Die Sozialdemokratische Partei beschäftigt zur Zeit eine Führungsdebatte.

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Wien – Am gestrigen Freitag um 23:59 Uhr ist die Frist für Bewerbungen um den SPÖ-Vorsitz abgelaufen. Wie viele sich um den Chefsessel beworben haben, ist noch offen. Laut Medienberichten ist mittlerweile von dutzenden Bewerberinnen und Bewerbern die Rede. Die Partei will am Samstagnachmittag eine Liste dazu veröffentlichen. Am Montag sollen in einem Präsidium dann weitere Schritte zur Mitgliederbefragung und zum Parteitag geklärt werden.

Die SPÖ hat eine turbulente Woche hinter sich. Was zunächst nach einem Zweikampf zwischen der amtierenden Parteichefin Pamela Rendi-Wagner und Herausforderer Hans Peter Doskozil aussah, entwickelte sich zu einem Mehrkampf. Der Wiener Bezirksfunktionär Nikolaus Kowall forderte das Duo heraus. Er zog seine Kandidatur aber zurück, nachdem der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler sein Antreten im Rennen um die Parteiführung öffentlich gemacht hat.

Ludwig gegen Kern

Immer wieder als Last-Minute-Kandidat gehandelt wurde der frühere Kanzler Christian Kern, wohl auch, weil er den ganzen Prozess seit Tagen auf Nachfragen nur vage kommentiert. Unterstützung von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig hätte er dabei jedenfalls nicht, der auch nicht an ein Antreten des ehemaligen Parteichefs glaubt: "Es wäre auch ein merkwürdiges Bild: dass er nach einer verlorenen Wahl als Kanzler aus der Partei ausscheidet, die Opposition einer von ihm selbst vorgeschlagenen Frau überlässt, um dann wieder das Kanzleramt anzustreben", meinte der Stadtchef im STANDARD. Dass der Prozess durch die vielen eingetrudelten Kandidaturen nicht einfacher wird, sieht auch Ludwig so: "In der Tat ist es jetzt etwas unübersichtlich geworden", meint er weiter.

Rendi-Wagner mit Videobotschaft

Rendi-Wagner hat sich indes am Samstag in einem Video an die Mitglieder gewandt. Darin wirbt sie für die eingeschlagene Vorgangsweise mit Mitgliederbefragung und Parteitag, damit "Debatten über uns selbst, die uns als Bewegung lähmen", endgültig beendet werden können. Als Parteivorsitzende sei es ihr wichtig, "diese notwendigen Entscheidungen" rasch zu treffen, "damit die drängenden Lösungen und Themen, die wir für unser Land haben, wieder im Vordergrund stehen". Mit den jüngsten Beschlüssen werde sicher gestellt, dass es eine "demokratisch legitimierte Entscheidung" gebe.

SPÖ

In dem knapp eineinhalbminütigen Video, das Rendi-Wagner mit eher ernster Miene im Freien zeigt, nannte die Parteichefin die gegenwärtige Situation keine einfache für der Sozialdemokratie nahe stehende Menschen. Aber sie wisse auch, dass man diese Situation meistern werde. Die SPÖ sei eine Partei der Zuversicht, weshalb sie die kommenden Wochen auch als Chance sehe, so Rendi-Wagner, die das Video mit einem "tief empfundenen" Freundschaft und Glück auf beendet.

Babler: "Chance einer Aufrichtung der Sozialdemokratie"

Auch Babler setzt auf ein Social Media-Video, das er am Freitagabend veröffentlichte. Er will der Bewegung Stolz und Würde zurückgeben, wie er – ebenfalls im Freien mit eher ernster Miene und Musikuntermalung – meint: "Es ist die Chance einer Aufrichtung der Sozialdemokratie", wirbt der Stadtchef um Unterstützung und Einigkeit.

Mitgliederzuwachs

Zumindest eines hat die SPÖ bisher mit ihrem Prozess erreicht. Die Zahl der Mitglieder ist jedenfalls fürs Erste stark angestiegen. Der oberösterreichische Landesvorsitzende Michael Lindner gab am Samstag bekannt, dass im März rund 1.000 Personen seiner Landesorganisation beigetreten sind, rund ein Viertel davon in Linz.

Die steirische SPÖ zählte am Freitag laut "Kleiner Zeitung" 500 neue Mitglieder. Aus Salzburg meldet Landesgeschäftsführer Gerald Forcher in den "SN" 400 Personen, die seit der Vorwoche hinzugekommen sind. In der kleinen Vorarlberger Teilorganisation haben sich laut Parteivorsitzender Gabriele Sprickler-Falschlunger rund 50 gemeldet ("VN"). Sie alle dürfen wohl an der Mitgliederbefragung teilnehmen, da der Stichtag mit dem gestrigen Freitag und überraschend nicht rückwirkend festgelegt wurde.

Mitgliederbefragung ab 24. April

Von 24. April bis 10. Mai können SPÖ-Mitglieder über die Parteiführung abstimmen. Die endgültige Entscheidung soll ein Sonderparteitag am 3. Juni bringen. Dem vorangegangen waren schon seit längerem andauernde Querelen zwischen Parteichefin Rendi-Wagner und Burgenlands Landeshauptmann Doskozil. Endgültig eskaliert war die Lage nach den Stimmeneinbußen der SPÖ bei der Kärntner Landtagswahl.

Die Fragestellung für die Mitgliederbefragung soll sinngemäß lauten, ob Pamela Rendi-Wagner Vorsitzende bleiben und Spitzenkandidatin bei der nächsten Nationalratswahl werden soll oder eben ein anderer Kandidat oder eine andere Kandidatin. Auch über diese Personen wird am Montag der Vorstand definitiv abstimmen. (red, APA, 25.3.2023)