Es herrscht wieder Krisenstimmung in der deutschen Regierungskoalition.

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Es ist wie in einer Beziehung, und da kann sich die Stimmung ja auch schnell ändern. Die "sehr gute Kabinettsklausur" seiner Ampel hat der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) noch vor zwei Wochen gelobt. Und erklärt, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) dies durchaus bestätigen könnten.

Doch mittlerweile läuft es, wieder einmal, gar nicht gut in der Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Sollte das irgendjemand noch nicht mitbekommen haben, seit einem Auftritt Habecks in den ARD-Tagesthemen weiß es nun jeder.

Wütender Minister

Da nahm der Grüne kein Blatt vor den Mund, sondern lederte los: "Wir haben einen Auftrag, für die Menschen – für Deutschland – was zu leisten, und im Moment kommen wir dem nicht ausreichend genug nach." Man könne "jetzt nicht behaupten, dass im Moment die Dinge zügig abgearbeitet werden".

Er zeigte auch großen Ärger über die Berichterstattung über einen Gesetzesentwurf seines Ministeriums für ein Verbot neuer Gas- und Ölheizungen ab dem Jahr 2024. Über den hatte die Bild-Zeitung berichtet – nicht ohne ausführliche Hinweise auf die Wut vieler Hauseigentümer.

Billiger taktischer Vorteil

Habeck kam mit Beschwichtigungen, dass es Ausnahmen und Abfederung von sozialen Härten geben solle, kaum noch nach. In den Tagesthemen kritisierte er, der unfertige Gesetzesentwurf sei in einem sehr frühen Stadium an die Bild-Zeitung durchgestochen worden. "Ich muss unterstellen, bewusst geleakt worden", sagte er, "um dem Vertrauen in die Regierung zu schaden."

Dadurch seien Gespräche der Koalitionspartner "wahrscheinlich mit Absicht zerstört worden, des billigen taktischen Vorteils wegen".

Bei der Klausur der Grünen in Weimar ätzte er auch noch: "Es kann nicht sein, dass in einer Fortschrittskoalition nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist und die anderen für die Verhinderung von Fortschritt." Die Generalsekretäre der angesprochenen Parteien weisen den Vorwurf zurück. "Man sollte mit dem Druck nicht so umgehen, dass man jetzt einfach in alle Richtungen deswegen koffert", sagt Lars Klingbeil (SPD). Und Bijan Dijr-Sarai (FDP) meint: "Die Wahrnehmung von Herrn Habeck, die Grünen seien in der Ampelkoalition für den Fortschritt verantwortlich und die anderen Parteien würden verhindern, entspricht nicht der Realität."

Doch es gibt eine Reihe von Themen, bei denen die Ampelkoalition noch nach Lösungen sucht – und das zum Teil seit vielen Wochen:

  • Bundeswehr: Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will zehn Milliarden Euro mehr fürs Militär. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hingegen meint, er solle zuerst einmal das Geld aus dem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen ausgeben, bevor er neue Wünsche anmeldet.
  • Kindergrundsicherung: Auf der Bremse steht Lindner auch bei einem Herzensthema der Grünen. Familienministerin Lisa Paus will die Leistungen für Familien umstrukturieren und ausbauen und geht von einem jährlichen Mehrbedarf von zwölf Milliarden Euro aus. Lindner ist, mit Verweis auf die Schuldenbremse, wenig angetan.
  • Verkehr: Die Grünen fordern mehr Geld für den Ausbau des Schienennetzes in Deutschland, die FDP will lieber Autobahnen ausbauen.

All das und Weiteres, das sich angestaut hat, soll am Sonntagabend in einem Koalitionsausschuss besprochen werden. Vorab machten die Grünen schon deutlich, dass sie sich von Kanzler Scholz mehr Führung wünschen. "Es ist Zeit, dass der Kanzler mehr Verantwortung für das Ganze übernimmt", sagt der Vize der grünen Fraktion im Bundestag, Andreas Audretsch, im Tagesspiegel. Dem widerspricht Bundestagsvize Wolfgang Kubicki (FDP): "Der Kanzler ist nicht dafür da, die grüne parteipolitische Agenda umzusetzen."

Apropos Kubicki: Der hat Habeck mit dem russischen Präsidenten verglichen und gemeint: "Putin und Habeck haben eine ähnliche Überzeugung davon, dass der Staat, der Führer, der Auserwählte, besser weiß als die Menschen, was für sie gut ist." Danach aber entschuldigte er sich "in aller Form" bei Habeck. (Birgit Baumann aus Berlin, 23.3.2023)