Eine Fastenperiode gibt es in fast allen Kulturen und Religionen. Der islamische Ramadan startet heuer am 23. März. Dann fasten auch viele der rund 750.000 Muslime in Österreich.

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Der Fastenmonat Ramadan startet heuer am Abend des 23. März. Dieses rituelle Fasten gilt für rund 1,9 Milliarden Muslime weltweit. In Österreich leben rund 750.000 Muslime, viele folgen den Gebräuchen ihrer Religion und halten den Ramadan ein. Fastenperioden gibt es in fast allen Kulturen und Weltreligionen, das Fasten im Ramadan ist insofern anstrengender, da auch auf Flüssigkeit verzichtet wird. Viele stellen sich die Frage, ob das gesund sein kann. Denn obwohl unterschiedliche Formen des Fastens sehr im Trend liegen, können sich wenige vorstellen, dabei auch auf Wasser zu verzichten. DER STANDARD hat den Ernährungsmediziner Cem Ekmekcioglu von der Med-Uni Wien gefragt, wie ein gesundes Ramadan-Fasten gelingen kann und was das im täglichen Leben bringt.

STANDARD: Wie genau sieht das Fasten im Ramadan aus?

Ekmekcioglu: Der Ramadan dauert 29 bis 30 Tage. In dieser Zeit fastet man von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang. Es beginnt also schon vor Sonnenaufgang, sobald man laut Koran den weißen Streifen der Morgendämmerung von der Schwärze der Nacht unterscheiden kann, in etwa zum Zeitpunkt des Morgengebets. Das ist in Wien derzeit um circa vier Uhr in der Früh. Das Fasten endet mit Sonnenuntergang, das ist aktuell um etwa 18.15 Uhr. In dieser Zeit darf man dem Körper nichts zuführen, also nichts essen und nichts trinken, aber man darf auch nicht rauchen oder Geschlechtsverkehr haben.

STANDARD: Und was isst man in der Nacht, wenn Essen erlaubt ist?

Ekmekcioglu: Vom Sonnenuntergang bis zur Morgendämmerung kann man im Grunde essen und trinken, was man will. In der Regel ist es aber so, dass die Nahrungsaufnahme auf zwei Mahlzeiten beschränkt ist. Nach Sonnenuntergang ist das die Iftar-Mahlzeit, bei der optimalerweise Angehörige und Freunde zusammenkommen, das ist also auch ein familiäres und soziales Ereignis. Und dann steht man in der Früh vor der Dämmerung auf und isst die Morgenmahlzeit. Auch da kann man im Grunde essen, was man will, aber es wäre gut, nicht zu übertreiben. Generell sollte man es im Ramadan nicht übertreiben, der Sinn dahinter ist ja auch, das viele Essen einzudämmen. Es geht um Selbstkontrolle, Disziplin und innere Einkehr. Die Nahrung sollte deshalb leicht bekömmlich sein und vor allem am Morgen nicht zu süß, denn dann könnte eine reaktive Unterzuckerung entstehen. Die führt zu starkem Hungergefühl, das wäre kontraproduktiv. Und man soll natürlich in der Nacht viel trinken, am besten Wasser und Mineralwässer.

STANDARD: Es gibt ja auch Ausnahmen vom Fasten. Für wen gelten die?

Ekmekcioglu: Es gibt ein grundsätzliches Gebot im Islam, dass es im Ramadan zu keinem körperlichen Schaden kommen darf. Deshalb sind schwangere und stillende Frauen ausgenommen, ebenso Kinder und ältere Gebrechliche. Auch Reisende sind entschuldigt, müssen jedoch die versäumten Tage zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Ebenso sind Kranke ausgenommen, auf jeden Fall Schwerkranke. Bei Erkrankungen wie etwa einem gut therapierten Bluthochdruck kann man schon fasten, sollte aber mit einem Arzt oder einer Ärztin Rücksprache halten. Treten aber Alarmzeichen auf, die stärker sind als anfängliche Kreislaufprobleme, Konzentrationsschwäche oder leichte Kopfschmerzen, dann sollte man abbrechen.

STANDARD: Was bedeutet das für die Gesundheit, nur in der Nacht zu essen?

Ekmekcioglu: Das kann durchaus positive Folgen haben, es gibt zahlreiche Studien aus verschiedenen Ländern, die positive Effekte auf den Blutzuckerspiegel und die Blutfettwerte nachweisen. Auch auf das Körpergewicht kann sich das Fasten günstig auswirken, besonders bei stärkerem Übergewicht. Diese Effekte sind aber leider nicht unbedingt nachhaltig, das wurde auch gezeigt. Das finde ich schade, weil der Ramadan könnte eine Gelegenheit bieten, den eigenen Lebensstil zu ändern.

STANDARD: Und was bedeutet es für den Körper, wenn man untertags nichts trinkt?

Ekmekcioglu: Das ist tatsächlich der Grund, warum das Ramadan-Fasten anstrengender ist als andere Formen, vor allem in den Sommermonaten, wenn der Tag noch länger dauert. Das kann dann bis zu 19 Stunden gehen. Die Hauptregel ist, wie gesagt, der Körper darf keinen Schaden nehmen. Und ein gesunder Körper tut das auch nicht. Ein Erwachsener kann zumindest drei Tage ohne Flüssigkeitszufuhr auskommen, unter der Voraussetzung, dass er nicht viel schwitzt. Etwa 14 Stunden ohne Flüssigkeit, wie es um diese Jahreszeit der Fall ist, sind also nicht gefährlich. Aber man sollte eben darauf achten, dass man keine zu großen körperlichen Anstrengungen unternimmt, bei denen man viel Flüssigkeit verliert, etwa im Hochsommer draußen in der Hitze Leistungssport treiben. Ein ausgiebiger Spaziergang nach dem Abendessen ist jedoch empfehlenswert, man soll sich ja auch im Ramadan bewegen. Und in der Nacht soll man besonders auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten.

STANDARD: Fastentraditionen gibt es in fast allen Kulturen und Religionen. Wo ist da das Ramadan-Fasten einzuordnen?

Ekmekcioglu: Es gehört im Grunde zur großen Gruppe des Intermittierenden Fastens, bei dem man längere Essenspausen einhält. Gängige Modelle sind acht Stunden essen, 16 Stunden fasten oder auch einen Tag essen, einen Tag fasten. Was es etwas anstrengender macht, ist die Tatsache, dass man auch nichts trinkt.

STANDARD: Wie gesund ist Fasten generell aus ernährungsmedizinischer Sicht?

Ekmekcioglu: Das wirkt sich insbesondere vorteilhaft auf den Stoffwechsel aus, einschließlich die Insulinwirkung, aber auch auf das Körpergewicht. Und Fasten nach verschiedenen Methoden kann zum Beispiel chronische geringgradige Entzündungsprozesse dämpfen. Das wirkt sich etwa positiv auf die Gefäße aus. Außerdem starten die Reinigungsprozesse der Zellen, die Autophagie. Fasten kann gesundheitlich also absolut Sinn machen. Aber man muss darauf achten, dass man ausreichend essenzielle Mikronährstoffe zuführt. 30 Tage für einen gesunden Menschen sind diesbezüglich unbedenklich und führen zu keinen Mangelerscheinungen.

STANDARD: Worauf sollte man beim Fasten achten?

Ekmekcioglu: Es wäre gut, in den ersten Tagen bei gewissen Tätigkeiten, wie etwa beim Autofahren, etwas vorsichtiger zu sein. Der Stoffwechsel adaptiert sich, wie bei jeder anderen Art des Fastens können Kreislaufprobleme oder Kopfschmerzen auftreten, oder man ist einfach unkonzentriert. Starke körperliche Anstrengung untertags sollte man wenn möglich vermeiden, auch um nicht zu viel Flüssigkeit zu verlieren. Und man sollte sich in Geduld üben. Es hilft auch, wenn man negative Emotionen wie Ärger oder Wut zu vermeiden versucht, ebenso wie Stress. Der pusht den Körper nämlich und mobilisiert dadurch Energiereserven. Das geht natürlich nicht immer, aber man kann es ja zumindest versuchen.

Es hilft außerdem, wenn man schon eine Woche oder zehn Tage vorher anfängt, den Körper an die Fastenzeit zu gewöhnen, und ein bisschen weniger isst. Und wenn man schon den Kaffee zumindest reduziert, tut man sich auch leichter. Koffeinentzug führt unter anderem zu Kopfschmerzen, gemeinsam mit der Adaption des Stoffwechsels ans Fasten kann das in den ersten Tagen recht anstrengend werden.

STANDARD: Worauf sollte man achten, wenn man mit dem Fasten wieder aufhört? Stichwort Fastenbrechen.

Ekmekcioglu: Im Grunde kann man sein Leben ganz normal wieder fortsetzen. Ideal wäre es aber, wenn man den Fastenmonat als Möglichkeit nimmt, um insgesamt einen ungesunden Lebensstil zu ändern, also vor allem bewusster isst. Man kann da einiges mitnehmen und sein Leben richtiggehend umkrempeln. (Pia Kruckenhauser, 23.3.2023)