Eigentlich war der Kurs ziemlich klar vorgegeben: Wegen der hartnäckigen Inflation wird die US-Notenbank Fed die Zinsen weiter erhöhen. Allerdings haben die inzwischen ausgebrochenen Verwerfungen im Bankensektor, ausgelöst durch die Pleite der Silicon Valley Bank, die Erwartungen der Börsenprofis doch noch durcheinandergewirbelt. Etwa die Hälfte ging von einer Pause im Zinserhöhungszyklus aus, schließlich waren die stark gestiegenen Zinsen für die Bankpleiten verantwortlich. Andere plädierten dessen ungeachtet für eine leichte Zinsanhebung. Am Mittwochabend lüftete Fed-Chef Jerome Powell das Geheimnis: Der US-Leitzins steigt um einen Viertelprozentpunkt – auf die neue Spanne von 4,75 bis 5,0 Prozent.

Vertrauenskrise

Die Schließung der US-Regionalbanken hatten zu einer ordentlichen Vertrauenskrise in Teilen der US-Bankenlandschaft geführt. Ob diese nach Stützungsmaßnahmen nun ausgestanden ist, ist bei weitem nicht klar. Zumindest an den US-Börsen haben sich die Wogen in den vergangenen Tagen etwas geglättet, bevor am Donnerstag Banken wie Pacific Western neuerlich unter Verkaufsdruck gerieten.

Die Notenbanker um Fed-Chef Jerome Powell standen neuerlich vor einer schwierigen Entscheidung. Eine Zinspause wäre ein Krisensignal.
Foto: imago images / Xinhua

Während sich das Wirtschaftswachstum in den USA verlangsamt hat, ist die Arbeitsmarktsituation angespannt. Das waren zumindest die Fundamentaldaten, die vor der Bankenkrise die Zinsentscheidungen laut den Bonitätswächtern von Creditreform Rating neben der Inflation wesentlich beeinflusst haben. Die Fed hat im Februar das Tempo bei den Zinserhöhungen etwas gedrosselt. Die Inflationsrate lag da bei 6,0 Prozent, die Teuerung hat sich bereits abgeschwächt, ist aber auch nach Einschätzung der Notenbanker noch viel zu hoch. Es gilt, die Zügel weiter anzuziehen. Noch im März 2022 lag der Leitzins bei null Prozent, nach einigen größeren Zinsschritten im vergangenen Jahr wurde er zuletzt im Februar um einen Viertelprozentpunkt (25 Basispunkte) bis auf 4,75 Prozent erhöht.

Rücksicht auf Banken

Doch nun hat sich die Situation gewandelt. Während im Februar und Anfang März von Zinssätzen von sechs Prozent die Rede war, führten die jüngsten Probleme im Bankensektor dazu, dass diese Erwartungen eilig nach unten korrigiert wurden. Es stellte sich die nämliche Frage, die schon die Europäische Zentralbank (EZB) bewegt hatte: Inwieweit nimmt die Fed Rücksicht auf die Banken? "Meines Erinnerns nach gingen die Erwartungen vor einer Zinssitzung der Fed noch nie so weit auseinander, von null über 0,25 bis 0,50 Prozentpunkte", erklärte Antje Praefcke, Volkswirtin bei der Commerzbank, im Vorfeld. "Keiner weiß wirklich, was wir (...) bekommen werden, wie beim Griff in die Pralinenschachtel."

Konzentration auf die Bankenkrise oder Inflationsbekämpfung – das ist die große Frage, die die Finanzwelt beschäftigt.
Foto: AP /Peter Morgan

Allerdings könnten die Spannungen an den Finanzmärkten sich auch auf die Inflation auswirken. Die Marktturbulenzen werden laut Bernd Krampen von der NordLB sicherlich die Kreditvergabe und damit die Konjunktur so weit bremsen, dass darüber auch wieder die Inflation gedämpft werde.

Damit dürfte der vorläufige Zinsgipfel bald erreicht sein. Denn die Währungshüter peilen im Mittel in ihrem aktualisierten Ausblick zum Jahresende ein Niveau von 5,1 Prozent an – so wie sie es bereits im Dezember anvisiert hatten. Sie strichen zugleich eine Passage aus ihrem Text, wonach weitere Zinserhöhungen angemessen sein dürften. Stattdessen sprechen sie jetzt davon, dass noch "eine gewisse zusätzliche geldpolitische Straffung" angebracht sein könnte. An den Terminmärkten wurde die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Erhöhung auf der Sitzung im Mai auf 62 Prozent taxiert.

"An ihrer Absage an Zinssenkungen noch im laufenden Jahr dürfte die US-Notenbank angesichts des Inflationsausblicks auf absehbare Zeit festhalten", meint LBBW-Ökonom Elmar Völker. Die Experten von Creditreform Rating rechnen noch mit einer Anhebung des Leitzinses auf 5,25 bis 5,50 Prozent. Im ersten Quartal 2024 könnte sich das Segel drehen.

Zinserwartungen

Damit liegen sie auf einer Linie mit vielen anderen Börsenprofis. Brendan Murphy vom britischen Vermögensverwalter Insight Investment schenkt daher dem sogenannten Dot Plot der Fed besonderes Augenmerk, der in weiterer Folge veröffentlicht wird. Dabei geben die Fed-Vertreter ihre Zinserwartungen für Jahresende anonym an, lassen also auf die weitere Entwicklung schließen. Chefstratege François Rimeu vom Fondsanbieter La Française erwartet dabei einen Medianwert von 5,4 Prozent für heuer und von 4,4 Prozent im Jahr darauf, womit es zu deutlichen Zinssenkungen kommen würde. (rebu, aha, 22.3.2023)