Christian Pilnacek ist seit fast zwei Jahren suspendiert.

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Das Band zwischen Justizministerin Alma Zadić und ihrem Legistik-Sektionschef Christian Pilnacek ist zerschnitten – und trotzdem könnte es sein, dass die beiden bald wieder zusammenarbeiten müssen. Denn im April wird sich die Bundesdisziplinarbehörde erneut mit Pilnaceks Suspendierung beschäftigen und möglicherweise deren Aufhebung beschließen.

Schon seit fast zwei Jahren ist der Sektionschef und frühere Generalsekretär im Justizministerium suspendiert, weil gegen ihn mehrere Ermittlungsverfahren laufen. Gegen diese disziplinarrechtliche Maßnahme ist Pilnacek mehrfach vorgegangen, letztinstanzlich wurde die Suspendierung des Bundesverwaltungsgerichts aber vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt, auch eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof war erfolglos. Mittlerweile gibt es in einem Strafverfahren gegen den Juristen einen rechtskräftigen Freispruch, in anderen geht es offenbar nur langsam voran. Durch die lange Dauer der Suspendierung wird es nun nötig, dass geprüft wird, ob die Gründe für die Disziplinarmaßnahme überhaupt noch vorliegen.

Offene Verfahren

Einige Verdachtsmomente gegen Pilnacek haben mit seiner engen Beziehung zum früheren Justizminister Wolfgang Brandstetter zu tun, der von der ÖVP nominiert worden war.

Pilnacek wird vorgeworfen, ihm eine bevorstehende Hausdurchsuchung bei seinem Mandanten Michael Tojner verraten zu haben. Außerdem soll es Pilnacek unterlassen haben, trotz anderslautender Empfehlung von zuständigen Beamten eine Anzeige gegen Brandstetter einzubringen. Da ging es um eine umstrittene Personalentscheidung während dessen Zeit als Minister. Dazu kommt der Vorwurf, Pilnacek habe im U-Ausschuss falsch ausgesagt. All diese Verfahren werden von der Staatsanwaltschaft (StA) Innsbruck geführt – die Wiener Behörden gelten sozusagen als befangen. Der Sektionschef bestreitet die Vorwürfe, und es gilt die Unschuldsvermutung. Auf Anfrage sagt Pilnaceks Anwalt Rüdiger Schender, sein Mandant äußere sich wie bisher zu laufenden Verfahren nicht.

Ob seine Suspendierung weiter aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, hängt eng mit dem Ermittlungsstand in den Strafverfahren zusammen. Der zuständige Disziplinarsenat hat dazu bei der StA Innsbruck Erkundigungen eingeholt. Öffentlich ist über Fortschritte in der Causa Pilnacek nur wenig bekannt.

Umstritten

Eine Rückkehr Pilnaceks ins Justizministerium wäre für Ministerin Zadić ein recht großes Problem. Abseits der strafrechtlichen Verdachtsmomente wird Pilnacek vorgeworfen, er stehe der ÖVP nahe, habe politisch gegen Zadić gearbeitet und die Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sabotiert.

Tatsächlich zeigten Chats auf Pilnaceks sichergestelltem Handy, dass er in engem Kontakt zu ÖVP-Politikern wie Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka stand, die Hausdurchsuchung der WKStA im Finanzministerium als "Putsch" bezeichnete und despektierliche Chatnachrichten von Anwalt Manfred Ainedter über Zadić unwidersprochen ließ. Auch über Richterinnen am Verfassungsgerichtshof schimpfte Pilnacek in Gesprächen mit Brandstetter – diese Nachrichten waren ein Grund dafür, dass er sich als Verfassungsrichter zurückzog.

Dass Zadić einst Pilnaceks "Supersektion" (zuständig für Einzelstrafsachen und Legistik) auftrennte und Pilnacek dann nicht mehr die Aufsicht über Strafsachen hatte, nannte er in Chats ein "schweres Foul". Die Justizministerin hatte diesen Schritt im Frühjahr 2020 damit begründet, dass diese beiden Aufgabenbereiche nicht in einer Sektion zusammengefasst werden sollten. Doch natürlich spielte auch der Streit zwischen WKStA und ihrem Vorgesetzten eine Rolle. Unterschiedliche Auffassungen in mehreren aufsehenerregenden Verfahren hatten für böses Blut gesorgt, etwa die Ermittlungen gegen Sektionschefs im Innenministerium (Causa Stadterweiterungsfonds), die BVT-Affäre oder der Fall Eurofighter.

Freispruch für Verbündeten Fuchs

Als enger Verbündeter von Pilnacek hat sich in dieser Zeit der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Johann Fuchs, erwiesen. Er hat Pilnacek auch dann Ermittlungsakten weitergeleitet, als dieser nicht mehr sein Vorgesetzter war. Außerdem besprachen die beiden, wie sie die WKStA rund um die Ibiza-Ermittlungen außen vor halten könnten. Auch Fuchs geriet ins Visier der Staatsanwaltschaft Innsbruck und war kurzzeitig suspendiert gewesen.

Zunächst war er in Innsbruck wegen des Verdachts auf Falschaussage zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden, das Oberlandesgericht Innsbruck hob dieses Urteil dann auf. Nun folgte vor wenigen Tagen ein Freispruch, begründet mit einem Aussagenotstand: Fuchs hätte sich im U-Ausschuss selbst belastet, daher durfte er gewissermaßen die Unwahrheit sagen. Gegen diese Entscheidung hat nun die StA Innsbruck berufen; Chancen werden ihr jedoch nur geringe eingeräumt. Der Freispruch von Fuchs ist also nicht rechtskräftig. Mit Verfahren der WKStA hat deren Vorgesetzter in der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien Fuchs allerdings nichts mehr zu tun – die betreut weiterhin ein Oberstaatsanwalt aus Innsbruck. (Fabian Schmid, Renate Graber, 23.3.2023)