Johanna Mikl-Leitner und Udo Landbauer regieren nun Niederösterreich.

Foto: christian fischer

St. Pölten – Wie am ersten Schultag wuselte es im niederösterreichischen Landtag bei der ersten Sitzung der neuen Legislaturperiode. Viele Neue waren besonders früh da. Sie begutachteten ihre Sitzplätze und die Stimmzettel, die eine Landesbeamtin zuvor sorgfältig auf die Pulte gelegt hatte. Gottfried Waldhäusl von der FPÖ füllt seine zum Teil schon vor der Sitzung aus.

Es beginnt eine neue Periode im Landtag. Vor allem aber bricht in Niederösterreich am Donnerstag ein neues politisches Zeitalter an: das Ende der schwarzen Absoluten. Und der Anfang einer rechtsnationalen schwarz-blauen Landesregierung. Mit seiner Wahl besiegelte der Landtag diese Zeitenwende. Auch wenn nur eine Minderheit der Abgeordneten Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zur Landeshauptfrau wählte.

VIDEO: Unter dem Motto "Keine Koalition mit Rassisten!" haben am Donnerstag rund 150 Menschen vor dem niederösterreichischen Landtag demonstriert.
DER STANDARD

Proteste und Pannen

Der Protest war schon in den vergangenen Tagen laut. Am Donnerstag machten noch einmal mehrere Hundert Menschen vor der Landtagssitzung im St. Pöltner Regierungsviertel mit Trillerpfeifen Stimmung gegen einen "politischen Dammbruch".

Mehrere Hundert Menschen protestierten vor dem St. Pöltner Landhaus gegen die schwarz-blaue Koalition.
Foto: apa / helmut fohringer

Auch die kleinen Pannen zu Beginn der Sitzung waren dann kein böses Omen für die neue Koalition. Zuerst begann die Tonanlage bei den Begrüßungsworten von Landtagspräsident Karl Wilfing (ÖVP) unkontrolliert zu piepsen; dann verhaspelte sich Mikl-Leitner bei ihrer Angelobung zur Abgeordneten: "Ich gelobe, so Gott – so wahr mir Gott helfe."

Ausscherende Abstimmer

Das ausscherende Wahlverhalten in den Abstimmungen über das Landtagspräsidium schien ebenfalls niemanden nervös zu machen: Bei den ersten Wahlgängen verteilten sich die Ja- und Nein-Stimmen nicht entlang der Fraktionsgrenzen, bei mindestens einer Partei gab es also eine Person, die anders wählte als ihre Kolleginnen und Kollegen.

In größtem Vertrauen auf ihren Pakt mit der FPÖ scherzte Mikl-Leitner also auch dann locker mit dem schwarzen Klubobmann Jochen Danninger, als die Stimmen für ihre Wahl zur Landeshauptfrau ausgezählt wurden. Still wurde es im Landtagssaal nur, als die stimmauszählenden Schriftführer die Zettel ein weiteres Mal zählten und untereinander diskutierten. Hatte sich die FPÖ in der geheimen Wahl doch nicht an den Deal gehalten, ungültig zu wählen?

Über die Wahl der Landeshauptfrau wachten Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll, Bischof Alois Schwarz sowie der Herrgott.
Foto: christian fischer

Mit 24 Stimmen zur "Mehrheit"

Doch es lief alles wie geplant, die Schriftführer wollten wohl nur sichergehen. Die Freiheitlichen hielten ihr Wort gegenüber Mikl-Leitner und brachen das Versprechen, das sie ihren Wählerinnen und Wählern gegeben hatten – nämlich die immer wieder wiederholte Bekundung, die Landeshauptfrau zu verhindern. Die Freiheitlichen, die in ihrer Politik keinen Platz für Zwischentöne lassen, wählten also entschieden mit Jein für Mikl-Leitner.

Dank der ungültigen blauen Stimmen reichten Mikl-Leitner jene 23 Mandatarinnen und Mandatare der ÖVP plus eine mehr, die mit einem klaren Ja für sie als Landeshauptfrau votiert hatten. Eine Landeshauptfrau, gewählt von einer Minderheit der 56 Abgeordneten. Eine Niederlage.

"Faschistische" Wirtshausprämie

Dass es sich bei der Wahl um ein Novum handelt – bislang erhielt das Landesoberhaupt eine echte Mehrheit im Landtag –, war auch Mikl-Leitner bewusst. "Dieser Tag ist wahrlich keine Routine", betonte sie in ihrer Regierungserklärung. Die heftige Kritik im Vorfeld der Sitzung wies sie aber zurück, man solle die Regierung an ihren Taten messen. Wenn Schwarz-Blau in Niederösterreich kritisiert wird, werde vielfach "mit zweierlei Maß gemessen": Eine Wirtshausprämie gebe es auch in Tirol, hier würde sie als "faschistisch" eingestuft.

Es sei nun an der Zeit, "aufeinander zuzugehen und Brücken zu bauen", sagte Mikl-Leitner. Niederösterreich sei das "Land der Eigentümer". Sie gab ein "klares Bekenntnis zum Individualverkehr" ab und sieht eine große Herausforderung im "Mitarbeitermangel". Dem neuen Landtag wünschte sie "Gottes Segen" und "Glück auf für unser Niederösterreich".

"Wer Wind sät, wird Sturm ernten"

Zurückhaltend blieb FPÖ-Chef Udo Landbauer, der zuvor zu Mikl-Leitners Stellvertreter gewählt worden war – wohlgemerkt mit 25 Stimmen und damit mehr Zuspruch, als die Landeshauptfrau erfahren hat. Der Weg in die Koalition sei kein einfacher gewesen, aber der verantwortungsbewusste, sagt Landbauer. Über die Corona-Politik sagte er wenig überraschend: Diese sei ein großer Fehler gewesen. Den Kritikerinnen und Kritikern der Koalition richtete Landbauer zunächst ohne erkennbaren Zusammenhang aus: "Wer Wind sät, wird Sturm ernten", um dann ebenfalls zu appellieren, die Regierung an ihren Taten zu messen: "Die Vorverurteilung ist leichter als die Beurteilung der echten Arbeit."

Deutlicher wurde dann FPÖ-Klubchef Reinhard Teufel: Ziel sei es, das Bundesland "freiheitlicher zu machen". Für Indra Collini (Neos) sitze Niederösterreich nun im Flugzeug nach Ibiza, "die ÖVP hat die Ibiza-Koalition ins Land geholt". Es gebe laut Collini keine Vision für das Land – das Einzige, was zu sehen sei, sei eine starke blaue Handschrift im Arbeitsprogramm.

Grüne Kritik an der SPÖ

Für Helga Krismer (Grüne) ist die schwarz-blaue Koalition in Niederösterreich "erschütternd", und es sei befremdlich, wie wenige Stimmen Mikl-Leitner bekommen habe. Doch in Krismers Rede waren nicht nur ÖVP und FPÖ mit viel Kritik konfrontiert, sondern auch die SPÖ und ihr Chef Hergovich. In Richtung SPÖ sagte Krismer: "Sie haben es ordentlich vergeigt" – für die Verhandlungstaktik von Hergovich sieht sie ein "Nicht genügend".

Die SPÖ bezeichnet das schwarz-blaue Programm als "visionslos und rückwärtsgewandt". Laut dem Klubobmann Hannes Weninger solle man sich das Arbeitsübereinkommen durchlesen, wenn man wissen wolle, wie Politik nicht funktioniere. Für seinen Vorschlag, nächstes Mal lieber die SPÖ zu wählen, erntete Weninger im Sitzungssaal Gelächter. (Sebastian Fellner, Max Stepan, 23.3.2023)