Am Freitag um 23.59 Uhr war der erste Akt im Kampf um die rote Parteispitze beendet. Bis dahin hatten nämlich alle Interessierten Zeit, der SPÖ beizutreten, um wie tausende andere am Mitgliedervotum ab dem 24. April bis 10. Mai teilzunehmen. Oder sogar um den Parteivorsitz mit zu rittern.

Unglaubliche 73 Bewerberinnen und Bewerber zählten die Roten am Samstagnachmittag. Darunter sind vier Frauen und 69 Männer. Es soll sich mehrheitlich um "keine überregional bekannten" Personen handeln. Insgesamt 9000 neue Mitglieder traten bis zum Stichtag in die SPÖ ein. "Das ist ein starkes Zeichen", sagte Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung. "Wir freuen uns über diesen großen Mitgliederzuwachs."

Die Bewerbungen würden nun gesichtet. Ob auch tatsächlich alle Namen am Stimmzettel für die Mitgliederbefragung landen werden, ist also noch offen. 147.000 Mitglieder sind stimmberechtigt.

Kommen nun doch noch Hürden?

"Wir werden am Montag im Präsidium das Kandidatenfeld sichten und dann entscheiden, ob wir für eine tatsächliche Kandidatur auf dem Stimmzettel noch Hürden einbauen müssen", sagt Oberösterreichs oberster Genosse, Michael Lindner in den "Oberösterreichischen Nachrichten". Etwa eine bestimmte Anzahl an Unterschriften, die im Vorfeld gesammelt werden müssen.

Abseits der aussichtsreicheren Antritte von Burgenlands Landeschef Hans Peter Doskozil und dem Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, sind Details über die übrigen Kandidaturen nach wie vor ein Geheimnis. Bekannt wurde bisher nur jene von Berthold Felber, einem älteren Unternehmer für Kabelbäume aus dem Burgenland sowie dem Niederösterreicher Gerhard Weißensteiner, Lkw-Fahrer und Gemeindepartei-Kassier der SPÖ in der 2.200-Personen-Gemeinde Großdietmanns. Der "Parteirebell" und Wiener Bezirkspolitiker Nikolaus Kowall zog seine Kandidatur umgehend zurück, als Babler seinen Antritt bekanntgab.

Ein Überblick über einen roten Dreikampf und ein Gerücht, dem Wiens Bürgermeister Michael Ludwig im STANDARD prompt eine Absage erteilt hatte:


Die Parteivorsitzende – Pamela Rendi-Wagner (51)

Die SPÖ sei eine Partei der Zuversicht, richtete die rote Bundeschefin Pamela Rendi-Wagner den Genossinnen und Genossen per Videobotschaft aus.
Foto: Heribert Corn

Für die angeschlagene amtierende Parteichefin Pamela Rendi-Wagner geht es darum, ihr aktuelles Amt zu verteidigen. Rendi-Wagner bleibt dahingehend zuversichtlich. Rendi-Wagner kündigte aber ebenso an, die Politik an den Nagel zu hängen, sollte sie das Vorsitzmatch zu verlieren. Bei einem Mitgliedervotum im Jahr 2020 sprachen sich noch etwas mehr als 70 Prozent für die gelernte Ärztin als Parteichefin aus. Ihre Kritiker werfen Rendi-Wagner vor, dass sie in ihren Jahren zu wenig Profil entwickelt habe, wenngleich sie ein Sammelsurium an roten Inhalten vertritt: von Anti-Teuerungs-Maßnahmen bis zu Verbesserung der Kinderbetreuung in Österreich.

Am Samstagvormittag wandte sich Rendi-Wagner in einem Video an die roten Mitglieder. Darin warb die ehemalige Ministerin dafür, den Führungsstreit in der Partei per Mitgliederbefragung und einem Sonderparteitag zu klären. Rendi-Wagner sei es wichtig, "diese notwendigen Entscheidungen" flott zu klären, "damit die drängenden Lösungen und Themen, die wir für unser Land haben, wieder im Vordergrund stehen".

Der Kontrahent – Hans Peter Doskozil (52)

"In der Öffentlichkeit geben wir als SPÖ ein desaströses Bild ab", schrieb der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil an die Bundespartei.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Dass Hans Peter Doskozil mit Pamela Rendi-Wagner als SPÖ-Chef nichts anfangen kann, ist wahrlich kein Geheimnis. Das bekam Rendi-Wagner in regelmäßigen Abständen zu spüren. Aus der Deckung wagte sich der Genosse aus dem Burgenland allerdings erst Mitte März – dafür mit einem Paukenschlag. Seine Kandidatur gab Doskozil den Gremien per Brief bekannt und drängte darauf, die Mitglieder entscheiden zu lassen. Dieser Weg wurde Burgenlands Landeschef gewährt. Der Ex-Verteidigungsminister fährt im Burgenland grob gesagt eine "Mehr Staat, weniger privat"-Politik – zu beobachten etwa bei Doskozils Pflegemodell – und steht für eine restriktive Asyllinie.

Der Herausforderer – Andreas Babler (50)

"Ich täte gerne den ersten Wahlgang gewinnen ohne Stichwahl", sagte der Traiskirchner Bürgermeister und Andreas Babler kürzlich vor Journalistinnen und Journalisten.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Völlig überraschend gab Andreas Babler am Donnerstagabend seine Kandidatur bekannt. Der Traiskirchner Bürgermeister wurde zumindest von einigen Genossinnen und Genossen in den vergangenen Jahren mit höheren Weihen in der SPÖ in Verbindung gebracht. Vor allem wegen seiner Wahlerfolge in Traiskirchen, in dem ein immer wieder überfülltes Asylzentrum steht. Der gelernte Maschinenschlosser Babler tritt an, "weil es mir sehr weh tut, was wir da in den letzten Monaten mit dieser Partei aufgeführt haben – und damit bin ich nicht alleine". Und gab eine Richtung vor: "Wir sind da für die Leute, die Angst vor der nächsten Strom- und Mieterhöhung haben. Für die Leute, die von allen anderen Parteien gesagt bekommen, dass sie weniger wert sind." DER STANDARD hat Babler schon 2020 für eine Langzeitbeobachtung begleitet.

Das Dauergerücht – Christian Kern (57)

"Für mich ist das ein Schlussstrich als Berufspolitiker", sagte Altkanzler Christian Kern bei seinem Rücktritt im Jahr 2018.
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Wann immer es zuletzt in der SPÖ gekriselt hatte, durfte ein Gerücht nicht fehlen: die Rückkehr von Altkanzler Christian Kern als roter Parteichef. So war es auch diesmal. Die "Krone" brachte Kern just vor dem Ende der Frist für die Kandidatur am Freitag ins Spiel. Kern solle sich erst vor dem Sonderparteitag am 3. Juni in Stellung bringen. Dem Vernehmen nach dürfte Kern allerdings abwinken. Zudem richtete Wiens Bürgermeister Michael Ludwig dem früheren Regierungschef im STANDARD aus: "Es wäre ein merkwürdiges Bild: dass er nach einer verlorenen Wahl als Kanzler aus der Partei ausscheidet, die Opposition einer von ihm selbst vorgeschlagenen Frau überlässt, um dann wieder das Kanzleramt anzustreben. Ich glaube, das kann man der Öffentlichkeit schwer erklären." (Jan Michael Marchart, 25.3.2023)