlin, charmierte das Publikum des Wiener Konzerthauses.

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Auf dem Podium stehen Kerzen und die Scheinwerfer tauchen den Saal in ein wohlig-warmes Licht. Als David Garrett die Bühne betritt, entlädt sich begeisterterer Applaus. Die langen Haare des 42-Jährigen sind zum Zopf gebunden, er trägt schwarze Glitzerjeans und ein schwarzes T-Shirt, die tätowierten Arme hat er unter einem dunklen Blazer verborgen. Garrett lächelt schüchtern, schließt seine Guarneri del Gesu an den Verstärker an und spielt eine Sicilienne.

Im Publikum geht ein verzücktes Raunen durch die Reihen. Der Geiger begrüßt die Menschen im Saal und verspricht einen Abend mit großartiger klassischer Musik. Außerdem durften ihm seine Fans vorab Fragen schicken, die er zwischen den Stücken spontan beantwortet. Ob er Ski, Snowboard oder gar Schlittschuh fährt, will Karo wissen. Er würde gerne, allerdings sei das für seinen Beruf eher kontraproduktiv, sagt Garrett und stimmt den langweiligsten "Winter" aus Vivaldis Vier Jahreszeiten an.

Herzensprojekt

Vergangenes Jahr veröffentlichte Garrett das Album Iconic als Hommage an die großen Geiger des frühen 20. Jahrhunderts. "Ein absolutes Herzensprojekt", sagt er ins Mikro und erzählt, dass schon Oistrach, Heifetz oder Fritz Kreisler diese beliebten klassischen Stücke spielten, die Garrett für Orchester bearbeitet hat.

In Wien kommt der Orchesterklang aus der Dose, begleitet wird der Garrett von Gitarrist Franck van der Heijden und Bassist Rogier van Wegberg. Die Version der Mélodie aus Glucks Orpheus und Eurydike spielt er mit so viel Rubato, dass sie kaum wiederzukennen ist. Es folgen ein süßliches Ave Maria und Saint-Saëns’ Danse Macabre samt dazugehörigem Gedicht, das Garrett auswendig rezitiert. Mozarts Rondo Alla Turca hat er in der Orchesterfassung allerlei orientalisches Instrumentarium hinzugefügt. Endlich bekommt der Ton etwas Raues, Ungezähmtes.

Spätestens bei Vivaldis Sommer, das der gebürtige Aachener als stürmisches Tongemälde zeichnet, befindet sich der Saal im Ausnahmezustand. Den Abend beschließt Garrett mit einem virtuosen Hora staccato des rumänischen Roma-Geigers Grigoraș Dinicu. Als Zugabe interpretiert er seine Version der italienischen Partisanenhymne Bella Ciao, und das Publikum klatscht mit. Es gibt Standing Ovations für das einstige Wunderkind. (Miriam Damev, 22.3.2023)