Die Länderspielpause ist vorbei, jetzt geht es an’s Eingemachte. Europas Klubfußball ist auf der Zielgeraden – und die verspricht heuer Spannung und Spektakel. Sogar in Deutschland, wo man sich normalerweise nur fragt, wann und nicht ob die Bayern den Meistertitel fixieren, scheint eine Überraschung greifbar. Zum Start in die entscheidende Phase ein Überblick über den Status Quo und die ausstehenden Highlights.

DEUTSCHE BUNDESLIGA
Elf Jahre ist es her, dass ein anderer Klub als der FC Bayern München deutscher Meister wurde. Damals waren es Borussia Dortmund und Jürgen Klopp, die die Bayern mit ihrem Heavy-Metal-Fußball niederspielten, und elf Jahre sind im Fußball eine wirklich lange Zeit. Der heutige BVB-Leistungsträger Jude Bellingham freute sich damals gerade auf seinen neunten Geburtstag, der mittlerweile 33-jährige Marco Reus zauberte Borussia Mönchengladbach auf den vierten Platz und krönte sich zu Deutschlands Fußballer des Jahres.
Die Saison 2011/12 war auch die letzte, in der die Bayern neun Runden vor Schluss nicht an der Spitze lagen – bis zur aktuellen. Dortmund bringt einen Zähler Vorsprung mit in die entscheidende Phase, muss aber am 1. April auswärts in der Allianz Arena antanzen. Das war an der Säbener Straße Grund genug, um Julian Nagelsmann wieder auf Jobsuche zu schicken und Thomas Tuchel als Retter des bayrischen Glücks zu installieren. Dass Union Berlin (fünf Punkte Rückstand), Freiburg (sieben) oder RB Leipzig (acht) noch in den Titelkampf eingreifen können, scheint unwahrscheinlich – auch das Rennen um die Champions-League-Plätze dürfte aber spannend werden.
Verbleibende Highlights:
1. April: Bayern – Dortmund
8. April: Dortmund – Union Berlin
20. Mai: Bayern – Leipzig

PREMIER LEAGUE
Nicht einmal die Top vier erreichte der FC Arsenal in den letzten sechs Jahren, nun grinsen die Gunners von der Tabellenspitze. Seine Fans wirft das in einen Zwiespalt: Soll man an den Titel glauben, die restlichen Spieltage zählen, die geschundene Fußballseele noch einmal mitfiebern lassen? Oder lieber dem gebrochenen Herzen vorbeugen und Manchester City die Favoritenrolle zusprechen? Für Letzteres spricht zweierlei: Erstens lesen sich acht Punkte Vorsprung besser als sie sind, da Pep Guardiolas Elf eine Partie weniger absolviert hat und im verbleibenden Duell Heimrecht hat. Zweitens: Erling Braut Haaland.
Was für Arsenal spricht? Mikel Artetas Team hat bei den 3:2-Siegen gegen Manchester United und Bournemouth mit Siegestoren in der 90. bzw. 97. Minute bewiesen, auch in engen Partien Punkte ernten zu können. Die Gunners haben in der Liga sechs Spiele in Folge gewonnen, sind die Doppelbelastung mit dem EL-Out gegen Sporting Lissabon losgeworden und sollten im Saisonfinish den längeren Atem haben. Der Tabellenführer hatte bei der Winter-WM zehn Spieler im Einsatz, die insgesamt 1700 Spielminuten absolvierten – bei City waren es 16 Kicker mit insgesamt 4572 Minuten.
Verbleibende Highlights:
1. April: ManCity – Liverpool
9. April: Liverpool – Arsenal
26. April: ManCity – Arsenal
29. April: Arsenal – Chelsea
20. Mai: ManCity – Chelsea

SERIE A
Zugegeben, spannend ist das nicht, was sich in Italiens höchster Spielklasse abspielt. Faszinierend ist es allemal: Die SSC Napoli hat 23 von 27 Matches gewonnen, den 19-Punkte-Vorsprung auf Lazio kann das Sensationsteam nicht mehr verspielen. Neapel bereitet sich auf die größte Party seit 1990 vor – und schielt nebenbei auf die Champions League, wo auf dem Weg ins Finale "nur" Milan und der Sieger aus Inter vs. Benfica warten würden.
Es ist ein Meisterwerk, das Luciano Spalletti Woche für Woche auf den Rasen schöpft. Viele seiner Leistungsträger sind nicht gerade die, um die sich vor einem Jahr ganz Fußballeuropa gerissen hat: Der Slowake Stanislav Sobotka, der Südkoreaner Min-jae Kim oder der großartige Georgier Chwitscha Kwarazchelia, der kickt, als wolle er dem Fußball im Alleingang seine Schönheit zurückgeben. Ausnahmen wie Tormaschine Victor Osimhen bestätigen die Regel.
Wäre Napoli nicht Napoli, wäre der Titelkampf ein Spektakel: Das zweitplatzierte Lazio hat nur sieben Punkte Vorsprung auf das sechstplatzierte Atalanta, Juventus ist trotz seines 15-Punkte-Abzugs auf dem besten Weg zurück in die Europacupränge.
Verbleibende Highlights:
2. April: Napoli – Milan
23. April: Juventus – Napoli
30. April: Inter – Lazio
7. Mai: Milan – Lazio

PRIMERA DIVISION
Auch in Spanien steht der Meister schon so gut wie fest: Der FC Barcelona kickt mit 22 Siegen in 26 Spielen in einer eigenen Liga, der ewige Rivale Real Madrid hat nach dem 1:2 im Clasico schon zwölf Punkte Rückstand. Auch wenn Federico Valverde beschwört, sich "noch lange nicht" aus dem Meisterrennen zu verabschieden, ist der Queso 'zwickt. Die einzige wichtige ausstehende nationale Partie für die Topteams ist das Rückspiel im Copa-Halbfinale, in dem Real am 5. April auswärts ein 0:1 aufholen muss – und für den Sieger das Finale.
Für Barça geht es in der Liga noch um eine historische Bestmarke: Bisher kassierte Xavis Team erst neun Tore, das ergibt einen Schnitt von 0,346 Gegentoren pro Spiel. Der historische Bestwert aus Europas Top-Fünf-Ligen kommt von Cagliari 1969/70, damals kassierten Goalie Enrico Albertosi und Co. in 30 Spielen nur elf Goals – ein Schnitt von 0,367 Gegentoren. Der spanische Rekord liegt bei 18 Treffern, das gelang Atletico Madrid und Deportivo La Coruna je einmal.
Mehr Spannung bietet in La Liga der Abstiegskampf: Zwischen Mallorca auf Platz elf und Almeria auf Rang 19 liegen nur sechs Punkte – und mit dem FC Sevilla, Espanyol Barcelona und Valencia sind drei der größeren Traditionsklubs mittendrin.
Verbleibende Highlights:
16. April: Valencia – FC Sevilla
23. April: FC Barcelona – Atletico Madrid
21. Mai: FC Sevilla – Betis

LIGUE 1
Lange schien Frankreichs Liga eine spannende zweite Saisonhälfte bevorzustehen – bis die STANDARD-Sportredaktion endlich plante, "mal was über Lens" zu schreiben. Dort ist der Österreicher Kevin Danso Abwehrchef, nach 19 Spieltagen hatte das Überraschungsteam nur drei Punkte Rückstand auf Paris Saint-Germain. Nun ja: Beim STANDARD entschied man sich, noch etwas zu warten, und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Nun hat PSG sieben Zähler Vorsprung, Zweiter ist Olympique Marseille. Ein Pünktchen dahinter lauert Lens, doch realistischerweise geht es eher um die CL-Qualifikation als um den Titel. Nur ein PSG-Einbruch samt Lens-Auswärtssieg im Parc des Princes am 15. April könnte nochmal Spannung reinbringen. (Martin Schauhuber, 30.3.2023)
Verbleibende Highlights:
15. April: PSG – Lens
7. Mai: Lens – Marseille