Im Gastblog schreibt Florian Martek* darüber, warum eine Väterkarenz nicht fehl am Platz ist, sondern eine positive Wirkung haben kann.

Man kann noch so stark für Gleichberechtigung eintreten, doch gewisse biologische Unterschiede zwischen Männern und Frauen kann man nicht negieren. Und gerade bei Schwangerschaft, Geburt und der Zeit danach werden diese Unterschiede am deutlichsten sichtbar. Die Evolution hat Frauen dazu befähigt, Babys auch außerhalb ihres Körpers für Monate und Jahre mit der Muttermilch zu ernähren.

Das Stillen hat nebenbei auch viele positive Wirkungen auf die Gesundheit: Das Risiko vieler Krankheiten ist geringer, sowohl für Mütter (zum Beispiel Brustkrebs), als auch für die Kinder (Asthma, Diabetes, Herz-Kreislauf-Störungen und viele mehr).¹ Nicht umsonst hört und liest man überall den Satz: "Stillen ist das Beste für ihr Kind." Und gerade am Anfang, bevor das Immunsystem des Babys vollständig entwickelt ist, schützen die in der Muttermilch enthaltenen Antikörper das Kind vor Infektionen, die die Mutter bereits durchgemacht hat.

Bei Diskussionen um die Väterkarenz werden oft genug negative Aspekte eingebracht – dabei gibt es auch so manche Vorteile.
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Allerdings funktioniert das Stillen nicht bei allen Frauen einwandfrei. In unserem Bekanntenkreis hatten mehrere Mütter dauerhaft nicht genug Milch, mussten immer wieder abpumpen und zufüttern, waren teilweise nervlich komplett am Ende. Dazu kommt, dass viele Babys mit leichtem Geburtsgewicht Probleme dabei haben, die zum Saugen notwendige Kraft und Ausdauer aufzubringen. Und gerade bei psychischen Erkrankungen der Frau nach der Geburt, wie es bei meiner Frau mit der postpartalen Depression vorgekommen ist, wird oft die Entscheidung getroffen, nicht (mehr) zu stillen. All diese Aspekte haben eines gemeinsam: Es sind unangenehme Themen, über die kaum jemand spricht. Auch uns haben viele Bekannte erst detailliert erzählt, welche Probleme sie in der Zeit um und nach der Geburt hatten, als wir von unseren eigenen berichtet hatten.

Wer nicht stillt, füttert das Baby mit Säuglingsanfangsnahrung. Diese ist in Österreich in Drogerien und teilweise auch in Supermärkten erhältlich, es gibt unzählige, verschiedene Produkte. Das Füttern mit der Flasche hat einen Vorteil: Nicht nur die Mutter, sondern auch der Vater (oder auch die Großeltern etc.) können es übernehmen. Fläschchen machen es für den Mann wesentlich einfacher, schon früh in Karenz zu gehen.

Vorteile der Väterkarenz

Auch biologisch gibt es einige Gründe, die dafür sprechen, dass mehr Väter in Karenz gehen sollten: Es ist schon länger bekannt, dass Schlafmangel für Frauen gefährlicher ist als für Männer. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt mit reduziertem Schlaf bei Frauen stärker als bei Männern, Ähnliches dürfte für Diabetes gelten. Ohnehin leiden Frauen im Durchschnitt häufiger an Schlafstörungen oder Schlaflosigkeit, was unter anderem auf den Hormonhaushalt zurückzuführen ist. Und Frauen brauchen durchschnittlich auch um 20 Minuten mehr Schlaf als Männer, bekommen ihn aber gerade mit kleinen Kindern nicht, weil sie auch nachts meist die Betreuung übernehmen. Diese Durchschnittswerte lassen sich selbstverständlich nicht auf jedes Paar ummünzen, ich möchte aber alle Paare zum Nachdenken bringen: Wer kommt bei Ihnen besser mit Schlafmangel zurecht?

Die praktischen und logistischen Aspekte der Kinderbetreuung sollten Männer nicht abschrecken. Windelwechseln, Wäschewaschen, Kochen und Brei vorbereiten, Gewand der Kinder organisieren: Das sind alles keine den Frauen angeborenen Fähigkeiten. Das kann man(n) lernen. Es hilft, sich schon vorher den Haushalt zu teilen, denn dann weiß man, wie man Erbrochenes von verschiedenen Oberflächen wie Tisch, Boden, Teppich, Kleidung etc. wegbekommt. Ein gewisses Wissen über Kochen hilft einerseits, dem Kind mit Anfang der Beikost schmackhafte Mahlzeiten zuzubereiten, und andererseits, als Elternteil nicht zu verzweifeln, wenn die Pizzalieferung zu lange dauern würde oder man gerade nicht raus zum nächsten Kebabstand kommt. Und auch sonstige Sorgen sind meist unberechtigt. Kinder lieben ihre Mütter nicht von Natur aus mehr, sondern eher, weil sie viel mehr Zeit mit ihnen verbringen und für sie da sind.

Gelebte Gleichberechtigung

Ich denke, dass die Karenzzeit für Väter eine bereichernde Erfahrung ist. Nicht nur für sie selbst und die Kinder, sondern auch für die Beziehung zur Partnerin. Man lernt das wahre Ausmaß der Arbeit kennen, die Kinderbetreuung gekoppelt mit Haushaltsführung darstellt. Wie hart es ist, mehrmals in der Nacht vom Schreien aufgeweckt zu werden. Oder zum gefühlt hundertsten Mal in der Woche Essensreste aufzuheben. Im Großen betrachtet ist es ein wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung, im Detail aber auch eine unbezahlbare Erfahrung mit dem Vorteil, dass sich die Beziehung nachhaltig zum Positiven verändert wird. Viele Partnerschaften in Familien mit Kindern gehen in die Brüche – Gleichberechtigung in der Kinderbetreuung hat das Potenzial, das in manchen Fällen zu verhindern. (Florian Martek*, 24.4.2023)