2021 wurde Bandenchef Veljko Belivuk verhaftet. Vor Gericht gab er an, Aufträge von Staatsbeamten erhalten zu haben.

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Sie lancierten Lügen an regierungsnahe Medien, sie diffamierten den Oppositionspolitiker Dragan Djilas wochenlang, indem sie gefälschte Dokumente über angebliche Konten auf Mauritius und in der Schweiz verbreiteten. Wie der STANDARD berichtete, war die Schmutzkampagne, die vom Umfeld des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić im Jahr 2021 gegen Djilas lanciert wurde, offenbar von dem israelischen Geheimunternehmen "Team Jorge" vorbereitet worden. Das legen Dokumente nahe, die dem "Storykillers"-Recherchekonsortium, dem in Österreich exklusiv DER STANDARD angehört, zugespielt wurden.

Vučić und Co wollten damals vor allem vom sogenannten Jovanjica-Skandal ablenken. Der Hintergrund: Der 38-jährige Predrag Koluvija wurde im Herbst 2019 von der Polizei gestoppt, weil er mit seinem Audi zu schnell auf der Autobahn unterwegs gewesen war und den Beamten einen Polizeiausweis mit der Unterschrift des damaligen Innenministers Nebojša Stefanović gezeigt hatte.

1,6 Tonnen Marihuana

Bei den polizeilichen Ermittlungen stellte sich heraus, dass Koluvija Inhaber einer zwölf Hektar großen Marihuanaplantage in der Vojvodina war, die mit Hightech-Überwachung und Handystörsendern, Sicherheitskameras, Drohnen und Schusswaffen "geschützt" wurde. Den Ermittlungen zufolge soll Koluvija die illegale Drogenfarm mithilfe und in Zusammenarbeit mit fünf Mitgliedern der serbischen Polizei und der Sicherheitsdienste betrieben haben. Offensichtlich genoss das kriminelle Unternehmen also "staatliche" Unterstützung.

Die Polizei beschlagnahmte 1,6 Tonnen qualitativ hochwertiges psychoaktives Cannabis – ungefähr 65.000 Pflanzen mit einem sehr hohen Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC). Koluvijas Landwirtschaftsbetrieb – genannt "Jovanjica" – hatte 2016 von der staatlichen Exportversicherungs- und Finanzierungsagentur AOFI günstige Kredite bekommen.

Tarnen und täuschen

Wenn ausländische Wirtschaftsdelegationen nach Serbien kamen, besuchten sie mitunter die "Biofarm", in der vor der versteckten Marihuanaplantage auch Gurken und anderes Gemüse wuchsen. Selbst der damalige serbische Verteidigungsminister und heutige Geheimdienstchef Aleksandar Vulin besuchte 2015 den Bauernhof von Koluvija und pflückte dort vor Kameras Bio-Paradeiser. Er wurde damals von Dragan Sikimić begleitet, der jetzt Direktor der Antikorruptionsbehörde ist.

Koluvija selbst stand auch in Kontakt mit einem Staatssekretär des Innenministeriums, Milosav Miličković. Im Laufe der Recherchen stellte sich immer mehr die Frage, wie es möglich war, dass Koluvija jahrelang eine riesige Drogenplantage bestellen konnte und die Polizei und die Staatsanwaltschaft nicht gegen ihn vorgingen. Als im März 2021 schließlich das Gerichtsverfahren in der Jovanjica-Affäre begann, inszenierten regierungsnahe Medien mit den offenbar von "Team Jorge" manipulierten Dokumenten die Mauritius-Affäre gegen Djilas. Und siehe da, es wirkte: Von der Jovanjica-Affäre wurde abgelenkt.

Nichts damit zu tun

Interessant ist auch, dass Vučić selbst in einem Interview mit dem regierungsnahen TV-Sender Pink Stellung nahm. Er zeigte sich überrascht, dass Koluvija "wegen eines solchen Verbrechens zwei Jahre in Untersuchungshaft sitzt", wo er doch "niemanden getötet" habe. Marihuana sei zudem in Deutschland legalisiert worden, bagatellisierte Vučić die Affäre. Auch in der Polizei verstand man bald, wie heikel die Angelegenheit war, und es wurde darüber gemunkelt, wie die Affäre vertuscht werden sollte.

Regierungsnahe Medien betonten, dass Vučić und seine Familie nichts mit der Jovanjica-Affäre zu tun hätten. In dem Skandal rund um den Bandenchef Veljko Belivuk, dem wegen schweren Mordes, Entführung, unerlaubten Waffen- und Sprengstoffbesitzes und Drogenhandels der Prozess gemacht wird, war das schon komplizierter.

Arbeit für "staatliche Bedürfnisse"

Denn der Anführer der kriminellen "Fußballfan-Gruppe", die sich "die Janitscharen" nannte, sagte vor Gericht aus, dass er "staatlichen Bedürfnissen" gedient habe. Belivuk sagte auch aus, dass seine Gruppe über einen anderen "Fußballfan" Aufgaben von hohen Staatsbeamten erhalten habe. Er selbst habe einmal Staatschef Vučić persönlich getroffen, der damals vorgeschlagen haben soll, die weitere Kommunikation über den damaligen Innenminister Vulin fortzusetzen.

Vučić und Vulin weisen alle Anschuldigungen zurück und kündigten an, Belivuk zu klagen. Vulin sagte, Belivuk stehe vor einer lebenslangen Haftstrafe und lüge, weil er nichts zu verlieren habe. Die "Janitscharen" hatten jedenfalls Verbindungen zu Sicherheitsunternehmen und Staatsbeamten.

Šešeljs Leibwächter "Pana"

Im Falle eines Gangsters sind die Verbindungen zu Vučić allerdings bewiesen. Denn es gibt einige Fotos, die Petar Panić – genannt "Pana" – mit dem heutigen serbischen Präsidenten zeigen. Panić war Leibwächter für Vojislav Šešelj, den Chef der rechtsradikalen Serbischen Radikalen Partei, zu der Vučić früher gehörte. Er hatte aber auch gute Beziehungen zu dem früheren Gesundheitsminister Zlatibor Lončar.

Panić wurde in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren wegen 16 Verbrechen angeklagt, unter anderem wegen Körperverletzung. Panić erhielt Recherchen des investigativen Mediums "Krik" und des Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) zufolge vom Gesundheitsminister – der damals Arzt in einem Belgrader Krankenhaus war – fragwürdige medizinische Atteste, die sein Anwalt benutzte, um sein Nichterscheinen vor Gericht zu rechtfertigen. Ein Verfahren galt deshalb in der Folge als verjährt.

Bedenkliche medizinische Atteste

Es gehört zu den Methoden von kriminellen Gruppen, Gerichtsverfahren zu verzögern, bis sie eingestellt werden müssen. In einem der Atteste schrieb Lončar damals, dass Panić in einem so schlechten Gesundheitszustand sei, dass er sein Haus nicht verlassen könne. Während dieser Zeit war Panić jedoch unterwegs, und selbst die Polizei konnte ihn nicht finden.

In einem zweiten Bericht behauptete Lončar, dass Panić sich immer noch von einer Operation erhole, die über ein Jahr zuvor durchgeführt worden war. 2014 war Lončar von Vučić, der damals Premier war, zum Gesundheitsminister ernannt worden. Das alte Netzwerk scheint also nach wie vor zu funktionieren. (Adelheid Wölfl, 28.3.2023)