Für den PC gibt es den vom deutschen Spieleentwickler TML-Studios und dem Publisher Aerosoft in Zusammenarbeit mit Flixbus entwickelten "Fernbus Simulator" schon seit August 2016, nun wurde auch eine Version für die Konsolen Playstation 5 und Xbox Series X/S veröffentlicht – was sich natürlich bestens anbietet, um sich nach einem langen Arbeitstag im Büro abends aufs Sofa zu lümmeln und einen Arbeitstag als Busfahrer nachzuspielen. DER STANDARD hat den "Fernbus Simulator" daher auf der Playstation 5 getestet.

Aerosoft Official

Worum geht es beim "Fernbus Simulator"?

Egal ob Landwirte, Bauarbeiter oder Straßenbahnfahrer – es gibt vor allem im deutschen Sprachraum ein starkes Faible für das Simulieren von Berufsständen. Die Zielgruppe dieser Spiele sind nicht unbedingt Hardcore-Gamer, sondern oft Menschen, die einfach mal in einen anderen Beruf hineinschnuppern wollen. Oder sie üben diesen Beruf selbst aus und würden gerne wissen, was sie anders machen könnten. Etwa im Fall des Landwirtschaftssimulators, der auch zum Beispiel von Milchbauern gespielt wird, die gerne ausprobieren möchten, wie es ihnen mit dem Anbau von Sorgumhirse ergehen würde.

Der "Fernbus Simulator" reiht sich in dieses Erfolgskonzept ein und simuliert den Arbeitsalltag eines Busfahrers. Unter anderem geht es darum, einen Fernbus durch den Stadtverkehr und über Autobahnen von einer Stadt zur nächsten zu fahren und so die Fahrgäste sicher ans Ziel zu bringen.

Von Nizza nach Wien

Zu diesem Zweck wurden 50.000 Kilometer fahrbare Strecke im Maßstab 1:10 nachgebildet, über 100 unterschiedliche Städte können virtuell bereist werden, die offene Spielwelt reicht von Frankreich im Westen über Deutschland, die Schweiz und die Benelux-Länder bis nach Österreich und Tschechien am östlichen Ende der Karte.

Als unterschiedliche Busse stehen der MAN Lion's Coach, der MAN Lion's Intercity, der Neoplan Skyliner und der BB40 zur Verfügung. In Kooperation mit Flixbus gibt es das quietschgrüne Branding auf Wunsch gleich dazu, auf Wunsch ist aber auch eine andere Lackierung möglich.

Die Busse können auch anders als i Flixbus-Grün lackiert werden, andere Simulatoren bieten allerdings deutlich mehr Gestaltungsspielraum.
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Technik und Grafik? Egal!

Nun dürfen die Erwartungen aber nicht zu hoch gesteckt werden, wenn von "über 1000 unterschiedlichen Städten" die Rede ist. Denn keine dieser Städte kann komplett erkundet werden, stattdessen werden nur jene Teile der Ortschaften abgebildet, die von den Entwicklern als relevant erachtet wurden. Im Fall von Wien ist das ... der Südtiroler Platz. Eine doch recht eigenwillige Wahl, hätte man mit dem Stephansdom, Schloss Schönbrunn oder dem Riesenrad im Prater doch einige herzeigbare Sehenswürdigkeiten zur Verfügung gehabt. Aber okay.

Andernorts ist es auch nicht besser. Zwar sind im Test in Salzburg oder Linz Straßabschnitte und Brücken klar wiedererkennbar, der aus Spielen wie dem "Microsoft Flight Simulator" bekannte "Ich sehe meine Wohnung"-Effekt bleibt aber aus. Ins Burgenland kann man überhaupt nicht fahren. Und auch dort, wo Sehenswürdigkeiten abgebildet werden, ist es eher enttäuschend: Der Kölner Dom etwa wirkt wie ein liebloser grauer Klotz aus der Ära der ersten 3D-Shooter.

Hätten Sie dieses Gebäude im "Quake"-Stil erkannt?
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Und auch ansonsten muss angemerkt werden, dass die Texturen im Spiel eher lieblos geraden sind und nicht unbedingt als Benchmark gehandelt werden können. Das gilt für Gebäude, aber auch für das Auftreten der Fahrgäste, welches nicht sonderlich schmeichelhaft gelungen ist.

Sonderlich hübsch sind die Fahrgäste nicht.
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Diese grafischen Rückstände wären im Grunde noch akzeptabel, wenn das Spiel zumindest flüssig laufen würde – allerdings wurden auf der Playstation 5 immer wieder Ruckler während der Fahrt bemerkbar, die darauf rückschließen lassen, dass hier schlichtweg unsauber programmiert wurde.

Es gibt viel zu tun

Aber eigentlich ist das egal. Simulatoren wie diesen spielt man nämlich gar nicht wegen der Grafik, sondern um eben den Berufsstand mit all seinen Facetten auszukosten. Hier wird unterschieden zwischen dem "Karriere"-Modus, bei dem Routen erstellt, Fahrgäste chauffiert und neue Städte erschlossen werden müssen, und dem "Freie Fahrt"-Modus, bei dem man sich ohne Fahrgäste frei mit dem Bus durch die Welt bewegt.

Zudem kann zwischen einem realistischen und einem "Arcade"-Modus gewählt werden: Beim einen müssen allerlei Funktionen im Bus aktiviert und selbständig geschaltet werden, beim anderen lässt sich zum Beispiel der Rückwärtsgang auch einfach mit dem Bremse-Trigger aktivieren.

Auch das Wetter lässt sich bei Bedarf festlegen.
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Am spannendsten ist das Spiel freilich, wenn man alles selbst machen muss – also schalten ebenso wie Fahrgäste zu transportieren. Denn zum Befördern der Fahrgäste gehört nicht nur das Fahren per se: Teil des Spiels ist es auch, die Fahrkarten der Mitreisenden zu kontrollieren, ihnen bei Bedarf Tickets zu verkaufen und die Gepäckluken zu öffnen, damit sie ihre Koffer einladen können – wobei die Animation des Einladens nicht gezeigt wird, auch an dieser Stelle wurde offensichtlich gespart.

Hat dieser hübsche Herr ein gültiges Ticket?
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Vor der Abfahrt müssen dann noch die Türen geschlossen, die Klimaanlage eingeschaltet, die Handbremse gelöst und der Gang eingelegt werden. Und haben wir den Busparkplatz einmal verlassen, kommen weitere Aufgaben auf uns zu: Der eine Gast fordert, dass man das WLAN einschaltet, eine Dame möchte das Bord-WC verwenden und eine dritte Person, beschwert sich, dass die Klimaanlage zu kalt eingestellt ist.

Freilich nimmt man all diese Einstellungen mithilfe der Controller-Pfeiltasten vor, während man gleichzeitig versucht, mit dem Twinstick das Fahrzeug durch den Stadtverkehr an langsam fahrenden Autos vorbeizufahren und ... zack! Schon ist der erste leichte Unfall gebaut und der erste Fahrgast verkündet, dass er sich übergeben muss. Zum Glück ist das Spielelement des Erbrochenes-Aufwischens nicht integriert.

Regeln brechen

Nach den ersten leichten Unfällen wird aber auch rasch klar: Regeln sind da, um gebrochen zu werden – und so wird man schon innerhalb der ersten Spielminuten rasch zum Flixbus-Rowdy, der sich an roten Ampeln vordrängelt, Verkehrsschilder niedermäht und konsequent viel zu schnell fährt.

Auch komme ich öfters mal von der Autobahn ab und fahre über die angrenzende Grasfläche. Oder ich überschlage mich und bleibe auf der Fahrbahn liegen – praktisch, dass das im Spiel keine echten Konsequenzen hat, sondern man durch gleichzeitiges Drücken beider Joysticks sofort wieder aufrecht auf der Straße steht. Auch fährt zwar so manches Polizeiauto durch die Straßen – doch auch mehrmaliges Rammen diverser Pkw, welche dadurch ein paar Meter nach vorne geschleudert werden, hat keine rechtlichen Konsequenzen.

Unfälle wie dieser ...
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... dieser ...
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... oder dieser gehören zum Spielgeschehen.
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Breche ich hingegen nicht gerade das Gesetz und schalte Häusl und WLAN für die nörgelnden Gäste frei, so ist der "Fernbus Simulator" vor allem eines: entspannend und unaufgeregt. So chillt man sich gemütlich über die virtuelle Autobahn zwischen Wien und Linz, während man in der realen Welt mit der verehrten Gemahlin Smalltalk über den vergangenen Tag führen kann.

Fazit: einschalten und abschalten

Gerade diese Chilligkeit ist es auch, die zu einem gewissen Grad den Reiz des "Fernbus Simulators" ausmacht. Das Leben ist sowieso schon stressig genug, da muss es nicht an jedem Abend auch noch ein adrenalinsteigernder 3D-Shooter sein. Lieber einfach entspannen, indem man auf im virtuellen Bus quer durch Europa fährt. Und ein paar Dinge kaputt macht, wenn man Lust darauf hat, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.

Die Kehrseite der Medaille ist freilich, dass das Spiel schon nach sehr kurzer Zeit seinen Reiz zu verlieren droht. Das Spielkonzept – Fahrgäste-Onboarding, Losfahren, Bordfunktionen aktivieren, Ankommen – wiederholt sich stark, die nicht sonderlich liebevoll gestalteten Städte hat man irgendwann erkundet, die echte Herausforderungen bleiben aus. Ob dafür 39,99 Euro ein angemessener Preis sind, muss jeder für sich entscheiden. (Stefan Mey, 25.3.2023)