Der Sonnensturm nahm seinen Ausgang in einem Sonnenfleck. Es handelte sich um einen langsamen Sturm, der die Erde genau traf.
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Wer in der Nacht auf den 24. März in Norddeutschland oder Großbritannien in den Nachthimmel blickte, konnte dort mit etwas Glück Nordlichter beobachten. In den USA waren sie sogar bis Arizona zu sehen.

Verantwortlich dafür war eine Sonneneruption am 20. März. Einer auf Weltraumwetter spezialisierten Forschungsgruppe von Geosphere Austria gelang es vorherzusagen, dass der darauf folgende Sonnensturm die richtigen Eigenschaften hatte, um einen geomagnetischen Sturm auszulösen. Ihr Leiter Christian Möstl erklärt, welche besonderen Umstände dazu führten.

So fing ein Fotograf die Nordlichter in der Nacht auf 24. März über Finnland ein.
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"Grundsätzlich ist der Sonnenzyklus am Steigen", sagt Möstl. "Das Maximum der Sonnenaktivität ist noch lange nicht erreicht." Das soll erst 2025 der Fall sein. "Hin und wieder ist dann auch ein Sonnensturm dabei, der einen größeren geomagnetischen Sturm verursacht", erklärt Möstl. Dieser Sturm sei der erste stärkere in diesem Sonnenzyklus. Der letzte derart starke Sturm war im Juni 2015 registriert worden.

DER STANDARD

Sonnensonde auf dem richtigen Platz

"Der große Glücksfall war, dass sich genau jetzt die Sonde Solar Orbiter im Raum zwischen Sonne und Erde befindet", freut sich Möstl. Diese Sonde, die 2020 ins All startete, ist eine Kooperation der europäischen Weltraumagentur Esa und der US-Weltraumagentur Nasa und hat Geräte zur Messung des Sonnenwindes an Bord. Solar Orbiter kreuzt die Linie zwischen Erde und Sonne nur einmal im Jahr.

"Solar Orbiter ist eigentlich nicht dafür gemacht, in Echtzeit Daten zu liefern", sagt Möstl. Dennoch habe man schon letztes Jahr versucht, über das britische Imperial College möglichst schnell Zugang zu den Daten zu erhalten. Es sei eine Herausforderung, die Daten zu bekommen, bevor ein registrierter Sonnensturm auf die Erde trifft.

Das Team setzte eine Reihe von Tweets ab, in denen es die Daten von Solar Orbiter interpretiert. Den Anfang machte Möstls Kollegin Emma Davies.

Schon vor einem Jahr war es Möstl und seinem Team gelungen, mit Daten von Solar Orbiter das Eintreffen eines Sonnensturms auf der Erde zu prognostizieren. Dazu bereitet man gerade eine Publikation in einem Fachjournal vor. Diesmal hat das Team die Daten allerdings relativ spät bekommen.

"Wir haben das mögliche Eintreffen des Sturms am 23. zu Mittag getwittert, zu einem Zeitpunkt, als wir den Beginn des Sturms erwarteten", berichtet Möstl. Richtig losgegangen sei es dann in der Nacht.

Möstl gibt zu, dass ein Unsicherheitsfaktor dabei ist. Die Daten von Solar Orbiter bildeten einen Bereich des Sonnensturms ab, der nach derzeitigem Forschungsstand keine eindeutige Aussage über seine Auswirkungen auf der Erde zulässt. Dafür war die Position nicht perfekt genug. Für die Prognose reichte es dennoch.

Genau ausgerichteter Sturm

Der nun auf der Erde für so starke Effekte verantwortliche Sturm habe von der Sonne nicht viel Beschleunigung mitbekommen, sondern sei eher langsam gewesen. "Diese langsamen Magnetstürme müssen die Erde ganz genau treffen, und das Magnetfeld muss genau die richtige Ausrichtung haben", sagt Möstl. Nur so könne es die beobachteten Effekte auslösen.

Diese Nordlichter wurden in der Nacht des 23. März in Kanada aufgenommen.
Foto: IMAGO/VCG

Zu Schäden wie in der Vergangenheit kam es diesmal nicht. Möstl berichtet von einem Weltraumunternehmen, das sich veranlasst sah, einen Raketenstart zu verschieben. Vor allem für niedrig platzierte Satelliten wie jene von Starlink sind Sonnenstürme ein Problem. Im Februar 2022 verlor Space X mehrere Starlink-Satelliten durch einen Sonnensturm.

"Der Sturm war genau so, wie wir ihn gerne haben: Er erzeugte schöne Nordlichter, löste aber keine technischen Probleme aus", sagt Möstl. In den nächsten Jahren, wenn der Aktivitätszyklus sein Maximum erreicht, wird noch vermehrt auch mit Magnetstürmen auf der Erde zu rechnen sein. Die Sonne wird mehr und mehr Sonnenflecken ausbilden, und: "Je mehr Sonnenflecken es gibt, desto mehr Sonnenstürme gibt es", betont Möstl.

Die Sonde Solar Orbiter startete 2020 ins All. Sie misst das Magnetfeld der Sonne und den Sonnenwind.
Foto: Handout / EUROPEAN SPACE AGENCY / AFP

Weltall-Meteorologie

Geosphere Austria ist die Nachfolgeorganisation der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) und der Geologische Bundesanstalt (GBA). Sie beherbergt auch das im September eröffnete Austrian Space Weather Office unter Leitung von Möstl. Letztes Jahr sicherte sich seine Gruppe einen mit zwei Millionen Euro dotierten ERC-Consolidator-Grant der Europäischen Kommission.

"Wir haben uns schon ein wenig eingelebt", sagt Möstl. Nun widme man sich dem eigentlichen Ziel: "Grundlagenforschung wie das Verständnis der Funktion von Sonnenstürmen direkt in verbesserte Vorhersagen umzusetzen." Möstl spricht von "Meteorologie fürs Weltall". Die Vorhersage von geomagnetischen Stürmen könnte so künftig zur Normalität werden.

Möstl träumt von einer Reihe neuer Sonden, die gerade bei der Nasa in Planung sind. Sie würden um die Erde kreisen und dauerhaft die Sonnenaktivität zwischen Erde und Sonne überwachen. Glück wie in diesem Fall wäre dann nicht mehr nötig. (Reinhard Kleindl, 25.3.2023)