Ein Blick in die Halle der VW Nutzfahrzeuge Oldtimer, allein hier sind um die 45 historische Prachtstücke eingeparkt.
Foto: Andreas Stockinger

Autoklassiker gibt es zuhauf. Es ist wie in Kunst und Kultur: Erst in der Nachbetrachtung, aus Jahrzehnten Abstand, klärt sich, was Bestand hat und was nicht. Ungewöhnlich ist schon eher, wenn einem Nutzfahrzeug dies widerfährt und es in Legendenstatus kommt. Der VW Bulli ist so ein seltener Fall, und der ist derart prägnant, dass eine seiner Spuren sogar in die Zukunft weist, die Wiederbelebung als Elektro-Bulli scheint jedenfalls voll aufzugehen.

Unweit des Standorts, wo dieser ID. Buzz gebaut wird – im Werk Hannover –, unterhält VW auch eine außergewöhnliche Niederlassung, in Hannover-Vahrenwald: Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer.

Werkstattmeister Marius Wehmeier führt uns durch die Räumlichkeiten, das sonnendurchflutete Hauptgebäude, den Werkstattbereich und die sozusagen heilige Halle, in der allein rund 45 T-Modelle unterschiedlichster Bauart stehen, allesamt hochgradige Individualisten. Die Sammlung umfasse insgesamt 163 Fahrzeuge, erläutert Wehmeier, etliche seien ständig im Einsatz.

Bus fürs Wochenende

Und zwar nicht nur bei von der Klassik-Abteilung beschickten Oldtimer-Veranstaltungen, sondern auch privat. Da will sich wer übers Wochenende einen Samba-Bus für Gaudium wie einst mieten? Kein Problem – billig ist das aber nicht: Die Tagesmiete eines T1 (also die erste Transport-Baureihe vulgo VW Bus vulgo Bulli, von 1950 bis 1967) kostet 595 Euro, die zweitägige 845 und für drei Tage respektive das Wochenende wären 1095 Euro lockerzumachen. Aufgedröselt auf eine mehrköpfige Gruppe von Bulli-Fans relativiert sich das aber wieder.

Es gibt reichlich Auswahl: Bulli "Jonny" von 1962, Kleinbus Sondermodell "Samba-Bus". "Amy" von 1963, Kleinbus "Safarifenster". "Fred" von 1965, Kombi "de Luxe". "Costa" von 1965, Campingwagen Westfalia etc. Was darf es denn diesmal sein?

Aufwendige Instandsetzung

Was man an Fahrzeugen reinbekomme, befinde sich in unterschiedlichsten Vitalitätszuständen, erläutert Wehmeier weiter – bis hin zur völlig verrotteten Rostlaube, die jahrzehntelang auf irgendeiner Wiese, in irgendeiner Scheune vor sich hin gegammelt habe. Einer davon steht in der Halle ganz hinten links, mit dem Hinweisschild "fahrbereit" drauf, Spaß muss sein. Die Instandsetzung sei oft richtig aufwendig, und da die Kapazitäten der Werkstatt – sechs Mann hoch (von insgesamt 17 Mitarbeitern bei VW Nutzfahrzeuge Oldtimer) – beschränkt seien, dauere das auch entsprechend. Immerhin, ein, zwei private Objekte zur professionellen Sanierung bringe man da auch noch unter, und falls das wen interessiert: Ein T1, den man einst achtlos entsorgte, weil gar so massenhaft vorhanden, kostet heute rasch 150.000, 160.000 Euro.

Dafür bekommt man zwei ID. Buzz, und damit schwenken wir von Legende zu hier und jetzt und bald. Bus, Bussi, Buzz: Als "Werk 2" wird Hannover seit 1956 und immer noch geführt, "Werk 1" ist natürlich Wolfsburg, inzwischen unterhält der Konzern weltweit 120 Produktionsstandorte. Hannover genießt dabei einen phänomenalen Ruf: Alle Welt sah über Jahrzehnte neidvoll hierher, die Qualität, mit der da Nutzfahrzeuge gebaut wurden und werden, galt und gilt als unerreicht in der Branche. Wie machen die denn das? "Mit Tüchtigkeit" wäre eine nüchterne, aber treffende mögliche Antwort.

Ein Blick ins Werk Hannover, wo (noch) T6.1, Multivan und ID. Buzz gebaut werden.
Foto: Volkswagen

Bald ist es vorbei mit der Tradition, denn einerseits hat der einstige VW-Boss Herbert Diess dekretiert, der Nachfolger des T6.1, wie der Letzte der mit dem T1 begonnenen Baureihe heißt, müsse ein Ford Transit mit VW-Emblem werden, nennt sich Profitmaximierung, nennt sich angesichts der historischen Strahlkraft der Baureihe geschichtslos und Todsünde; andererseits sind mit der aktuellen Baureihe demnächst die Abgas- und Sicherheitsreglements nicht mehr darstellbar, es wäre eine teure Neuentwicklung erforderlich, Folge: Im Juni 2024 läuft der letzte T in Hannover vom Band, die Bestelleingang wird dieser Tage gestoppt, die Auftragsbücher sind prallvoll, so sieht Begehrlichkeit aus.

Der Rundgang beeindruckt in mehrerlei Hinsicht. Einmal, weil die Werksgebäude noch dastehen wie in den 1950ern – innen drin aber wurden die einzelnen Stationen, Presswerk, Karosseriebau, Lackiererei (alle in Halle 1) und Produktion (Halle 2), während all der Jahre ständig auf aktuellsten Stand gebracht. Auf dem rund 1,1 km² großen Werksgeländewerden täglich 18.000 Materialcontainer bewegt, meist von autonom fahrenden Transportern.

Produziert werden drei von der technischen Basis her höchst verschiedene Fahrzeuge (der nochmals anders geartete Pick-up Amarok ist schon seit Mai 2022 Geschichte), eben besagter T6.1, dann der auf dem MQB (Modularer Querbaukasten) stehende Multivan und schließlich der ID. Buzz auf MEB (Modularer E-Antriebs-Baukasten). In Halle 2 läuft das Trio sogar auf einem einzigen Band. Ab Sommer nächsten Jahres wird es dann einsam für den Buzz, er wird Alleindarsteller – wächst sich aber mit Cargo (Nfz-Version) sowie den Langversionen 6- und 7-Sitzer und mit Allradantrieb zur Familie aus.

Wie es mit den Produktionskapazitäten bestellt ist angesichts der Nachfrage? Bis zu 130.000 Buzze sollen hier im Vollausbau pro Jahr gebaut werden. Zum Vergleich: Der Produktionsrekord geht auf den T2 und die 1970er zurück: 250.000 Stück. Und es wurden bisher weit über zehn Millionen Fahrzeuge in Hannover gebaut. Ich persönlich würde den T6.1 nehmen. Und einen T1 dazu. Zum Spielen. (Andreas Stockinger, 30.3.2023)