Was darf's sein? Erdbeer oder doch Kefir?

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Jede einzelne Kirsche muss für die Zubereitung von Hand entsteint werden. "Das dauert wirklich lange, deswegen gibt es das Kirscheis immer nur für eine begrenzte Zeit", erklärt Lisa Leone. Zusammen mit ihrem Mann Giorgio betreibt sie das Eisgeschäft Leones in Wien. Für die beiden beginnt mit den steigenden Frühlingstemperaturen draußen das Hauptgeschäft in der Eisdiele. Hier wird jede Ringlotte eigens geschält und jede Zitrone selbst gepresst.

Pulver zum Anmischen oder künstliche Aromen kommen den Eismachern nicht ins Haus. Neben Leones gibt es in Wien mittlerweile zahlreiche Eissalons, die auf die handwerkliche Produktion der kalten Köstlichkeit setzen. Doch mit welchen Sorten starten sie in die neue Eissaison?

Veganer Einheitstrend und individuelle Sorten

Veganes Eis erobert seit einigen Jahren die Wiener Eissalons – diese Entwicklung zeichnet sich weiterhin ab. "Auch heuer wieder ganz wichtig werden die veganen Eissorten sein, seien es Fruchtsorbets oder auf Haferdrinkbasis", heißt es beispielsweise beim Eis-Greissler. Traditionelles Fruchtsorbet war in Italien übrigens schon immer vegan – für die Herstellung benötigt man in der Regel Wasser, Zucker und Obst. Für Milcheissorten wie Schokolade, Haselnuss oder Stracciatella wird heute auf Pflanzendrinks aus Hafer und Soja oder Kokosmilch anstelle von Kuhmilch zurückgegriffen.

Eisgeschäfte setzen zudem auf die biologische Herkunft ihrer Zutaten. Für das Eis in seinem Pop-up-Store in der Rotenturmstraße verwendet Werner Helnwein von Helli & Leo nur Biolebensmittel. Erhalten bleibt dieses Konzept auch in der neu eröffneten Filiale direkt neben der "Spelunke" im zweiten Bezirk.

Woran Leone erkennt, dass ihre Gäste den Unterschied zu industriell hergestelltem Speiseeis bemerken? "Oft heißt es: Bitte kein Pistazieneis! Die Leute denken dabei an die grellgrüne, künstlich schmeckende Creme, die oft verkauft wird. Wenn sie unsere Version probieren, sind sie überrascht vom natürlichen Aroma", erzählt die Gelato-Unternehmerin. Hinsichtlich der angebotenen Geschmäcker herrscht unter den Salons Vielfalt. Neben klassischen Sorten experimentieren die Eisgeschäfte dieses Jahr mit unterschiedlichen Zutaten.

Der Kuchen kommt ins Eis

Passend zum Europäischen Tag des handwerklich hergestellten Speiseeises am 24. März wird jährlich das europäische Eis des Jahres gewählt. Die Sorte stammt heuer aus Österreich und erinnert an ein Kaffeekränzchen im Altwiener Kaffeehaus: Als Reminiszenz an die hiesige Mehlspeisenkultur wandert der Apfelstrudel nämlich vom Teller ins Eisstanitzl. Ähnliches haben sich Philipp Blihall und Luciano Raimondi von Schelato gedacht. In ihren Eisgeschäften soll diese Saison ein eigenes Apfelstrudel-Eis angeboten werden.

Außerdem geplant sind Lemon Pie, Schwarzwälder Kirsch und Banoffee Pie. Wer nicht weiß, was Letzteres ist: Dabei handelt es sich um einen englischen Nachtisch aus Bananen und Karamell. Damit das Geschmackserlebnis möglichst authentisch bleibt, werden die Stückchen und Saucen für die gefrorenen Kuchenkreationen von der Pâtisserie Viola bezogen. Die Extrakugel Eis zur Mehlspeise hat sich dieses Jahr wohl erübrigt.

Kefir und Kurkuma

Neben der nostalgischen Rückbesinnung auf Wohlfühlessen wie Kuchen setzen viele Salons auf ausgefallene Sorten, um ihren Gästen Abwechslung zu bieten. Bei Leones stehen Gewürze hoch im Kurs. Der bevorzugte Würzstoff dieses Jahr: Kurkuma. Hier ist dann zwecks hartnäckiger Flecken besondere Vorsicht beim Schlecken geboten. Dafür soll das Supergewürz unter anderem entzündungshemmend und magenberuhigend wirken. Praktisch: Eisessen für Gesundheitsbewusste und Experimentierfreudige.

Wohltuend für die Darmflora ist zudem der Genuss von Kefir. Der Eis-Greissler setzt heuer auf diese Zutat. Dort gibt es zukünftig Eis auf Kefir- und Frischkäse-Basis. Über die genaue Zusammensetzung herrscht noch Stillschweigen. Außergewöhnliche Sorten sind wieder geplant, letztes Jahr kosteten sich Mutige durch Geschmäcker wie Topfen-Gurke oder Süßkartoffel-Paprika.

Helli & Leo berücksichtigt bei seinem Angebot nicht nur Zwei-, sondern auch Vierbeiner. In den Filialen gibt es für Hunde geeignetes, zuckerfreies Eis aus Joghurt, Haferflocken, Bananen und Chiasamen. Das Ganze sieht dann aus wie "ein riesiger Eiswürfel mit Geschmack", an dem die tierische Begleitung aufgrund der festen Konsistenz relativ lange schlabbern kann. Daneben genießen Hundebesitzerinnen und -besitzer in Ruhe ihr eigenes Eis.

Qualität hat ihren Preis

"Ich sehe beim Eiskonsum momentan eine Spaltung in zwei Lager: Eine Gruppe findet das Eis zu teuer, die andere schätzt qualitative Produkte und ist bereit zu zahlen", sagt Helnwein. Auch beim Eisgeschäft Vidoni im dritten Bezirk heißt es: "Unsere Kundschaft will in erster Linie ein gutes Produkt." Statt auf exotische Kreationen setzt das Vidoni auf klassische Sorten.

Die Schokostückchen im Stracciatella-Eis stammen beispielsweise aus der zugehörigen Confiserie Eibensteiner. Die Edelbitterschokolade mit 70 Prozent Kakaogehalt wird auf eine Marmorplatte gestrichen, gekühlt und zerkleinert. Bei der herkömmlichen Produktion wird im Normalfall lediglich eine Fettglasur auf das Eis geleert. Dann wird die Drehrichtung in der Eismaschine geändert. Das zerfetzt die Glasur in viele kleine Teile. Alle Befragten könnten stundenlang Herstellung und Lieferketten erklären. Die wichtigste aller Zutaten bleibt: viel Liebe zum Eis. (Elena Sterlini, 24.3.2023)