Laut Wirtschaftskammer Österreich wird die Zahl der Erwerbstätigen weiter sinken. (Symbolbild)

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Großarl – Die Aufbruchstimmung nach der Corona-Pandemie hat für die Tourismusbranche in Österreich durch Energiekrise, Teuerung und Arbeitskräftemangel einen neuerlichen Dämpfer erfahren. Bei einem Tourismussymposium der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) in Großarl im Salzburger Pongau beleuchteten Experten auch die "problematische Beschäftigungssituation" und suchten nach Lösungen. Derzeit fehlen rund 30.000 Arbeitskräfte im Tourismus.

Die gute Nachricht zuerst: "Die Buchungslage ist sehr gut", sagte WKÖ-Bundesspartenobmann Robert Seeber. "Der Tourismus ist sehr resilient. Und die Menschen sehnen sich nach Urlaub. Sie wollen versäumte Freizeitaktivitäten nachholen. In Österreich ist für jede Brieftasche etwas dabei", betonte er am Mittwochabend bei einem "Kamingespräch" in Großarl.

"Der Wunsch, weniger zu arbeiten, ist ein starker"

Und dennoch: Der Tourismus erlebe wegen der Teuerungswelle, der hohen Energiekosten und der Personalproblematik "sehr herausfordernde Zeiten", erklärte Seeber. Die Beschäftigungssituation nach Corona bewertete Oliver Fritz vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) zwar als gut. Mehrere Faktoren machen aber auch der Tourismusbranche zu schaffen: die steigende Tendenz in Richtung Teilzeitkräfte – der Anteil beträgt bereits 42 Prozent –, fehlende Kinderbetreuungsplätze, der Fachkräftemangel sowie der Rückgang an inländischem Arbeitskräftepotenzial und der Rückgang der durchschnittlichen Arbeitszeit. "Der Wunsch, weniger zu arbeiten, ist ein starker", sagte Fritz.

Laut WKÖ gab es auf dem gesamten österreichischen Arbeitsmarkt noch nie so viele offene Stellen wie heute. Derzeit fehlten rund 230.000 Arbeitskräfte. Der Arbeitskräftebedarf steige deutlich, gleichzeitig sinke die Zahl der Erwerbstätigen weiter. Im Jahr 2040 würde sich eine zusätzliche Lücke von rund 360.000 offenen Stellen auftun, wenn nicht gegengesteuert werde. In der Beherbergung und Gastronomie würde es einen zusätzlichen Bedarf von rund 20.000 Arbeitskräften geben.

Maßnahmen gegen Arbeitskräfteknappheit

Die Maßnahmen gegen die Arbeitskräfteknappheit müssten sich nach der Ursache für den Engpass richten. Gegensteuern könne man durch eine Ausbildungsoffensive, Attraktivierung der Arbeitsbedingungen, Erhöhung des Arbeitskräfteangebots durch Hebung des inländischen Arbeitskräftepotenzials und durch Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte, erläuterte Fritz.

Es brauche auch finanzielle Anreize für ein freiwilliges Weiterarbeiten nach dem Pensionsantritt, zudem müsse alles daran gesetzt werden, dass die Menschen tatsächlich zum gesetzlich festgelegten Pensionsalter in den Ruhestand gehen und nicht schon früher, wurde bei dem Gespräch erklärt. Im Tourismus hebe zudem das Bestreben der österreichischen Betriebe nach mehr Qualität statt Quantität in Zukunft den Arbeitskräftebedarf.

Dass Arbeitskräfte in Österreich und in anderen europäischen Ländern knapp geworden sind, führte Fritz auch auf die demografische Entwicklung zurück. Allerdings sei das Arbeitskräftepotenzial im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren noch nicht ausgeschöpft, vor allem bei den Älteren "gibt es noch großes Potenzial". Hier könnte man noch bis zu 360.000 Beschäftigte zusätzlich finden. Bei den "Nicht-Erwerbspersonen", zum Beispiel Frauen, die wegen der Kinderbetreuung zu Hause bleiben, mache die stille Reserve plus 84.000 aus. Und bei Teilzeitbeschäftigten mit Wunsch nach längerer Arbeitszeit gebe es ein Potenzial von plus 234.000.

"Luft nach oben" bei Frauenerwerbsquote

Das Besondere an der Tourismusbranche sei der hohe Anteil an jüngeren Arbeitskräften, die zwischen 20 und 30 Jahre alt sind. Der Anteil an den über 50-Jährigen liege hingegen in der Gastronomie bei 22 Prozent und im Beherbergungswesen bei 25 bis 26 Prozent. "Hier kann man überlegen, wie man das Potenzial besser ausschöpfen kann", sagte Fritz. Ab dem Alter von 55 Jahren sinke die Beschäftigungsquote bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr stark.

Bei der Frauenerwerbsquote ortete der Wirtschaftsexperte ebenfalls noch "Luft nach oben". Zwar sei die Kinderbetreuungsquote in Österreich gestiegen, bei den Dreijährigen liege die Quote mit 77,9 Prozent im Jahr 2019 allerdings unter dem EU-Durchschnitt von 87,9 Prozent. Viele Kindertagesheime seien nur halbtags geöffnet. Für die Beschäftigten im Tourismus wäre ein Betreuungsangebot am Wochenende und am Abend interessant. "Hier gibt es noch viel Aufholbedarf", auch was die Betreuungskosten betrifft, die je nach Bundesländer oder Gemeinden sehr unterschiedlich sind.

Generell sei der Faktor Arbeit in Österreich zu teuer, dieser solle steuerlich entlastet werden. "Wir müssen es auch schaffen, dass die Überstunden steuerfrei werden, nicht nur der Zuschlag", sagte Wirtschaftstreuhänder Josef Reiter. Er gab zu bedenken, dass die Österreicherinnen und Österreicher im Vergleich zu anderen europäischen Ländern "schneller krank werden". "Hier muss man versuchen, die Arbeitskräfte so lange wie möglich im gesunden Zustand zu erhalten."

Für ältere Arbeitskräfte sei der Tourismus aufgrund der Arbeitsbedingungen "nicht die supertolle Branche", meinte Reiter. Ein Kellner im Alter von Ende 50 würde nicht mehr so viel aushalten wie ein 26-Jähriger. Hier ist die Kreativität der Gastronomen und Hoteliers gefragt, um die Arbeitsbedingungen attraktiver zu gestalten. (APA, red, 23.3.2023)