Der Tuchel Thomas übernimmt.

Foto: IMAGO/Sven Simon

München – Eine offizielle Bestätigung stand Freitagmittag noch aus, doch auf Social Media und im internationalen Blätterwald war das Rascheln bereits enorm: Der FC Bayern München trennt sich von Fußball-Cheftrainer Julian Nagelsmann und ersetzt ihn mit Thomas Tuchel. Wie der anerkannte Transfermarkt-Experte Fabrizio Romano twitterte, sollte der 49-Jährige noch am Freitag einen Vertrag bis Sommer 2025 beim deutschen Rekordmeister unterzeichnen.

Die Bayern-Bosse schwiegen jedoch zunächst, als sie am Vormittag mit ernsten Mienen am Vereinsgelände vorfuhren. Vorstandschef Oliver Kahn, Sportvorstand Hasan Salihamidzic und Präsident Herbert Hainer äußerten sich zunächst weder zum Nagelsmann-Aus noch zur kolportierten Lösung Tuchel. Grund für die öffentliche Zurückhaltung könnte sein, dass die Führung zunächst mit Nagelsmann ein Gespräch führen wollte – auch, um die Form zu wahren.

Skifahren in Tirol

Der 2021 für eine Rekordablöse von kolportierten 25 Millionen Euro von Leipzig verpflichtete Nagelsmann, der in dieser Woche noch beim Skifahren in Tirol weilte, wurde jedenfalls an der Säbener Straße erwartet. Kamerateams und Fotografen belagerten das Vereinsgelände.

Die Bayern waren offensichtlich davon überrascht worden, dass die spektakuläre Trainer-Entscheidung am späten Donnerstagabend über externe Kanäle publik geworden ist. Romano hatte zuerst berichtet, dass die Münchner eine Trennung von Nagelsmann in Erwägung ziehen. Spät am Abend meldete das die "Bild"-Zeitung als fix.

Kahn und Co. erkannten trotz eines top besetzten Kaders keine nachhaltige sportliche Verbesserung unter dem Coach, der vor kurzem mit dem Achtelfinal-Coup gegen Paris Saint-Germain seinen größten internationalen Bayern-Erfolg feierte. Die Bosse sahen durch ständige Leistungsschwankungen die Saisonziele gefährdet. Mit Bundesliga, Champions League und DFB-Pokal sind noch alle drei Titel möglich.

Nachfolger Tuchel

Die Nachfolge des 35-jährigen Nagelsmann, der einen Vertrag bis 2026 hat, soll der derzeit vereinslose Tuchel antreten. Der Deutsche war in dieser Spielzeit bei Chelsea entlassen worden, mit den Londonern hatte er 2021 die Champions League gewonnen. 2020 unterlag der ehemalige Mainz- und Dortmund-Trainer mit PSG den Münchnern im Finale der Königsklasse. Pikant wäre, dass Tuchel die Bayern ausgerechnet gegen den BVB am Samstag kommende Woche in München erstmals coachen könnte.

Der Zeitpunkt der aufsehenerregenden Personalie kommt vor dem Liga-Schlager sowie den K.o.-Duellen mit dem SC Freiburg im DFB-Pokal und Manchester City in der Königsklasse überraschend, begründet sich aber in der aktuellen Gesamtkonstellation. Tuchel ist auf dem Markt – und international begehrt. Angeblich war er auch Kandidat bei Real Madrid und Tottenham Hotspur. Entweder jetzt oder wieder nicht könnte die Frage beim Bayern-Kalkül gelautet haben.

Im Frühjahr 2018 hatten die Münchner bei Tuchel gezögert. Damals hatte der damalige Präsident Uli Hoeneß zu lange gehofft, Jupp Heynckes doch noch zum Weitermachen überreden zu können. Am Ende kam Niko Kovac, der trotz des Gewinns von Meisterschaft und DFB-Pokal im zweiten Amtsjahr vorzeitig gehen musste. Ähnliches wiederholt sich nun beim letztjährigen Meistercoach Nagelsmann.

Zu viele Nebenschauplätze

Um Nagelsmann gab es zudem zu viele Nebenschauplätze. So sorgte etwa die von ihm vorangetriebene Ablösung des Manuel-Neuer-Vertrauten Toni Tapalovic als Tormanntrainer für viel Wirbel. Mit einer Beziehung zu einer Reporterin machte er sich intern angreifbar.

Die Meldung vom angeblichen Nagelsmann-Aus überraschte auch die Profis des FC Bayern. "Das hat mich überrumpelt. Ich werde versuchen, mich so gut wie möglich in das Konzept des neuen Trainers einzufügen", sagte der von Manchester City ausgeliehene Außenverteidiger João Cancelo direkt nach dem 4:0 mit Portugal gegen Liechtenstein. (APA, 24.3.2023)