Freude bei Regierungsmitgliedern, nachdem der Misstrauensantrag im Parlament scheiterte. Vorne im Bild: Premier Pedro Sánchez, die Vize-Premierministerin und Wirtschaftsministerin Nadia Calviño, die Arbeitsministerin Yolanda Diaz und die Ministerin für ökologischen Wandel, Teresa Ribera.

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Es gab keine Überraschung. Wie erwartet stimmten nur die 52 Angeordneten der rechtsextremen Vox für den Misstrauensantrag gegen Pedro Sánchez, und damit für seine Ablösung als Regierungschef. 201 der 349 Abgeordneten des spanischen Parlaments sprachen dem Sozialisten und Chef einer Linkskoalition, die in Minderheit regiert, ihr Vertrauen aus. 91 Abgeordnete, darunter alle der größten Oppositionskraft, des konservativen Partido Popular (PP), enthielten sich.

Es war das zweite Mal, dass Vox mit einem Misstrauensantrag gegen Sánchez scheiterte. Das erste Mal geschah dies im September 2020. Vox ist seit 2019 im spanischen Parlament vertreten und wurde auf Anhieb drittstärkste Kraft.

Beifall erntete die Partei für ihr jüngstes Vorgehen nicht. "Theater", "Verarsche", "des Parlaments unwürdig": Weder Presse noch Politik gingen zimperlich mit Vox um. Als Kandidaten gegen Sánchez hatte Vox den ehemaligen Kommunisten und Wirtschaftswissenschafter Ramón Tamames gewinnen können. Der 89-jährige Tamames, der nicht dem Parlament angehört, stellte, anders als in der Verfassung für Misstrauensanträge vorgesehen, kein alternatives Regierungsprogramm vor. Er hatte nur einen Programmpunkt: Er werde Neuwahlen ausrufen, wenn der Misstrauensantrag Erfolg haben sollte, versprach er immer wieder.

Anekdoten statt Programm

Denn Rest seiner Redezeit nutzte der in die Jahre gekommene Professor für Geschichten aus der Geschichte, von der Unabhängigkeit Kubas bis zur Rolle starker Frauen ohne Frauenpolitik, und für Anekdoten aus seinem Leben, wie etwa seine Bekanntschaften in Haft unter der Franco-Diktatur, seine Erlebnisse in den Jahren des Übergangs Spaniens zur Demokratie oder seine Freundschaft mit dem Vater eines der Parlamentarier. Und er verteilte immer wieder Ratschläge, wie etwa den, im Parlament nicht die Stimme zu erheben. Das wäre des Hauses nicht würdig. Selbst auf den Rängen von Vox wurde der Beifall nach und nach weniger. Sie hatten sichtlich etwas anderes erwartet.

"Aus Respekt vor den Spaniern werden wir nicht für diesen Antrag stimmen, und aus Respekt vor Ihnen, Herr Tamames, werden wir nicht gegen den Antrag stimmen", sagte Cuca Gamarra vom konservativen PP vor der Abstimmung. 2020 hatte der PP gegen den Misstrauensantrag von Vox gestimmt.

Regierung laut Umfrage gestärkt

"Ein Geschenk an die Regierung", so sieht der PP den Misstrauensantrag – und hat damit wohl recht. Laut einer Blitzumfrage im Auftrag der Tageszeitung "El Mundo" sehen 40 Prozent die Regierung stärker als vor der zweitägigen Parlamentsdebatte, und 56 Prozent glauben, das die rechten Parteien schlechter dastehen als zuvor. Der Chef des PP und voraussichtliche Spitzenkandidat bei den kommenden Parlamentswahlen Ende diesen Jahres, Alberto Nuñez Feijóo, blieb der Debatte fern. Er gehört nicht dem Parlament an, hätte aber auf den Besucherrängen Platz nehmen können.

Feijóo weilte stattdessen in Brüssel. So musste er nicht mit ansehen, wie Regierungschef Pedro Sánchez und Yolanda Díaz, die Arbeitsministerin und Wortführerin des kleineren Koalitionspartners, der linksalternativen Unidas Podemos, die Debatte nutzen, um immer wieder den konservativen PP für seine ideologische Nähe zu Vox anzugreifen. "Es ist bemerkenswert und aufschlussreich, zu sehen, dass sich die traditionelle Rechte (...) immer mehr der Ultrarechten annähert", sagte Ministerpräsident Sánchez.

Sánchez und Diaz nutzten die Debatte zu einer Bestandsaufnahme ihrer Regierungszeit und verwiesen auf die zahlreichen sozialen Errungenschaften sowie Neuerungen ihrer Regierung, gegen die sowohl Vox als auch PP gestimmt hatten – von der Anhebung des Mindestlohns und der Pensionen bis hin zur Stärkung der Rechte für Frauen und sexuelle Minderheiten.

Kritik an Kooperation

Sánchez warf dem PP vor, sich anders als 2020 zu enthalten, weil die Konservativen Vox als künftigen Koalitionspartner umwerben würden. Denn nur so habe der PP überhaupt eine Chance, an die Regierung zu kommen. In einigen Regionen und Städten Spaniens stützt sich der PP bereits auf Vox. Ende Mai werden in Spanien Regional- und Kommunalwahlen stattfinden – und gegen Jahresende dann Parlamentswahlen. (Reiner Wandler aus Madrid, 23.3.2023)