In Mailand hat man oft nicht den Durchblick.

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Seit Tagen schon liegt eine bräunlich-graue Dunstglocke über Mailand. Vor allem in den frühen Morgenstunden sieht man an den Kanälen des Ausgehviertels Navigli kaum bis zur nächsten Brücke. Die EU-Grenzwerte für Feinstaubpartikel sind in der lombardischen Metropole in diesem Jahr bereits 28-mal überschritten worden – erlaubt sind laut den Vorgaben der EU zur Lufthygiene 35 Überschreitungen pro Jahr.

Nicht besser sieht es bezüglich der Belastung mit Stickoxiden aus. Besonders dick war die Luft in der mit 1,4 Millionen Einwohnern zweitgrößten Stadt Italiens am vergangenen Dienstag: Laut der Schweizer Plattform IQ Air verzeichnete Mailand – nicht zum ersten Mal – die am stärksten mit Feinstaub belastete Luft in ganz Europa. Schlimmer war die Situation am gleichen Tag weltweit nur noch in Teheran und in Peking.

Mailand und auch die Po-Ebene gelten seit langem als die Gebiete mit der schlechtesten Luft Europas. Dies hat vor allem mit der Topografie zu tun: Die stickige Luft staut sich an den Alpen im Norden; im Süden riegeln die Ausläufer des Apennins den "Kessel" ab. Inversionswetterlagen mit hartnäckigem Nebel, bei denen die oberen Luftschichten wärmer als die unteren sind, tragen zusätzlich dazu bei, dass sich Luftmassen nur schwerfällig bewegen.

Hohe Autodichte

Die Region ist außerdem stark industrialisiert und wird landwirtschaftlich intensiv genutzt – allein die Massentierhaltung trägt bis zu 40 Prozent der Stickoxud- und Feinstaubkonzentrationen bei. Und natürlich hat auch die hohe Autodichte in den Städten einen erheblichen Anteil an der Luftverschmutzung.

In Mailand und in der Po-Ebene kann außerdem ein Nebeneffekt des Klimawandels beobachtet werden, der gemeinhin wenig diskutiert wird: Unter der extremen Trockenheit, die in der Po-Ebene schon im letzten Jahr zu Milliardeneinbußen in der Landwirtschaft geführt hatte und die in diesem Jahr noch schlimmer zu werden droht, leiden nicht nur die Gewässer und die Böden, sondern auch die Luft: Wenn es nicht mehr regnet, werden die Feinstaubpartikel in der Luft nicht mehr ausgewaschen.

Laut der lombardischen Umweltbehörde Arpa hat dies im vergangenen Jahr zu einer Rekordzahl von Tagen geführt, an denen die EU-Grenzwerte für Feinstaub überschritten wurden: An 91 Tagen – also drei Monaten – war die Schadstoffbelastung zu hoch.

Tempo 30 eingeführt

Man kann den Mailänder und den lombardischen Behörden nicht vorwerfen, untätig gewesen zu sein: Vor 20 Jahren ist die Schadstoffbelastung in der Stadt und in der Po-Ebene noch um mehr als das Doppelte über den heutigen Werten gelegen. Unter anderem wurde für die Innenstadt der Metropole Tempo 30 eingeführt und Zugangsbeschränkungen erlassen.

Während der Corona-Pandemie hat Mailands Bürgermeister Beppe Sala zudem die Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger verbessert; bis 2035 soll in der Stadt ein 750 Kilometer langes Radnetz entstehen. "Dennoch sind wir bei den Bemühungen um die Verbesserung der Luftqualität an einem toten Punkt angelangt", betont Barbara Meggetto von der italienischen Umweltorganisation Legambiente. Insbesondere bei den beiden wichtigsten Quellen der Luftverschmutzung – dem Autoverkehr und der Landwirtschaft – werde viel zu wenig getan.

Der Europäische Gerichtshof hatte schon 2020 festgehalten, dass Norditalien seit Jahren zu hohe Feinstaubkonzentrationen aufweise und zu wenige Manßahmen dagegen ergreife; Rom ist deswegen mit zwei Vertragsverletzungsverfahren konfrontiert. Und nun sollen ja auf EU-Ebene die Grenzwerte noch einmal deutlich abgesenkt werden.

Hohe Gesundheitskosten

Die Gesundheitskosten sind schon heute beträchtlich: Laut einer von der Mailänder Stadtverwaltung in Auftrag gegebenen Studie belaufen sich die medizinischen Kosten, die der Smog verursacht, auf rund 300 Millionen Euro jährlich. Betroffen sind nicht zuletzt auch Schülerinnen und Schüler: Jede zweite Mailänder Schule befindet sich an einer stark befahrenen Straße mit einer besonders hohen Schadstoffbelastung. (Dominik Straub aus Rom, 25.3.2023)